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Abenteuer der Moderne
Die großen Jahre der Soziologie 1949-1969
Thomas Wagner
Klett-Cotta
EAN: 9783608987058 (ISBN: 3-608-98705-3)
336 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, Februar, 2025
EUR 28,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
THOMAS WAGNER ABENTEUER DER MODERNE
Adorno, Gehlen und der Schatten des Nationalsozialismus
Freigeist trifft auf Demokratieverächter – Thomas Wagner enthüllt die so spannende wie eigenwillige Beziehung zwischen dem linken Philosophen Theodor W. Adorno und seinem rechten Widerpart Arnold Gehlen. Mit großer Erzählkunst nimmt er uns mit auf die aufregende Reise in eine sich mitten im Kalten Krieg rasant modernisierende Gesellschaft. Dabei gibt er überraschende und verstörende Einblicke in die Intellektuellengeschichte der jungen Bundesrepublik.
Rezension
Zu den legendären Fernsehauftritten von Soziologen zählt das Streitgespräch zwischen Theodor W. Adorno (1903-1969) und Arnold Gehlen (1904-1976) im Westdeutschen Rundfunk 1965 über die Frage „Ist die Soziologie eine Wissenschaft vom Menschen?“. Während Gehlen dort die Notwendigkeit von Institutionen aufgrund ihrer persönlichkeitsstabilisierenden Funktion für das „Mängelwesen“ Mensch verteidigte, kritisierte Adorno die gegenwärtigen gesellschaftlichen Einrichtungen aufgrund ihres autoritären Charakters, der Menschen an der Möglichkeit zur Bildung freier Subjekte hindere. Dieses war aber nicht die einzige Begegnung zwischen dem Hauptvertreter der älteren Kritischen Theorie, Autor von Büchern wie „Dialektik der Aufklärung“(1944) [zusammen mit Max Horkheimer], „Minima Moralia“(1951), „Negative Dialektik“(1966), „Ästhetische Theorie“(1970) und „Erziehung zur Mündigkeit“(1971), und dem konservativen Kulturanthropologen, Verfasser der Bücher „Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt“(1940), „Anthropologische Forschung“(1961) und „Moral und Hypermoral“(1969).
Das Verhältnis zwischen dem ehemaligen überzeugten Nationalsozialisten Arnold Gehlen, der im Dritten Reich mehrere Professuren bekleidete, und dem jüdischen Philosophen Theodor W. Adorno, der aufgrund der antijüdischen Hochschulgesetze der Nationalsozialisten ins Exil gehen musste, beleuchtet Thomas Wagner in seinem populären Sachbuch „Abenteuer der Moderne. Die großen Jahre der Soziologie 1949-1969“, erschienen bei Klett-Cotta. Bekanntheit erlangte der Autor und Kulturjournalist durch seine Bücher „Robokratie. Google, das Silicon Valley und der Mensch als Auslaufmodell“(2015), „Die Angstmacher. 1968 und die Neuen Rechten“(2017) und „Der Dichter und der Neonazi: Erich Fried und Michael Kühnen – eine deutsche Freundschaft“(2021). In seinem neuen Sachbuch, in dem Wagner Fakten und Anekdoten geschickt miteinander verbindet, gelingt ihm eine sehr gute Darstellung des persönlichen Verhältnisses zwischen Adorno und Gehlen. Adorno verhinderte durch vernichtende Gutachten die Berufung Gehlens, welcher damals als Hochschullehrer an der Staatlichen Akademie für Verwaltungswissenschaften Speyer tätig war, auf den Soziologie-Lehrstuhl in Heidelberg. Die Frauen beider Soziologen standen miteinander im Kontakt, es kam zu persönlichen Begegnungen zwischen Adorno und Gehlen. Sie unterhielten miteinander einen bisher unveröffentlichten Briefwechsel. In seiner Intellektuellen-Geschichte würdigt Wagner zugleich die Schriften des marxistischen DDR-Intellektuellen Wolfgang Harich über Gehlen.
