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Der wilde Kontinent Europa in den Jahren der Anarchie 1943–1950 Aus dem Englischen von Stephan Gebauer und Thorsten Schmidt (Orig.: Savage Continent)
Der wilde Kontinent
Europa in den Jahren der Anarchie 1943–1950


Aus dem Englischen von Stephan Gebauer und Thorsten Schmidt (Orig.: Savage Continent)

Keith Lowe

Klett-Cotta
EAN: 9783608948585 (ISBN: 3-608-94858-9)
526 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 16 x 23cm, 2014, Tafelteil mit zahlreichen s/w-Abbildungen

EUR 26,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Zusammenbruch, Rechtlosigkeit, Anarchie: Mit der deutschen Kapitulation war das Töten noch nicht beendet. Zum ersten Mal macht Keith Lowe das ganz Europa umfassende Ausmaß der materiellen und moralischen Verwüstungen deutlich: die ergreifende Darstellung einer Welt, die aus den Fugen geraten war.

Eindrucksvoll beschreibt Keith Lowe in seinem international viel beachteten Buch den Abstieg eines ganzen Kontinents in die Anarchie. Dabei zeigt er die Gewalteruption des Zweiten Weltkrieges als ein komplexes Geschehen über die sogenannte Stunde Null hinaus. Im Zentrum seiner ausgewogenen Neudarstellung der Nachkriegszeit stehen die vielen auf dem Kontinent aufflammenden regionalen Konflikte, die auch noch nach den klassischen Kriegshandlungen stattfanden: Bürgerkriege wüteten, ethnische Spannungen und Säuberungen dauerten an, Juden und Minderheiten wurden weiterhin verfolgt. Der Krieg hatte – trotz Hitlers Niederlage – eine Gewaltdynamik entfacht, die sich nicht mit der Kapitulation stoppen ließ. Zugleich lässt der Autor die Menschen und die einzelnen Schicksale in den betroffenen Ländern sichtbar werden. Eine unerlässliche Lektüre für ein tieferes Verständnis der Schreckensgeschichte Europas.

Keith Lowe, geboren 1970, ist einer der herausragenden britischen Historiker der jüngeren Generation. Für »Der wilde Kontinent« erhielt er 2013 den angesehenen Sachbuchpreis des englischen PEN: den »Hessell-Tiltman Prize for History«. Das Buch war einer der Sunday Times Top Ten Bestseller. Zahlreiche Fernseh- und Radiobeiträge in England und den USA.
Rezension
Dieses aus dem Englischen übersetzte Buch des jungen britischen Historikers Keith Lowe (geb. 1970) bietet eine interessante Neudarstellung der Nachkriegszeit, die zeigt, dass der 2. Weltkrieg trotz Hitlers Niederlage eine andauernde Gewaltdynamik entfacht hatte, die sich nicht unmittelbar mit der Kapitulation stoppen ließ. Nach dem Sieg über Hitler-Deutschland begann auf dem europäischen Kontinent keineswegs sofort ein neues, ziviles Leben, sondern: "Europa in den Jahren der Anarchie 1943–1950" (Untertitel), eine Zeit der Abwesenheit von Recht und Zivilisation, die den Mythos von der sog. Stunde Null nach Kriegsende in Frage stellt. Recht und Ordnung existieren praktisch nicht mehr, denn es gibt weder Sicherheitskräfte noch ein Justizsystem. In einigen Gebieten scheinen die Menschen nicht mehr zu wissen, was Recht und was Unrecht ist. Sie eignen sich an, was greifbar ist, ohne darüber nachzudenken, wem es gehört, denn sie haben offenbar keine Vorstellung mehr vom Eigentum. Wer etwas besitzen darf, hängt davon ab, wer der Stärkere ist und es mit seinem Leben verteidigen wird. Europa nach dem 2. WK: eine Welt, die aus den Fugen geraten war!

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
»Keith Lowe räumt mit der Vorstellung auf, dass mit dem Sieg über Hitler-Deutschland der Kontinent sein neues, ziviles Leben begann. ... Lowes Darstellung drängt neue Ansichten auf: Die unmittelbare Nachkriegszeit war politisch komplexer, als unsere immer noch vom Kalten Krieg geprägte Sicht auf Europa suggeriert.«
Tobias Rapp & Elke Schmitter, Spiegel, Dezember 2014

»Lowe beschreibt eindrucksvoll, wie brutal der Krieg nach dem Kriegsende noch weiterging.«
Moritz Schuller, Der Tagesspiegel, 6.12.2014

»Man kann aus seinem aufwühlenden Buch lernen, was uns für Verhalten wie Urteil zur Gegenwart vorsichtiger machen sollte: Opfer können zu Tätern werden. Und jene, die keine Täter waren, werden zu Opfern von zu Tätern gewordenen Opfern.«
Erhard Schütz, Der Freitag, 16.12.2014

