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Das Gilgamesch-Epos  Neu übersetzt  und kommentiert von Stefan M. Maul
Das Gilgamesch-Epos
Neu übersetzt und kommentiert von Stefan M. Maul




Stefan M. Maul (Hrsg.)

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406528705 (ISBN: 3-406-52870-8)
192 Seiten, hardcover, 13 x 20cm, 2006, 3., durchgesehene Aufl., 13 Abb. 12 Illustrationen

EUR 19,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
DAS EPOS ERZÄHLT DEN MYTHOS DES KÖNIGS GILGAMESCH VON URUK, DER ERST NACH ZAHLLOSEN ABENTEUERN UND LEIDVOLLEN ERFAHRUNGEN DIE FÄHIGKEIT ERWIRBT, EIN WIRKLICH GUTER HERRSCHER ZU SEIN.



DER HEIDELBERGER ASSYROLOGE UND LEIBNIS-PREISTRÄGER STEFAN M. MAUL BIETET EINE ÜBERSETZUNG DES GILGAMESCH-EPOS, IN DER SPEKTAKULÄRE TEXTFUNDE ERSTMALS BEKANNT GEMACHT WERDEN.

DIE ÜBERZEITLICHE SCHÖNHEIT DES WERKES LÄSSTE ER SO IN NEUEM LICHT ERSTRAHLEN.
Rezension
Das Gilgamesch-Epos ist das älteste überlieferte Epos der Menschheit; seine älteste Version, die nur in Bruchstücken überliefert ist, geht auf das 18. Jh v. Chr. zurück (vgl. S. 14). Es erzählt die Geschichte des babylonischen Königs Gilgamesch, der zu zwei Dritteln Gott und zu einem Drittel ein Mensch ist. Entsprechend ist auch sein Herrschaftsanspruch, und so lernt er erst nach zahlreichen Abenteuern (zum Teil gemeinsam mit seinem Freund Enkidu, dem Tiermenschen), ein wirklich guter Herrscher zu sein.

Aufregend und befremdlich zugleich ist es, einen so alten Mythos zu lesen, auf den sogar ein Teil der Genesis, des ersten Buchs der Bibel, zurückgeht: nämlich die Sintflutsage. Damit kann sie nicht nur gut im Literaturunterricht, sondern auch im Religions- und Philosophieunterricht behandelt werden.
Die Übersetzung des Assyrologen Stefan M. Maul bietet dabei alles, um den interessierten Laien für die Lektüre zu begeistern: Eine kompetente Einführung in den Stoff und seine Überlieferung, Lektüreempfehlungen, eine Liste der Hauptpersonen, eine sehr hilfreiche Zusammenfassung der einzelnen Tafeln und schließlich die Übersetzung mit verständlichem Kommentar. Darüber hinaus ist diese Neuübersetzung des Epos die derzeit vollständigste, da sie auch die neuesten Forschungsergebnisse berücksichtigt.

Melanie Förg, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Aus dem Original vollständig neu übersetzt

Stefan M. Maul bietet auf der Grundlage von zum Teil noch unpublizierten Textzeugen eine vollständig neue Übersetzung des Gilgamesch-Epos. Er beschränkt sich nicht darauf, ein Hauptwerk der Weltliteratur in unsere Sprache zu übertragen, den babylonischen Originaltext so wortgetreu wie möglich wiederzugeben und ihn zugleich in ein schönes, gut lesbares Deutsch zu fassen. Vielmehr nimmt er in seiner Einleitung und seinen Kommentaren die Leser mit in die Welt des Alten Orients während des 3. Jahrtausends v. Chr. und erläutert auch die politischen, gesellschaftlichen und geistigen Rahmenbedingungen, unter denen das Gilgamesch-Epos entstanden ist.


Stefan M. Maul lehrt als Ordinarius für Assyriologie an der Universität Heidelberg. 1997 wurde er für seine Forschungsleistungen mit dem „Leibnizpreis“ ausgezeichnet. Er ist zur Zeit Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.

(www.beck.de)
Inhaltsverzeichnis
Einleitung

Lektüreempfehlungen

Die Hauptfiguren des Gilgamesch-Epos

Zusammenfassung des Geschehens

Das Gilgamesch-Epos
Die erste Tafel
Die zweite Tafel
Die dritte Tafel
Die vierte Tafel
Die fünfte Tafel
Die sechste Tafel
Die siebte Tafel
Die achte Tafel
Die neunte Tafel
Die zehnte Tafel
Die elfte Tafel

Kommentar

Leseprobe : „Die erste Tafel“

DIE ERSTE TAFEL

Der, der die Tiefe sah, die Grundfeste des Landes,
der das Verborgene kannte, der, dem alles bewußt –
Gilgamesch, der die Tiefe sah, die Grundfeste des Landes,
der das Verborgene kannte, der, dem alles bewußt –

vertraut sind ihm die Göttersitze allesamt.
Allumfassende Weisheit erwarb er in jeglichen Dingen.
Er sah das Geheime und deckte auf das Verhüllte,
er brachte Kunde von der Zeit vor der Flut.