Zu wenig werden in dem Buch Wagners zu den „großen Jahren der Soziologie“ andere Vertreter:innen der Soziologie in der Bundesrepublik im Zeitraum bis 1969 gewürdigt. Adornos „Negative Dialektik“ und seine kritische Sozialphilosophie hätten ebenfalls genauere Berücksichtigung verdient. Dadurch würden die theoretischen Differenzen zwischen Adornos materialistischer Sozialphilosophie und Gehlens konservativer Kulturanthropologie noch deutlicher werden. Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik und Politik werden jedenfalls durch das vorliegende Buch motiviert, sich in ihrem Fachunterricht mit den Sozialphilosophien Adornos und Gehlens problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Thomas Wagner hat mit seinem Sachbuch „Abenteuer der Moderne. Die großen Jahre der Soziologie 1949-1969“ - durch die Fokussierung auf die Intellektuellen Adorno und Gehlen - eine allgemein verständliche und unterhaltsam zu lesende Darstellung der Etablierung der Soziologie als Leitwissenschaft in Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg vorgelegt.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Adorno, Gehlen und der Schatten des Nationalsozialismus
»Ein dichtes Panorama der intellektuellen Szene im Nachkriegsdeutschland. Sehr zu empfehlen, sehr gelungen.« Wolfgang Schneider, Deutschlandfunk Kultur
Freigeist trifft auf Demokratieverächter – Thomas Wagner enthüllt die so spannende wie eigenwillige Beziehung zwischen dem linken Philosophen Theodor W. Adorno und seinem rechten Widerpart Arnold Gehlen. Mit großer Erzählkunst nimmt er uns mit auf die aufregende Reise in eine sich mitten im Kalten Krieg rasant modernisierende Gesellschaft. Dabei gibt er überraschende und verstörende Einblicke in die Intellektuellengeschichte der jungen Bundesrepublik.
Frühjahr 1958: Theodor W. Adorno bezichtigt seinen Kollegen Arnold Gehlen mit einem vernichtenden Gutachten des faschistischen Denkens – und verhindert dessen Berufung nach Heidelberg. Wenige Jahre später schreiben sie sich Briefe, treffen sich privat und führen eine Reihe von Rundfunkgesprächen – wieso? Vor dem Hintergrund von Wiederbewaffnung und deutscher Teilung schildert Thomas Wagner die Geschichte dieser außergewöhnlichen Begegnung. Er zeigt, wie sich die Soziologie als neue Leitwissenschaft etabliert und welchen Anteil ehemalige Nationalsozialisten dabei haben. Sein Erzählbogen reicht von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus bis in die Hauptstadt der DDR. Mit illustren Figuren wie Arendt, Benn, Brecht, Augstein, Plessner und Harich entsteht ein plastisches Bild von der intellektuellen Gründung der Bundesrepublik. Die Wurzeln der aufgeheizten Debatten unserer Gegenwart erscheinen dadurch in einem überraschend neuen Licht.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
1. Prolog. Blick durch den Eisernen Vorhang - 9 -
Vor dem Tonbandgerät - Der Gesichtspunkt der Sicherheit -
Marxistisches Liebeswerben - Ein Bündel von Fragen
2. Der Geist stand rechts -19 -
Tanz auf dem Vulkan - Bekenntnis zum Nationalsozialismus -
Hitlers vollkommener Satz - An der Front - Der Bewunderer aus
Ostberlin - Zurück in Frankfurt - Die amerikanische Bibliothek -
In Amt und Würden - Neuanfang in Trümmerlandschaft
3. Erste Begegnungen - 43 -