»Sein Buch ist eine Wiederaneignung einer noch immer verdrängten Geschichte der Abwesenheit von Recht und Zivilisation. ... Keith Lowe gelingt in seiner großen Studie das Kunststück, die Zeit der europäischen Anarchie ohne Ressentiments als Panorama des Schreckens abzubilden und zu einem Lehrstück über die Entstehung von Gewalt und den Mechanismen, die sie am Leben halten, zu machen.«
Harry Nutt, Berliner Zeitung, 17.12.2014

»... ein beeindruckend informatives Buch, das vor Augen führt, wie dünn die Decke der Zivilisation auch in Europa sein kann.«
Martin Hubert, Deutschlandradio "Andruck", 8.12.2014

»Keith Lowe entwirft das Drama einer europäischen Gewaltgeschichte der Jahre 1943 bis 1950, in denen ethnische Konflikte, ideologische Neupositionierungen, regionale Partisanenkämpfe, lokale Racheakte und Bürgerkriege einander bedingten oder auch nur zufällig nebeneinander existierten. ... die Wiedervereinigung einer noch immer verdrängten Geschichte der Abwesenheit von Recht und Zivilisation und nicht selten auch Empathie. Lowe fragt nach, was geschah, aber er interessiert sich auch dafür, wie es so weit kommen konnte.«
Harry Nutt, Frankfurter Rundschau, 8.12.2014

»Mit einer ebenso beeindruckenden wie ausgewogenen Studie räumt der junge britische Historiker Keith Lowe mit der Mär von der Stunde Null nach dem Zweiten Weltkrieg auf.«
Frank Saigge. Goslarsche Zeitung, 17.12.2014

»Keith Lowes Buch schließt die Lücke hinsichtlich eines historisch grausamen Zeitabschnitts, den man bislang gern ausgeblendet hat.«
Börsenblatt Spezial, 13.11.2014
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG 11

TEIL 1 – DAS ERBE DES KRIEGES 19

1. KAPITEL Die Zerstörung der dinglichen Welt 21
2. KAPITEL Abwesenheit 31
3. KAPITEL Vertreibung 48
4. KAPITEL Hunger 56
5. KAPITEL Moralische Zerstörung 65
6. KAPITEL Hoffnung 86
7. KAPITEL Die Landschaft des Chaos 96

TEIL 2 – RACHE 101

8. KAPITEL Blutdurst 103
9. KAPITEL Die befreiten Lager 107
10. KAPITEL Gezügelte Rache: Zwangsarbeiter 127
11. KAPITEL Deutsche Kriegsgefangene 146
12. KAPITEL Entfesselte Rache: Osteuropa 163
13. KAPITEL Der Feind im Innern 188
14. KAPITEL Rache an Frauen und Kindern 209
15. KAPITEL Der Zweck der Rache 228

TEIL 3 – ETHNISCHE SÄUBERUNG 235

16. KAPITEL Vor die Wahl gestellt 237
17. KAPITEL Die Flucht der Juden 240
18. KAPITEL Die ethnische Säuberung Polens und der Ukraine 266
19. KAPITEL Die Vertreibung der Deutschen 287
20. KAPITEL Ein europäischer Mikrokosmos: Jugoslawien 309
21. KAPITEL Westliche Toleranz, östliche Intoleranz 326

TEIL 4 – BÜRGERKRIEG 333

22. KAPITEL Kriege in Kriegen 335
23. KAPITEL Politische Gewalt in Frankreich und Italien 340
24. KAPITEL Der griechische Bürgerkrieg 361
25. KAPITEL Ein Kuckucksei im Nest: Der Kommunismus in Rumänien 385
26. KAPITEL Die Unterjochung Osteuropas 403
27. KAPITEL Der Widerstand der »Waldbrüder« 413
28. KAPITEL Der Spiegel des Kalten Krieges 435

SCHLUSS 442

ANHANG

Danksagung 459
Anmerkungen 461
Abbildungsverzeichnis 499
Bildnachweis 501
Quellen 502
Personen- und Ortsregister 516

KARTEN

1. Gebietsveränderungen in Europa, 1945 – 1947 9
2. Die Kriegstoten in Europa, 1939 – 1945 34
3. Der Archipel der deutschen Konzentrationslager 126
4. Vertriebenenlager in Deutschland, Österreich und Norditalien 137
5. Die Flucht der Juden nach Palästina 264
6. Die Vertreibung der Deutschen 290
7. Schauplätze von Massakern in Jugoslawien, 1945 330
8. Von der Résistance bis zum 23. August 1944 eigenständig befreite Gebiete 346
9. Italien, 1945 – 1946 351
10. Von den Partisanen kontrollierte Gebiete Griechenlands, 1944 364
11. Die baltischen Länder 415
12. Die Teilung Europas im Kalten Krieg 438