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Der Dichter und der Neonazi Erich Fried und Michael Kühnen – eine deutsche Freundschaft
Der Dichter und der Neonazi
Erich Fried und Michael Kühnen – eine deutsche Freundschaft




Thomas Wagner

Klett-Cotta
EAN: 9783608983579 (ISBN: 3-608-98357-0)
176 Seiten, hardcover, 12 x 20cm, Januar, 2021

EUR 20,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
»Frieds Freundschaft mit Michael Kühnen beweist nichts. Weder ist seine Humanität vorbildlich, noch ist seine Naivität erschreckend. Aber sein Handeln wirft Fragen auf, die immer noch aktuell sind. Sie sollten uns Mühe bereiten.« Per Leo



21. Januar 1983: Eine unwahrscheinliche Begegnung bahnt sich an. Michael Kühnen – Wortführer der Neonazi-Szene – und Erich Fried – jüdischer Dichter und glühender Antifaschist – sollten sich in einer Fernsehtalkshow begegnen. Doch kurzfristig wurde Kühnen ausgeladen. Die Überraschung war groß, als gerade Fried erklärte, dies sei ein Fehler gewesen. Es war der Beginn einer unglaublichen, ja verstörenden Freundschaft.
Rezension
Der jüdische Dichter Erich Fried und der Neonazi Michael Kühnen freunden sich an, nachdem Kühnen aus einer Fernsehrunde ausgeladen wurde. So die Kurzfassung dieses kurzweiligen und lehrreichen Sachbuchs!
Was höchst unwahrscheinlich scheint, dass nämlich zwei Menschen mit diametral verschiedenen Lebenseinstellungen und -erfahrungen letztlich freundschaftlich zueinander finden, geschieht. Und davon erzählt Thomas Wagner. Indes erzählt er viel mehr, z.B. von den Lebensgeschichten der beiden ungleichen Männer, deren entscheidende Prägungen während Kindheit und Jugend, dem Aufkeimen der Neonaziszene in der jungen Bundesrepublik, den Verflechtungen zwischen Links- und Rechtsextremismus der 60er-90er Jahre. Kühnen war einer der Hauptrepräsentanten der Neonaziszene der 70er und 80er Jahre, notorischer Holocaustleugner, glühender Hitler-Verehrer. Von seinen Überzeugungen kann Fried ihn während der Korrespondenz ab 1983 nicht abbringen. Jedoch lässt der Briefwechsel eine zutiefst menschliche Begegnungsebene erkennen, die hier überraschen muss, war doch Frieds Familie im Nationalsozialismus gezwungen, ins Exil zu gehen, und war doch seine Großmutter in Auschwitz ermordet worden. Wagner zeichnet hier fein diejenigen Linien in Frieds und Kühnens Leben nach, anhand derer die Dialogfähigkeit beider deutlich wird, obgleich die Positionen Kühnens für Fried eine Zumutung gewesen sein müssen. Gleichzeitig werden auch verbindende Elemente in den Haltungen der beiden Korrespondenten deutlich.
Wie wird dieses gehaltvolle Sachbuch in der Schule Verwendung finden können?
Sicherlich haben Passagen daraus im Geschichtsunterricht der Oberstufe Platz, können aber teils als Einführung in Leben und Werk Erich Frieds gelesen werden, was eine ausschnittweise Lektüre im Deutschunterricht möglich macht.
Als Lektüre für Politik-, Geschichts- oder Deutschlehrkräfte und für alle an Zeitgeschichte Interessierten ist dieses Buch ohnehin wärmstens zu empfehlen.

