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Aus der Asche Eine neue Geschichte Europas im 20. Jahrhundert
Aus der Asche
Eine neue Geschichte Europas im 20. Jahrhundert




Konrad H. Jarausch

Reclam Stuttgart
EAN: 9783150111147 (ISBN: 3-15-011114-5)
1168 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, September, 2018

EUR 49,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Wer hätte gedacht, dass Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wie Phönix aus der Asche wieder aufsteigen würde, um zu nie gekanntem Frieden und Wohlstand zu finden? Konrad H. Jarausch erzählt die wechselvolle Geschichte des Kontinents im 20. Jahrhundert als unablässige Auseinandersetzung mit der Moderne, die technisch sowie sozialen Fortschritt, aber auch Tod und Zerstörung gebracht hat. Indem Europa aus seinen Fehlern gelernt hat, konnte es schließlich zu einem so wichtigen wie konstruktiven Mitglied der Weltgemeinschaft werden.



„Konrad Jarausch macht die Erforschung der europäischen Geschichte wieder zu einem intellektuellen Abenteuer.“

(Jürgen Kocka)
Rezension
Moderne, Erster Weltkrieg, Kommunismus, Demokratiekrise, Faschismus, Zweiter Weltkrieg, Holocaust, Kalter Krieg, Demokratisierung, Dekolonisierung, europäische Integration, 68er-Revolution, Globalisierung, Ende des Kalten Krieges, gesellschaftliche Transformationsprozesse bezeichnen zentrale Entwicklungen und Ereignisse Europas im 20. Jahrhundert. Diese kategorial zu erfassen ist die Aufgabe jedes Historikers, der eine Darstellung des Zeitabschnitts anstrebt.
Ein solches opus magnum hat der Historiker Konrad Hugo Jarausch (*1941) mit „Aus der Asche. Eine neue Geschichte Europas im 20. Jahrhundert“ (2018, zuerst 2015 in den USA erschienen) vorgelegt. Auf 1070 Seiten beschreibt der Professor für „European Civilization“ an der University of North Carolina und ehemaliger Leiter des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam, detailliert, anschaulich, gut verständlich und immer fachlich fundiert mit enormen Wissen und exzellenter Literaturkenntnis die Ambivalenzen der Moderne. „Modernity“ gilt ihm als zentrales historisches Konzept, als Narrativ seines Werks. Dabei differenziert er zwischen ihren drei politischen Modellen: der liberalen, der kommunistischen und der faschistischen Moderne. Die These, den Holocaust als Ausdrucksform einer spezifischen Moderne zu interpretieren, übernimmt Jarausch von dem Soziologen Zygmunt Baumann (1925-2017). So fruchtbar die Arbeit mit der Kategorie Moderne zur Verdeutlichung der Dialektik des 20. Jahrhundert ist, so stellt sich doch die geschichtstheoretische Frage, ob eine weitere Differenzierung, etwa zwischen wirtschaftlichem, sozialem, rechtlichem, politischem und moralischem Fortschritt nicht analytisch hilfreich gewesen wäre, um die Unterschiede zwischen modernen und vormodernen Prozessen noch schärfer zu konturieren.
Auch wenn der Schwerpunkt in „Aus der Asche“ auf der politischen und sozialen Geschichte liegt, würdigt Jarausch angemessen die wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Moderne. Das Thema „Umwelt“ kommt in seiner umfassenden Synthese allerdings zu kurz. Im Kontext der ökologischen Krise hätte auch das Buch „Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“ (1979) des Philosophen Hans Jonas (1903-1993) Erwähnung verdient. Zu Recht erkennt Jarausch die Notwendigkeit einer humanistischen Ethik zur Zähmung der Moderne.
Besondere Erwähnung verdient der transatlantische Blick des Historikers auf die europäische Geschichte. Fünf Lehren hat ihm zufolge Europa aus seinen historischen Erfahrungen gezogen: Entmilitarisierung, soziale Marktwirtschaft, Wohlfahrtsstaat, Nachhaltigkeit und Demokratie mit Menschenrechten. Nach Jarausch kommt dem europäischen „Modell einer demokratischen und sozialen Moderne“ gegenüber dem Trumpismus in den USA besondere Aktualität zu. Die von Jarausch identifizierten Errungenschaften Europas im 20. Jahrhundert verdienen angesichts der Zunahme „autoritärer Versuchungen“ (Wilhelm Heitmeyer) in den EU-Staaten in Politik und Öffentlichkeit mehr Gehör.
Fazit: Konrad H. Jarausch ist mit „Aus der Asche“, erschienen bei Reclam, ein Meisterwerk der europäischen Geschichtsschreibung gelungen, das verdient von jedem historisch Interessierten gelesen zu werden und in die Bibliothek jeder Geschichtslehrkraft gehört.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Verlagsinfo
Die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert kennzeichnet ein Auf und Ab von fortschrittlicher Entwicklung und Katastrophen. Moderne Technologien und gesellschaftliche Reformen ließen die Zukunft zunächst rosig erscheinen, doch der Fortschritt brachte Konflikte, und der Erste Weltkrieg beendete diese frühe Modernisierungsphase Europas jäh. Nach einer kurzen Erholung in den 1920er Jahren erlebte der Kontinent mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust dann eine beispiellose Katastrophe – um danach wie Phönix aus der Asche aufzusteigen und, zunächst in seiner westlichen Hälfte, doch noch den Weg zu Demokratie und Wohlstand zu finden.
Konrad H. Jarausch erzählt die Geschichte Europas bis in die jüngste Vergangenheit hinein und erklärt die widersprüchlichen Entwicklungen, das Janusgesicht des 20. Jahrhunderts von Gewalt und Versöhnung, Ausbeutung und Solidarität.
Eine großartige Gesamtgeschichte Europas und gleichzeitig eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Ambivalenz von Fortschritt und Moderne.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7

Einleitung: Das europäische Paradox 12

Teil I: Fortschrittsversprechen, 1900–1929
Globale Herrschaft 34
Ein Frieden bricht zusammen 70
Ein totaler Krieg 104
Die bolschewistische Revolution 142
Demokratische Hoffnungen 178
Die faschistische Alternative 216
Modernistische Provokationen 252

Teil II: Auf dem Weg zur Selbstzerstörung, 1929–1945
Eine verhängnisvolle Depression 290
Stalinistische Modernisierung 324
Hitlers Volksgemeinschaft 360
Der Zweite Weltkrieg wird entfesselt 396
Eroberungszüge der Wehrmacht 434
Hitlers Holocaust 472
Bitterer Sieg 510

Teil III: Überraschende Erholung, 1945–1973
Demokratischer Neubeginn 548
Kommunistisches Diktat im Osten 586
Krisen des Kalten Kriegs 622
Enttäuschende Entkolonialisierung 660
Integration durch Wirtschaft 696
Pop und Prosperität 732
Die Planung sozialer Reformen 768

Teil IV: Umstrittene Globalisierung, 1973–2000
Revolte gegen die Moderne 806
Die postindustrielle Transformation 842
Zurück zur Entspannung 876
Friedliche Revolution 912
Die Transformation des Ostens 950
Globale Herausforderungen 986
Aussichten für das 21. Jahrhundert 1020
Epilog: Eine gezähmte Moderne 1052

Anhang
Danksagung 1073
Anmerkungen 1074
Verzeichnis der Karten und Abbildungen 1148
Register 1150