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Das Paradox des Augenblicks Zarathustra's Vorrede und Nietzsches Theorem der
Das Paradox des Augenblicks
Zarathustra's Vorrede und Nietzsches Theorem der "ewigen Wiederkunft des Gleichen"




Andreas Honneth

Königshausen & Neumann Verlag
EAN: 9783826027345 (ISBN: 3-8260-2734-5)
402 Seiten, kartoniert, 16 x 24cm, Juni, 2004

EUR 49,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Andreas Honneth geht "Zarathustras Vorrede" Satz für Satz durch und kommentiert sie sprachanalytisch und in Hinblick auf die geistesgeschichtlichen und theoretischen Implikationen. Es entsteht so ein komplexes Reflexionskontinuum, in welchem die Lesbarkeit von Nietzsches "Zarathustra" nicht nur rückwirkend auf philosophiegeschichtliche Zusammenhänge, sondern auch vorausweisend aufgezeigt wird, mit Ausstrahlungen auf Adorno, Benjamin, Bataille, Barthes oder Deleuze (um nur die für die Theoriearchitektur der Arbeit wichtigsten zu nennen). Hierbei beweist der Verfasser das Vermögen, den philosophisch-literarischen Text in seiner Eigenart durch subtile mikrologische Lektüre zum Sprechen zu bringen. Die Intensität der philosophischen Reflexion stellt sich aber durchgehend in den primären Dienst des Textverständnisses von Nietzsches "Zarathustra", ja man kann sagen, daß sich die philosophisch-begriffliche Disziplin des Verfassers der poetisch-ästhetischen Erfahrung unaufdringlich, aber bestimmt unterordnet.



Eine Qualität der zehn Hauptteile der Arbeit liegt in der kohärenten Kommentierung der Zarathustra-Vorrede als eines literarischen Textes. Bis heute gibt es in der Nietzsche-Sekundärliteratur keinen vergleichbar subtilen Zarathustra-Kommentar. Überhaupt ist eine konsequente philosopisch-literarische Kommentierung von Nietzsches "Hauptwerk" bis heute unterblieben. Neuere Kommentare befassen sich in der Regel unmittelbar mit den "Inhalten" der Zarathustra-Reden, kaum jedoch mit ihrer poetologischen Form. Andreas Honneths "Zarathustra" - Lektüre enthält glanzvolle Passagen, welche unversehens ins Zentrum der Nietzsche-Interpretation vorzudringen vermögen.



Wolfram Groddeck
Rezension
In der Geschichte der Philosophie finden sich immer wieder Erörterungen zum Phänomen des Augenblicks, etwa bei Platon oder Kierkegaard. Anders als der neutrale „Jetztpunkt“, der den Zusammenhalt von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stiftet, gewährt der – erfüllte - Augenblick eine Sprengung des Kontinuums in der leeren Wiederkehr historischer Zeit. Für Platon war der „Augenblick“ ein Splitter der Ewigkeit in der Zeit. Die Erfahrung des Plötzlichen lässt uns dessen gewahr werden, dass das unmöglich Erscheinende möglich werden kann. Axel Honneth erkennt im Paradox des Augenblicks die Zeit- und Erfahrungsmodalität, die im Zentrum von Nietzsches Theorie des „ewigen Wiederkunft des Gleichen“ steht, dem Grundgedanken des Buches „Also sprach Zarathustra“ (1892).
Er unternimmt eine Wort-für-Wort-Analyse der „Vorrede Zarathustra’s“, kommentiert sie sprachanalytisch und entfaltet ihre kulturgeschichtlichen Inhalte. Dabei erhellt er die Bedeutung von Nietzsches Hauptwerk für die Philosophiegeschichte, wobei er den Text als literarisches Werk ernst nimmt. Honneths Buch ist eine anspruchsvolle philosophische Untersuchung, geschrieben in einem äußerst schwierigen Sprachduktus. Es ist eine unverzichtbare Arbeit für das Studium Nietzsches, für Schülerinnen und Schüler ist es zu voraussetzungsreich.
Andrea Hannemann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die These des vorliegenden Buches ist, daß das Paradox des Augenblicks als die anticartesianische Evidenzform eines überschrittenen Ichs jener Zeitmodus ist, der im Zentrum von Nietzsches apokalyptischer Theorie der "ewigen Wiederkunft" steht, welche zugleich die "Grundkonzeption" seines Hauptwerkes "Also sprach Zarathustra" bildet. Indem diese Arbeit als Einführung in Nietzsches Hauptwerk einen kritischen Kommentar der "Vorrede Zarathustras" leistet, versucht sie der zentralen Bedeutung und Relevanz dieses Theorems nachzuspüren, wodurch ihr der Nachweis gelingt, daß die mythische "Wiederkehr" schlechter Unendlichkeit, mit dem die "Wiederkunft" bisher in der Nietzsche-Forschung unhinterfragt und unwidersprochen identifiziert wurde, vielmehr deren nihilistisches Double ist und insofern als Ausdruck eines durch die katastrophale Liquidierung des Einzelnen perennierenden Fortschritts gerade im Fokus von Nietzsches radikalem Geschichtszweifel steht. Nur durch die konsequente Realisierung der allegorisch-äquivoken Grundstruktur einer doppelten Perspektivierung von genealogischer Tiefenhermeneutik des Nihilismus und eschatologischer Ästhetik leib-hafter Existenz gelingt es, die Lehre des wiedergekehrten Propheten als Umwertungsdrama der Wahrheit im ästhetischen Medium zu erschließen: als Versuch einer "zweiten Aufklärung", die Kants kritisches Projekt auf veränderten Grundlagen erneuert, um, die ästhetische Moderne zur Gegeninstanz des geschichtlichen Fortschritts aufwertend und diesen korrigierend, noch dem "Abgrund" des Gesellschaftlich-Unbewußten "Licht zu bringen". Der Autor Andreas Honneth lebt als freier Autor in Bad Soden bei Frankfurt und Berlin-Kreuzberg. Er schreibt Essays und Kunstkritiken und arbeitet an einer Medien-Ästhetik und -Kritik, die u.a. auf der Ästhetik des späten Goethe und Nietzsches basiert.
Inhaltsverzeichnis
Exposition