Johannes Groß, www.lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
»Frieds Freundschaft mit Michael Kühnen beweist nichts. Weder ist seine Humanität vorbildlich, noch ist seine Naivität erschreckend. Aber sein Handeln wirft Fragen auf, die immer noch aktuell sind. Sie sollten uns Mühe bereiten.« Per Leo

21. Januar 1983: Eine unwahrscheinliche Begegnung bahnt sich an. Michael Kühnen – Wortführer der Neonazi-Szene – und Erich Fried – jüdischer Dichter und glühender Antifaschist – sollten sich in einer Fernsehtalkshow begegnen. Doch kurzfristig wurde Kühnen ausgeladen. Die Überraschung war groß, als gerade Fried erklärte, dies sei ein Fehler gewesen. Es war der Beginn einer unglaublichen, ja verstörenden Freundschaft.
Thomas Wagner erzählt die verblüffende Geschichte, wie aus einer unerwarteten Wendung ein über Jahre andauernder Austausch entstand. Die ungleiche Beziehung zwischen dem verurteilten Neonazi und besessenen Hitlerverehrer und dem Dichter, dessen Großmutter in Auschwitz ermordet worden war. Wagner nähert sich dabei einer der zentralen gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit an: Wie soll man umgehen mit dem Wiedererstarken des Faschismus in Deutschland, Europa und der Welt? Zudem lernen wir zu seinem 100. Geburtstag Erich Fried neu kennen: als einen Linken, der unverbrüchlich an die Möglichkeit des politischen Austauschs zwischen Links und Rechts glaubte. Als den Verfechter einer offenen Streitkultur, die auch dort nicht zurückschreckt, wo radikale, teils schwer zu ertragende Positionen aufeinandertreffen.
Inhaltsverzeichnis
DER VERHINDERTE FERNSEHAUFTRITT 8
Kampf gegen die Barbarei 10 Der Anruf 14 Worte der Zuneigung 19
JUGEND IN WIEN 25
Wunderkind mit Handicap 27 Der erste politische Auftritt 30 Siegeszug des Faschismus 33
MIT NAZIS REDEN 37
Gemeinsam verboten 38
Ein verliebter Hitlerjunge 39
SIE NANNTEN IHN »HUMMEL« 43
Begeisterung für den Faschismus 44 Die SS als Sündenbock 47 Verehrung Adolf Hitlers 48 Brauner Aktionismus 50
EINE UNGEWÖHNLICHE WIDMUNG 53
Der zweite Teil der Seele 54 Nachträglich eingefügt 56 Ein privater Austausch 58
DEN FEIND VERSTEHEN:
DER FALL IRMGARD GRESE 60
Der Todesengel von Auschwitz 62
Geteiltes Echo 66
ZWISCHEN DEN STÜHLEN:
EIN UNDOGMATISCHER LINKER 68
Antifaschist, aber kein Feind der Deutschen 69 Außenposten der APO 70 Ulrike Meinhof und die RAF 72 Der Seelenmist der anderen 74
KAMPF GEGEN DIE ENTFREMDUNG 77
Neigung zur Selbsterforschung 81
Das Beispiel Rudi Dutschkes 83
DER HEISSE HERBST 85
Gegen den Atomtod 86
Keine Querfront 88
DAS RÄTSEL DER FREUNDSCHAFT 91
Wunsch nach Nähe 92 Antibürgerliche Gemeinsamkeit 95 Eine Form von »Adoption« 96 Engagement für den Inhaftierten 98 Kameradschaft des Schmerzes 100 Angriffe aus dem eigenen Lager 102
POLITISCHE SOLDATEN 108
Ein Kriegsverbrecher als Lehrmeister 109 Gefährliches Netzwerk 110 Kühnens Charisma 112 »Ich habe Propaganda immer
minimalistisch gesehen.« 113

ANTISEMITISCHES VERSCHWÖRUNGSDENKEN 116
»Zersetzender Einfluss« 117 Judenfeindliche Angriffe 119 Leugnung des Holocaust 121 Zum Muttertag 122
ZWECK UND MITTEL 125
Ausländerhass als Sprengsatz 126 Das verschollene Gedicht 128 Ein unwillkommener Rat 130
AUS DER GESCHICHTE LERNEN 134
Frieds Glaube an den Menschen 136
EPILOG:
KEIN SCHREBERGARTENVEREIN 139
DANKSAGUNG 145
ANHANG 147
Quellen 149 Literatur 151 Anmerkungen 155