Gretel als Beichtmutter - Das Ende der Quarantäne -
Im Zeichen des Misstrauens - Eine fragwürdige Empfehlung -
Stalins Angebot - Dicke Fräulein und Arschkriecher - Habermas
ist beeindruckt - Adorno mangelt es an Textkenntnis
4. Der Wirklichkeit zugewandt - 63 -
Das beschädigte Leben - Alle wollen Daten - Mit Adenauer im
selben Boot - Verdeckte Kooperation - Machtkämpfe unter
Soziologen - Die Würfel sind gefallen - Ein vernichtendes
Gutachten - Der Waffenstillstand
5. Modern, aber nicht links - 83 -
Sie flogen aufeinander - Der Wille zur Form - Geistiger
Führungsanspruch - Gescheiterte Einflüsterer - Das Publikationsverbot - Der Sperling in der Hand - Dialektisch
überlegen - Wie im Labor
6. Das Abenteuer der Avantgarde - 99 -
Das Eis bricht - Abstrakte Malerei und andere Scherze - Ausdruck
von Gottesfeme - Gehlens zweiter Frühling - Wie der Ochs vorm
Berg - Mit dem Pinsel denken - Vierzig kleine Schlitten - Monstren
und Missgeburten
7. Radio Days -115 -
Hannah Arendt fällt aus - Die Ehefrauen telefonieren - Mit dem
Käfer in die Pfalz - Wiederauferstehung im Äther - Eine Sache für
Eingeweihte - Die Kraft des Gegners nutzen - Interesse an
Geheimhaltung - Ein Minister stürzt
8. Das Ende der Geschichte -131 -
Unübersichtliche Verhältnisse - Es geht bergauf - Nivellierte
Mittelstandsgesellschaft - Die Entfremdung überwinden - Der
austauschbare Mensch - Abschied von der Philosophie - Diktat des
Sachzwangs - Nichts geht mehr
9. Die große Zeit der Soziologie -149 -
Momente der Freiheit - Man kommt sich näher - Der verweigerte
Handschlag - Ein harter Vorwurf - Wiedergänger der 20er
Jahre - Keine Experimente - Die neue Leitwissenschaft -
Wo Marx richtig lag
10. Die andere Seite -165 -
Entsetzliches Grauen - Feindbild Kommunismus - Brecht liest
Gehlen - Theater am Schiffbauerdamm - Der loyale Staatsfeind -
Ein therapeutischer Standpunkt - Scharfwie eine Rasierklinge -
Glaubensfragen 11. Der Sinn der Institutionen -181 -
Der schielende Löwe - Zwei Soziologen auf dem Bildschirm -
Schrittmacher der Guillotine - Das Ende der Familie -
Das Schuldkonto der Institution -Aufallen Vieren - Habermas spielt
Verstecken - Die Möglichkeit der Freiheit
12. Der Streit um die Anarchie -199 -
Die richtige Frage - Feingefühl für Spontaneität - Tumult und
Coca-Cola - Eine gefährliche Vision - Das interessante Buch -
Mit ojfenen Augen - Zahnlose Tiger - Räuber am Wegesrand
13. Die Erfindung der Hypermoral - 217 -
Fisch im Wasser - Grausliche Erfahrungen - Die Frage nach dem
guten Leben - Unerwünschte Annäherung - Vom Monster zur
Milchkuh - Das Reich des Teufels - Wie eine Freundschaft endet -
Aus dem Tritt geraten
14. Die zweite Gründung der der Bundesrepublik - 235 -
Nicht Ereignis, sondern Prozess - Der Cousin - Ein Informant des
Geheimdienstes - Rechte Gründerväter - Pragmatische Bündnisse -
Deutsche Traditionen - Begegnung in der Bahn - Die Erfolge der
Sowjetunion
15. Epilog. Die Geister, die sie riefen - 255 -
Bürgerliche Freiheit - Mit ein bisschen Ironie - Geburt der
»Anti-Soziologie« - Renaissance der Moralkritik - Von links
gesehen - Marxistische Ökologie - Aufklärer wider Willen - Sturz
einer Lichtgestalt
Danksagung - 273 -
Anmerkungen - 275 -
Personenregister - 323 -
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