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Abgetaucht, radikalisiert, verloren?
Die Generation 50+ im Sog der Filterblasen
Mit einem Vorwort von Tobias Meilicke
Sarah Pohl, Mirijam Wiedemann
BRILL
, Vandenhoeck & Ruprecht
EAN: 9783525408315 (ISBN: 3-525-40831-5)
134 Seiten, paperback, 12 x 21cm, März, 2025
EUR 25,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Früher wandten sich betroffene Eltern wegen ihrer radikalisierten Jugendlichen an Beratungsstellen. Seit einigen Jahren scheint sich dies umgekehrt zu haben: Immer öfter suchen junge Menschen wegen ihrer radikalisierten Eltern Hilfe. Menschen der Generation 50plus teilen häufiger Fake News als junge Menschen, sind anfälliger für Verschwörungsideologien und scheinen häufiger in Filterblasen abzutauchen. Woran liegt das? Und wie kann mit diesem neuen Phänomen der radikalisierten Senioren und Seniorinnen umgegangen werden? Neben einem Streifzug durch die Studienlage zu Medienkompetenz und Radikalisierung im Alter beleuchten die Autorinnen individuelle Fallgeschichten und leiten daraus Lösungsideen ab. Es zeigt sich, dass eine Sensibilisierung für die Vulnerabilität in dieser Generation dringlich und von hoher politischer Relevanz ist: Nur so lassen sich Wege finden, der Spaltung innerhalb von Familien und innerhalb der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Dr. Sarah Pohl, Diplom-Pädagogin, systemische Paar- und Familienberaterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, leitet die Zentrale Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen des Landes Baden-Württemberg (ZEBRA/BW). Sie arbeitete acht Jahre in der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg und ist seit langem als Referentin und Autorin in diesem Themenfeld tätig.
Mirijam Wiedemann hat gymnasiales Lehramt in den Fächern Englisch, Geschichte und katholische Theologie an der Universität Tübingen studiert. Nach ihrer Tätigkeit als Lehrerin in Baden-Württemberg ist sie seit 2017 die Leiterin der Geschäftsstelle für gefährliche religiös-weltanschauliche Angebote in der Stabsstelle Religionsangelegenheiten/ Staatskirchenrecht am Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg.
Rezension
Die Autorinnen haben 2023 bereits ein thematisch ähnliches, aber auf (Filterblasen-)Kinder bezogenes Buch veröffentlicht: "Zwischen den Welten - Filterblasenkinder verstehen und unterstützen"
(Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 9783525459232, 136 Seiten, EUR 25,00). Schon dort waren die Fallbeispiele und Lebensläufe der weitaus überzeugendste Teil der Darstellung, - weniger die theoretische Grundierung. Jetzt wenden sie sich der "Generation 50+ im Sog der Filterblasen" (Untertitel) zu. Und wieder stellen sich ähnliche Fragen: Warum tauchen Menschen (in Filterblasen-Gruppen wie religiöse oder politisch-radikale Sondergruppen und Quer-"Denker" jeder Art) ab, radikalisieren sich? Zugehörigkeit oder Gruppenzwang? Gegenseitiges Vertrauen oder Kontrolle? Spirituelle Entwicklung oder Schwarz-Weiß-Denken? Das Leben in Paralleluniversen kann neben einem Zugewinn an Sicherheit auch Beziehungs- und Autonomieverlust bedeuten. Das informative Buch ist wiederum klar in drei Teile gegliedert: 1) Generation 50+ und Radikalisierung: Zahlen, Daten und Fakten, 2) Warum radikalisiert sich die Generation 50+?, 3) Was können wir tun? Lange Zeit wurde in Deutschland das Thema »Radikalisierung« bzw. »Extremismus« nur als Jugendphänomen behandelt und wahrgenommen. Das hat sich (nicht erst seit Corona) geändert! Unsere Präventionslandschaft erreicht kaum »ältere« Zielgruppen. So fördert das Bundesprogramm »Demokratie leben« vor allem Projekte, die im Bereich der Demokratieförderung und Extremismusprävention mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 27 Jahren arbeiten. Das muß sich ändern! Denn in der Pandemie waren es nicht die Generation Z (geboren ab 1980), Millennials oder Kinder, die sich erst Verschwörungstheorien und später zum Teil rechtsextremen Gedankengut zuwandten, sondern vor allem die sog. »Babyboomer« oder »Best Ager«. Lebenskrisen fördern Radikalisierung, das im Alter zentrale Thema der Gesundheit ist oft eine Einstiegsdroge für Verschwörungsdenken.
Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9
Warum dieses Buch? 13
Erster Teil: Generation 50+ und Radikalisierung: Zahlen, Daten und Fakten 20
Was wissen wir über Radikalisierung bei der Generation 50+, den Best Agern oder Senioren? 21
Was bedeutet »Radikalität«? 22
Ist die Wahrnehmung von Fake News altersabhängig? 24
Glauben ältere Menschen vermehrt an Verschwörungstheorien? 26
Wie gewaltbereit sind Ältere? 30
Sind Best Ager leichtgläubiger? 32
Tendieren ältere Leute eher zu esoterischen Angeboten? 35
Die Altersstruktur der Querdenker- und Reichsbürgerszene 38
Medienkompetenz im Zeitalter von Fake News 39
Wie nutzen ältere Menschen in Deutschland die Medien? 39
Zusammenhang von Medienkompetenz und Fake News 43
Zweiter Teil: Warum radikalisiert sich die Generation 50+?
Beispiele und Tipps für das soziale Umfeld 46
Kontrollverlust durch Altern 50
Engagement und Emotion: Die »ewige« Lehrerin 52
Einsamkeit im Witwerhaushalt 53
Sinnsuche in der Informationsflut 55
Unsicherheit – ins Alter perpetuiert 58
Bedrohliche Nachbarschaft und Ungerechtigkeitsgefühl 59
Soziale Einbindung – in Paraguay 61
Renteneintritt und Chatgruppensog 64
Lebenskrisen, Corona und Suizidgedanken 66
Überhandnehmende soziale Beeinflussung – durch den eigenen Sohn 70
Empty Nest: Eine Leere muss gefüllt werden 73
Altersstarrsinn und -aggressivität, legitimiert durch Verschwörungstheorien 76
Fehlende Enkelkinder: Wenn aus einem Wunsch ein Problem wird 79
Vertrauensverlust durch reale Erfahrungen ist schwer beizukommen 81
Der Partner als Radikalisierungsmotor 83
Zu viel Verantwortungsübernahme und Parentifizierung 85
Randgruppenerfahrung – wenn der Vater Vorräte anlegt 88
Fehlende Anerkennung: Ein enttäuschter Neurentner 89
Im Strudel des »Overthinking« 91
Bindungsabbrüche und Hass auf ganz Afrika 93
Bloß vermeintliche Radikalisierung 95
Dritter Teil: Was können wir tun?
Ansätze für Gesellschaft, Privates und Beratung 99
Radikalisierung im familiären Umfeld: Kontakt halten 100
Warum hat sich mein Angehöriger, Partner oder Freund radikalisiert? 100
Wie geht es mir mit der Situation? Muten Sie sich zu! 102
Deeskalative Techniken 105
Selbstschutz: Was möchte ich in der Beziehung zum Radikalisierten erreichen? 106
Welche typischen Streit- und Konfliktmuster prägen unsere Beziehung? 107
Der oder die andere will sich einfach nicht verändern – was nun? 108
Generationale Gräben und Konflikte – ja und nein 109
Bin ich verantwortlich für meine Eltern? 109
Das Thema »Radikalisierung in Therapie und Beratung« 111
Die therapeutisch-beraterische Grundhaltung Neutralität 111
Klarheit in Rolle, Auftrag und Setting 112
Methodisches Vorgehen – kein Rezept für die Deradikalisierung 113
Deradikalisierung als individueller Weg 114
Gesellschaftliche Herausforderungen 115
Zielgruppen besser erreichen 118
Begegnungsräume gegen Vorurteile schaffen 120
Niederschwellige psychosoziale Angebote kreieren 121
Medienbildung stärken 122
Vertrauens(wieder)aufbau 123
Wie kann es weitergehen? 125
Literatur 128
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