Löwentor in Mykene, Zeusstatue aus Pergamon, Alexandermosaik aus Pompeji, Pantheon in Rom, San Vitale in Ravenna, Chora-Kirche in Istanbul, Kaiserdom von Speyer, Castel del Monte in Apulien, Hagia Sophia in Istanbul, Papstpalast in Avignon, San Marco in Venedig, Sankt Peter in Rom. Diese Kunstwerke zählen zu den bekanntesten Europas. Seit wann gibt es überhaupt Europa? Wo liegen seine kulturellen Ursprünge? Welche Rolle spielten der Alte Orient, das alte Griechenland und Rom für die Ausbildung einer europäischen Kultur? Wurde Europa nur durch das Christentum geprägt? Ist die islamische Welt ein Teil Europas? Gab es ein westliches und ein östliches Europa?
Fundierte Antworten auf diese Fragen europäischer Ideengeschichte liefert Bernhard Braun (*1955) in seiner umfangreichen Monographie „Die Herkunft Europas. Eine Reise zum Ursprung unserer Kultur“, erschienen bei wbg Theiss, einem Imprint der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft. Von dem ehemaligen Assistenzprofessor am Institut für Christliche Philosophie der Universität Innsbruck stammt auch das vierbändige Werk „Kunstphilosophie und Ästhetik. Bildende Kunst von der Urgeschichte bis heute“(2019). Dem Kulturhistoriker gelingt es in seiner neuen Darstellung zu Europa sehr gut, auch durch die Verwendung gekonnt ausgewählter Abbildungen, den Kulturtransfer zwischen dem Orient und Europa zu verdeutlichen. Dadurch räumt er zugleich mit historischen Stereotypen über Europa auf, die in der Öffentlichkeit, insbesondere in den digitalen Medien von rechtkonservativen und – extremen Strömungen verbreitet werden.
Europa war und ist ein Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen und Religionen. Ohne die zahlreichen nicht-europäischen Einflüsse hätte sich keine europäische Kultur herausbilden können. Dieses wird einer bzw. einem heutzutage noch durch die oben genannten Kunstwerke anschaulich vor Augen geführt. Daher kann das Buch Brauns auch zur historischen Aufklärung von Politiker:innen dienen, damit diese keine Fake News über die Geschichte und Kultur Europas verbreiten. Geschichtslehrkräfte erhalten durch das gut verständlich geschriebene Werk des Wissenschaftlers hervorragende Anregungen und Materialien, um sich mit der Thematik „Europa“ bzw. „europäische Identität“ in ihrem Fachunterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: „Die Herkunft Europas“ von Bernhard Braun entwirft ein faszinierendes historisches Panorama, das von allen an europäischer Geschichte Interessierten verdient gelesen zu werden. Das Buch leistet angesichts eines aktuellen Trends zu „Retrotopien“(Bauman) einen wichtigen Beitrag zu einem kritisch-reflexiven Selbstverständnis Europas.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Die orientalischen Wurzeln der europäischen Kultur
Europa ist nicht nur ein Kontinent, sondern auch ein Kulturraum mit einer Jahrtausende alten Geschichte. Doch wo liegen seine Wurzeln? Welche Vorstellungen und Bilderwelten prägten die frühen Zivilisationen? Und wie hat das »Morgenland« unser »christliches Abendland« geprägt? In diesem Buch erzählt der Philosoph Bernhard Braun die faszinierende Geschichte von der Herkunft der europäischen Kultur aus dem Orient.
Dabei verbindet er religionsgeschichtliche Aspekte, insbesondere die Entstehung von Judentum, Christentum und Islam, mit Entwicklungen in der Kunst, Wissenschaft und Philosophie. Er beleuchtet orientalische Hochkulturen wie die Sumerer, Perser und das Alte Ägypten. Stets hat der Autor die Diskussionen der Gegenwart im Blick, zum Beispiel die Rolle islamischer Kultur in Europa.
Europas Kulturgeschichte: von den Anfängen der Menschheit bis zum Beginn der Neuzeit
»Europa« war keine Europäerin: was steckt hinter unserem Gründungsmythos?
Von den Gottheiten des Neolithikums zur Geburt der monotheistischen Weltreligionen
Der Einfluss der orientalischen Kulturen auf die griechische und römische Antike
Arabische und vorderasiatische Metropolen als Zentren der Gelehrsamkeit
Das Verhältnis von Orient und Okzident im Wandel der Zeiten
Mit dem Beginn der Neuzeit kehrten sich die Verhältnisse um. Der Aufstieg Europas begann. Die Renaissance war eine Zeit rasanter Fortschritte auf allen Gebieten, ob in der Wissenschaft, der Literatur oder der Kunst. Der Orient büßte seine Vorreiterrolle ein und wurde zum Empfänger von Ideen und Technologien aus dem Abendland.
Bernhard Braun verdeutlicht im Spiegel der Geschichte, wie viel Orient und Okzident miteinander verbindet. In erzählerischer, leicht zugänglicher Form wirft er einen neuen Blick auf die Identität Europas.
2022. 560 S. mit 90 s/w- und 21 Farbabb., 14,5 x 21,5 cm, geb. mit SU. wbg Theiss, Darmstadt.

Inhaltsverzeichnis