Einen weiten Weg kam er her, um (zwar) müde
doch (endlich) zur Ruhe gekommen zu sein.
Festgehalten auf einem Steinmonument ist all die Mühsal.
Er baute die Mauer von Uruk, der Hürden(umhegten),
die des hochheil`gen Eanna, des reinen Schatzhauses.

Sieh an dessen Mauer, die wie Kupfer glänzt!
Besieh ihre Brustwehr, die niemand nachzubilden weiß!
Nimm doch die Treppe, die (dort) seit ewigen Zeiten!
Komm heran an Eanna, den Wohnsitz der Ischtar,
den kein künftiger König wird nachbilden können,
noch sonst ein anderer Mensch!

Steig doch hinauf, auf der Mauer von Uruk wandle umher!
Die Fundamente beschaue und das Ziegelwerk prüfe:
ob ihr Ziegelwerk nicht aus Backstein (besteht),
und ob die Sieben Weisen nicht (selbst) ihre Grundmauern legten!

Eine (ganze) Quadratmeile ist Stadt,
eine (ganze) Quadratmeile Gartenland,
eine (ganze) Quadratmeile ist Aue,
eine halbe Quadratmeile der Tempel der Ischtar.
Drei Quadratmeilen und eine halbe, das ist Uruk, das sind die Maße!

Sieh doch nach der Tafelschatulle aus Zedernholz!
Löse ihre Schließen aus Bronze!
So öffne den Deckel, der ihr Geheimnis (birgt)!
Nimm doch heraus die Lapislazuli-Tafel und lies
all das, was Gilgamesch durchlebt, all (seine) Leiden!

Alle Könige weit überragend, hochberühmt undvon schönster Gestalt:
Der kühne Sproß Uruks, der stößige Stier,
geht vorne als erster voran;
auch hinten geht er als Zuversicht seiner Brüder.

Festes Ufer und Schirm seiner Truppen,
wütende Woge, die einreißt die Mauer aus Stein.
Stier Lugalbandas, Gilgamesch, vollkommen an Kraft,
von der erhabenen Kuh, Wildkuh-Ninsunna, gesäugt!

Hochaufgewachsener Gilgamesch, vollkommen und ehrfurchtgebietend,
der die Gebirgsdurchgänge erschloß,
der die Brunnen an den Rändern der Berge grub,
der den Ozean, das weite Meer, überquerte
bis hin zum Aufgang der Sonne,

der die Ufer (der Welt), nach dem Leben stets suchend, erforschte,
der dank seiner Kraft Uta-napischti, den Fernen, erreichte,
der die Kultstätten, welche die Sintflut zerstörte,
wiedererrichtete an ihrem Ort,
der die Riten festsetzte für die umnebelten Menschen!

Wer ist denn der, der mit ihm sich an Königswürde messen könnte,
und zu sagen vermag wie Gilgamesch: „Ich, ja, ich bin der König!“? –
„Gilgamesch“ ist er seit dem Tage, da er geboren, mit Namen genannt.
Zwei Drittel an ihm sind Gott, doch sein (drittes) Drittel, das ist Mensch.

Das Bild seines Leibes entwarf Belet-ili,
Nudimmud vollendete meisterhaft seine Gestalt.
Jener ist strotzend an Kraft und von strahlender Schönheit,
stattlich ist seine Statur, elf Ellen hoch ist er gewachsen.

Zwei Ellen beträgt die Breite seiner Lenden.
Sein Fuß mißt drei Ellen, eine halbe Rute sein Bein.
Sechs Ellen sind seine Schultern breit,
der erste seiner Finger ist eine halbe Elle lang.

Bartbewachsen seine Wangen, wie Lapislazuli schimmernd sein Bart,
seiner Haarmähne Locken sprießen so üppig hervor wie Nissaba selbst.
Als er heranwuchs, ward er in seiner Lebensfülle vollkommen.
Wunderschön war er gebaut, wie es der Erde angemessen.

In der Hürde von Uruk wandelt jener umher.
Er läßt seine Kräfte (dort) spüren wie ein Stier erhobenen Hauptes.
Nicht einen gibt es, der ihm gleichkommt,
und hocherhoben sind seine Waffen.
Wegen des Spielballs stehen seine Gefährten bereit.

In finstere Stimmung verfallen die jungen Männer von Uruk,
in der Lage, die (ihnen) nicht angemessen.
Nicht läßt Gilgamesch den Sohn zu seinem Vater heraus.
Bei Tag und bei Nacht bäumt er sich auf voller Grimm,
Gilgamesch, der König der zahllosen Menschen!

Er ist doch Hirte von Uruk, der Hürden(umhegten)!
Nicht läßt Gilgamesch die Tochter zu ihrer Mutter heraus.
Ihre Klagen erheben vor Ischtar die Frauen Monat für Monat.
Ihre Beschwerde bringen sie immer wieder vor sie:

„Der starke, herrliche, kundige König,
nicht läßt Gilgamesch die junge Frau zu ihrem Bräutigam.“
Die Tochter des Kriegers, des jungen Manns Gattin,
deren Beschwerde hört Ischtar immerfort.