„Crossroads“ lautet der Titel des neuen Romans von Jonathan Franzen (*1959). Das mehr als 800 Seiten umfassende Buch bildet den Auftakt zu seiner neuen Triologie. Bekanntheit erlangte der preisgekrönte US-amerikanische Schriftsteller durch seinen Weltbestseller „Die Korrekturen“(2001), durch seine Romane „Freiheit“(2010) und „Unschuld“(2015), durch seine Essaysammlungen „Anleitung zum Einsamsein“(2002) und „Weiter weg“(2012), durch „Das Kraus-Projekt“(2013) sowie durch seinen Klima-Essay „Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen?“(2019). Dass Franzen nicht nur einer der erfolgreichsten Autoren der Welt ist, sondern auch einer, dessen Bücher intellektuellen Ansprüchen gerecht werden, demonstriert eindrücklich sein neues voluminöses Werk.
Es erscheint unter dem englischen Originaltitel „Crossroads“ in der gekonnten Übersetzung von Bettina Abarbanell im Rowohlt Verlag. Der Roman, der kurz vor Weihnachten 1971 in einem Vorort von Chicago spielt, handelt von einer völlig entfremdeten Familie, deren Mitglieder sich nach Freiheit sehnen: von Russ Hildebrandt, dem „zweiten“, evangelischen Pastor seiner Gemeinde, von seiner Frau Marion, die in psychologischer Behandlung ist, von dem ältesten Sohn Clem, der sich freiwillig als Soldat für den Vietnam-Krieg meldet, von seiner Schwester Becky, die sich erstmals verliebt und von ihrem jüngeren drogenabhängigen und Drogen verkaufenden Bruder Perry. Die Protagonist:innen des multiperspektivisch erzählten Werks stehen immer wieder vor moralischen Entscheidungen, über die sie intensiv reflektieren. Dabei rekurrieren sie u.a. auf Fragen der Rationalität von Handlungen, der Handlungsmotive, der Willensfreiheit, der Tugendethik und des Utilitarismus. Das englische Wort, zu Deutsch „Kreuzung“, „Wendepunkt“ oder „am Scheideweg“, kennzeichnet hervorragend das Thema des Sozialepos.
„Crossroads“ bezeichnet im Roman konkret eine religiöse Jugendgruppe unter Leitung des Pfarrers Rick Ambrose, mit der alle Familienangehörigen in Beziehung stehen. Franzen belegt mit seinem neuen Werk erneut, dass er ein Meister der Beschreibung zwischenmenschlicher Interaktionen und der Charakterisierung menschlicher Psychen ist. Lehrkräfte der Fächer Englisch, Philosophie und Ethik können aus dem Roman einzelne Szenen produktiv für eine problemorientierte unterrichtliche Auseinandersetzung mit dysfunktionalen Familienstrukturen, Problemen der amerikanischen Gesellschaft und ethischen Fragen heranziehen.
Fazit: „Crossroads“ von Jonathan Franzen ist für alle Freund:innen englischsprachiger Literatur ein Muss. Durch den unterhaltsam geschriebenen und spannenden Roman mit moralphilosophischem Tiefgang erhält man zugleich einen hervorragenden Einblick in die kulturellen Transformationsprozesse der amerikanischen Gesellschaft am Beginn der 1970er Jahre, die einen Beitrag zum besseren Verständnis der heutigen USA leisten können.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Crossroads
BESTSELLER
Übersetzt von: Bettina Abarbanell
Ein Roman über eine Familie am Scheideweg: über Sehnsucht und Geschwisterliebe, über Lügen, Geheimnisse und Rivalität. Der Auftakt zu Jonathan Franzens Opus magnum «Ein Schlüssel zu allen Mythologien» – einer Trilogie über drei Generationen einer Familie aus dem Mittleren Westen und einem der größten literarischen Projekte dieser Zeit.
Es ist der 23. Dezember 1971, und für Chicago sind Turbulenzen vorhergesagt. Russ Hildebrandt, evangelischer Pastor in einer liberalen Vorstadtgemeinde, steht im Begriff, sich aus seiner Ehe zu lösen – sofern seine Frau Marion, die ihr eigenes geheimes Leben lebt, ihm nicht zuvorkommt. Ihr ältester Sohn Clem kehrt von der Uni mit einer Nachricht nach Hause zurück, die seinen Vater moralisch schwer erschüttern wird. Clems Schwester Becky, lange Zeit umschwärmter Mittelpunkt ihres Highschool-Jahrgangs, ist in die Musikkultur der Ära ausgeschert, während ihr hochbegabter jüngerer Bruder Perry, der Drogen an Siebtklässler verkauft, den festen Vorsatz hat, ein besserer Mensch zu werden. Jeder der an einem Scheideweg stehenden Hildebrandts sucht eine Freiheit, die jeder der anderen zu durchkreuzen droht.
Jonathan Franzen ist berühmt für seine Gegenwartspanoramen mit ihren unvergesslich lebendigen Figuren. Jetzt, in «Crossroads», einer aus mehreren Perspektiven erzählten Geschichte, die sich im Großen und Ganzen an einem einzigen Wintertag entrollt, nimmt er den Leser mit in die Vergangenheit und beschwört eine Welt herauf, die in der heutigen noch nachhallt. Ein Familienroman von beispielloser Kraft und Tiefe, mal komisch, mal zutiefst bewegend und immer spannungsreich: ein fulminantes Werk, in dem Jonathan Franzens Gabe, im Kleinen das Große zu zeigen, in Erscheinung tritt wie nie zuvor.
«Jonathan Franzen ist einer der größten lebenden Schriftsteller, und seine Romane gehören zum Kanon der großen amerikanischen Familien- und Sozialepen.»
DER SPIEGEL