1. Die "Grundconception des Werkes" oder: der Offenbarungs-Augenblick der Ewigen Wiederkunft. 13

2. "Bibel der Zukunft" und "tragisches Zeitalter" oder: Konstruktion des Ästhetischen als Umwertung des Sinnlosen durch den paradoxen Augenblick anticartesianischer Evidenz. 21

3. Explikation der methodischen Aporie der philologischen Interpretation eines philosophischen Textes am Beispiel von Titel und Untertitel. 37


Hauptteil: "Zarathustras Vorrede" Kommentar und Kritik

Der "1." Teil:
Untergang im Aufgang: Erfindung einer "helleren Sonne" oder: Zarathustras Berufung zum Propheten. Sein "neuer Blick": die "Leidenschaft der Erkenntnis", ihre Umlaufbahn als transzendental-experimentelle Ästhetik der Existenz und das vom intensiv-differentiellen Augenblick ihrer Inspiration ausgehende Glücks-Versprechen der Umwertung. 59

Der "2." Teil:
Die Intensität entfaltet die ihr immanente ästhetische Differenz: Zarathustras genealogischer Abstieg vom Gipfel und die Wiederbegegnung mit einem alten Einsiedler im Wald der Moral, den die Nachricht vom Tod Gottes noch nicht erreicht hat. 119

Der "3." Teil:
Experiment "Weltuntergang": das Unvorstellbare der ursprünglichen Verspätung oder Zarathustras antichristliche Botschaft der Überwindung des Menschen zum Übermenschen, der das dionysisch-messianische Ziel der Umwertung verkörpert, die Wiederkunft als "Sinn der Erde". 145

Der "4." Teil:
Kritische Instanz der „zweiten Aufklärung” und Vorstufe des Ubermenschen: der heroische Nihilist, das tragische Individuum, das sich verschenkt auf der Suche nach seinem Untergang. 175

Der „5.” Teil:
Negative Prophetie und apokalyptische Heimsuchung: die Heraufkunft des „letzten Menschen”, der nicht verschwinden will. Ihr Erfolg bei Publikum und Zeitgeist bedeutet Zarathustras Niederlage auf dem Markt 209

Der "6." Teil:
Duell im Spiegelkabinett, das „Vorwärts!” des Fortschritts als Kampf um Anerkennung: Doxa gegen Paradox, possenreißerisches Cogito gegen Seiltänzer, Jetzt gegen Augenblick. In Form einer gespenstischen Hetzjagd bestätigt der Machtwille der Reaktion die Gültigkeit des Bestehenden durch die Auslöschung des Zufalls im Opferritual eines inszenierten Unfalls. 225

Der „7.” Teil:
Nach dem Triumpf der Reaktion entspricht die tiefe Ernüchterung Zarathustras einer Durchquerung des Nullpunkts und Intensitätsminimums, die als Vergessen und „Nacht der Welt” zur „Hadesfahrt” und Erinnerung des Unvordenklichen wird. 265

Der „8.” Teil:
Gesellschaftlicher Ausschluß und Flucht aus dem Rattenrennen des Gesellschaftlich-Immergleichen, sowie aus dem Teufelskreis des Positivismus als „Götzendienst der Tatsachen”, in den verbotenen Raum zwischen physischem und symbolischem Tod, wo eine profane Initiation ins Nichts der Wiederholung zum neuerlichen Intensitätsanstieg führt. 283

Der „9.” Teil:
Am „Ende des Weges” erkennt Zarathustra die Notwendigkeit eines Neu-anfangs aus der Dissidenz, durch den die genealogisch-umwertende Kritik des Willens zur Macht als „Contre-Attaque” und „heilige Verschwörung” aller Außenseiter zur Schöpfung eines Neuen wird, das „Ohren für Unerhörtes” erfordert. 317

Der „10.” Teil:
Mittägliche Vision der dionysischen Idee als Präsentation des Unbewußten und Denken des nmöglichen: das Glücksrad der ewigen Wiederkunft des Gleichen oder die automone Wiederholung der Zukunft als das für sich der ästhetischen Differenz. 339

Bibliographie 387