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Der Sinn des Mythos in Theologie und Hermeneutik
Der Sinn des Mythos in Theologie und Hermeneutik




Udo Schnelle

Evangelische Verlagsanstalt
EAN: 9783374073924 (ISBN: 3-374-07392-1)
240 Seiten, paperback, 14 x 21cm, März, 2023

EUR 38,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
In seinem neuen Buch stellt der international anerkannte Exeget Udo Schnelle das Mythos-Verständnis von den Anfängen bis zur Gegenwart dar. Er sieht im Mythos nicht eine überholte, sondern eine sachgemäße Form des Redens von Gott und dem Göttlichen. Von Gott kann man nur in Bildern, Metaphern und Symbolen, vor allem aber in der Form des Mythos als sinnstiftender Erzählung reden. Mythen sind Grundgeschichten, die das Leben ordnen und Orientierung stiften. Der wirkmächtige Mythos bewahrt ein Mehr an Erkenntnis und Emotionalität, das über seine zeitbedingten Interpretationen hinausgeht. Er nimmt die Offenheit und Unabgeschlossenheit der Wirklichkeit ernst und ist offen für Gottes Wirken in der Welt. Bultmanns Klassifizierung des Mythos als inadäquate Redeweise verfehlt dessen Wesen und Funktion; der Mythos ist als sinnbildende Erzählung sachgemäß und zugleich unverzichtbar; nicht nur in der Theologie, sondern auch in der Hermeneutik.

So wie Geschichte nicht entgeschichtlicht und Poesie nicht entpoetisiert werden kann, so kann auch der frühchristliche Mythos vom Leben, Sterben und der Auferstehung des Gottessohnes Jesus Christus nicht entmythologisiert werden. Er muss vielmehr unter der Voraussetzung eines positiven Mythos-Verständnisses und den Bedingungen der neuzeitlichen, selbstkritischen Vernunft interpretiert werden.

Udo Schnelle, Dr. theol., Jahrgang 1952, studierte Evangelische Theologie in Göttingen. Er war von 1984 bis 1986 Gemeindepastor in Gieboldehausen, von 1986‒1992 Professor für Neues Testament in Erlangen und von 1992 bis 2017 in Halle. Er ist Autor zahlreicher Lehrbücher zur Exegese und Theologie des Neuen Testaments sowie zur Geschichte des frühen Christentums.
Rezension
Mythen haben nach Zeiten der Entmythologisierung (Bultmann) als Weg vom Mythos zum Logos seit einigen Jahrzehnten wieder Konjunktur als "Dialektik der Aufklärung" (Horkheimer/Adorno), als "Mythen des Alltags" (Roland Barthes)oder als religiöser oder politischer Mythos - zurück vom Logos zum Mythos ... . In diese Kritik der Kritik am Mythos fügt sich auch dieses Buch, das den "Sinn des Mythos in Theologie und Hermeneutik" (titel) herausstellt und sich insbesondere von Rudolf Bultmanns Entmythologisierungsprogramm explizit abwendet: Bultmanns Klassifizierung des Mythos als inadäquate Redeweise verfehlt dessen Wesen und Funktion; der Mythos ist als sinnbildende Erzählung sachgemäß und zugleich unverzichtbar; nicht nur in der Theologie, sondern auch in der Hermeneutik. Im Mythos liegt nicht eine überholte, sondern eine sachgemäße Form des Redens von Gott und dem Göttlichen vor. Von Gott kann man nur in Bildern, Metaphern und Symbolen, vor allem aber in der Form des Mythos als sinnstiftender Erzählung reden. Mythen sind Grundgeschichten, die das Leben ordnen und Orientierung stiften. Dieser Band zeigt den Sinn des Mythos in Theologie und Hermeneutik auf. Mythen haben Konjunktur, Mythen werden wieder entdeckt, - die "Arbeit am Mythos" (Hans Blumenberg) ist insofern wichtiger denn je, wenn wir nicht einer flachen Rückkehr ins Archaische verfallen wollen. Mythen sollten deshalb (kritisch) in der Schule behandelt werden: nicht nur in Religion, sondern auch in Geschichte, Deutsch, Gesellschaftskunde und den Sprachen ... Menschen schufen sich schon immer Mythen. Vielleicht sind Mythen als Gegenerzählungen zur menschlichen Sterblichkeit entstanden, Mythen transzendieren den Alltag des sinnsuchenden Lebewesens Mensch. Mythen erwachsen aus der Erfahrung des Todes, Mythen sind mit Ritualen verbunden, Mythen handeln von zunächst Unbekanntem, Mythen wollen Handlungsanweisungen geben, Mythen symolisieren Transzendenz und Glaube. Kurz: Die Mythologie dient dazu, mit der misslichen menschlichen Lage fertig zu werden.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1. WAS IST EIN MYTHOS?

1.1 Der griechische Grund-Mythos 8
1.2 Grundlegende Erklärungsversuche und Begriffsbestimmungen 9

2. DER MYTHOS-BEGRIFF IN DER NEUEREN THEOLOGIE

2.1 Die ,mythische Schule' 16
2.2 David Friedrich Strauss und die Radikalkritik 22
2.3 Der Mythos-Begriff in der Religionsgeschichtlichen Schule 29
2.4 Mythos und Entmythologisierung bei Rudolf Bultmann 37
2.5 Stärken und Schwächen des Entmythologisierungsprogramms 5o
2.6 Die Debatte um die Entmythologisierung 58

3. DER MYTHOS-BEGRIFF IN DER NEUEREN PHILOSOPHIE, RELIGIONS- UND GESCHICHTSWISSENSCHAFT

3.1 Friedrich Wilhelm Joseph Schelling 73
3.2 Ernst Cassirer 75
3.3 Der Mythos in den Religionswissenschaften 77
3.4 Paul Ricoer 82
3.5 Hans-Georg Gadamer 84
3.6 Hans Blumenberg 87
3.7 Kurt Hübner 90
3.8 Volker Gerhardt 93
3.9 Der Mythos in den Geschichtswissenschaften 94
3.10 Der Stand der Dinge oder: Der Mythos als Deutungssystem 97

4. MYTHOS, SPRACHE UND WIRKLICHKEIT

4.1 Was ist ein Mythos oder: Wie kann der Mensch über Gott und das Göttliche reden? 108
4.2 Bild und Mythos 112
4.3 Metapher und Mythos 116
4.4 Symbol und Mythos 123
4.5 Ritual und Mythos 129
4.6 Märchen, Sage, Legende und Mythos 131
4.7 Mythos und Geschichte 133
4.8 Formelemente, Motive und Erzählstrukturen des Mythos 139

5. DER FRÜHCHRISTLICHE MYTHOS

5.1 Der historische Kern des frühchristlichen Mythos 145
5.2 Der Grund-Mythos: Die Gottwerdung eines Menschen als Menschwerdung Gottes 164
5.3 Der Jesus-Christus-Mythos bei Paulus 166
5.4 Der Jesus-Christus-Mythos im Kolosser- und Epheserbrief 172
5.5 Der Jesus-Christus-Mythos bei den Synoptikern 176
5.6 Der Jesus-Christus-Mythos bei Johannes 195
5.7 Der Jesus-Christus-Mythos in der Johannesoffenbarung 201

6. DER SINN DES MYTHOS IN THEOLOGIE UND HERMENEUTIK

6.1 Theologie 208
6.2 Hermeneutik 219

7. ANHANG

7.1 Literaturverzeichnis 231
7.2 Namenregister 235