Wochenschau Geschichte - aus erster Hand

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Notgedrungen untätig

 

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Wochenschau Geschichte - aus erster Hand 1/1999 - Notgedrungen untätig

Wochenschau Geschichte - aus erster Hand 1/1999

Notgedrungen untätig

Arbeitslosigkeit in der Geschichte



 
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ISSN 1435-9820

1999
50 Seiten, geheftet, 20 x 27 cm
 
8.20 Euro
 

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Notgedrungen untätig
Arbeitslosigkeit in der Geschichte


Arbeit und Muße
A rbeitslosigkeit gab es schon in /Aantiken Stadtstaaten wie Athen und Rom und in den Feudalgesellschaften des Mittelalters im Übergang zur kapitalistischen Neuzeit. Die Begriffe „Arbeit" und „Arbeitslosigkeit" hatten nicht in allen Epochen die gleiche Bedeutung: Die „Arbeitslosen" waren nicht zu allen Zeiten auch die Armen einer Gesellschaft; die Ursachen und Erscheinungsformen von Arbeitslosigkeit waren vielfältig und vieldeutig.
So hatten die Athener für Tätigkeiten, die wir heute sämtlich als Arbeit verstehen, drei Begriffe - etwa berufsmäßige Politik, berufsmäßiges Philosophieren oder Klempnerarbeit -, und als „Arbeit" galt ihnen nur die Hervorbringung von Gütern. Diese war aber vorwiegend Aufgabe von Sklaven, Ackerknechten in Lohndiensten und einer Zwischenschicht von Handwerkern, die von der eigenen Arbeit leben mußten. Arbeit galt als Zwang, der unvereinbar war mit Freiheit und der sozialen wie politischen Stellung eines Freien. Durch Verkauf der Arbeitskraft gegen Lohn, der als Annäherung an Prostitution galt, wurde zudem der Zwang mit Ehrlosigkeit verknüpft. Der anzustrebende Idealzustand war für die freien Athener folglich nicht „Arbeit für alle", sondern „Muße" zur Ausübung von Tätigkeiten, die nicht als „Arbeit" galten (Staatsdienste, Künste usw.). „Beschäftigungspolitik" hatte deshalb wohl vor allem den Zweck, staatsgefährdende Unruhen zu vermeiden sowie Macht und Wohlstand der „Müßigen" zu fördern.
„Müßiggang ist aller Laster Anfang"
Ein ganz anderer Begriff von „Arbeit" bildete sich im christlich
geprägten Mittelalter und insbesondere nach der Reformation unter dem Einfluß Martin Luthers und des Schweizer Reformators Johannes Calvin aus. „Arbeit" wurde nun umgedeutet zu einer gottgefälligen Tätigkeit, der sich kein Christenmensch entziehen dürfe. Nicht Arbeit galt nunmehr als schändlich, sondern „Müßiggang" („Müßiggang ist aller Laster Anfang"). Wer nicht arbeitete, sollte auch nicht essen -es sei denn, jemand war wegen Krankheit, Alter oder Invalidität nicht arbeitsfähig. Zwar gab es noch nicht den Begriff „Arbeitslosigkeit", wohl aber die Unterscheidung zwischen unverschuldeter und selbstverschuldeter Armut. Für die „echten" Armen gab es mildtätige Unterstützungseinrichtungen der Kirche und das Recht - sogar eine Lizenz - zum Betteln; die „unechten" Armen hingegen - die Arbeitslosen also - wurden als „Landstreicher", „Vagabunden" oder „Diebe" und „Taugenichtse" gesellschaftlich geächtet, vertrieben, in Arbeits- und Zuchthäuser gesperrt, zu Zehntausenden vom Henker getötet oder durch Kriege dezimiert.
Arbeitslosigkeit = Erwerbslosigkeit
Erst mit der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise, der Arbeit für Lohn und der Entstehung einer Klasse von „Lohnarbeitern" erhielten die Begriffe „Arbeit" und „Arbeitslosigkeit" ihre heutige Bedeutung im Sinne von Erwerbsarbeit gegen Entgelt bzw. Ausschluß davon. Die Gruppe der Arbeitslosen - die in regelmäßig wiederkehrenden Wirtschaftskrisen stetig anstieg - wurde begrifflich von den „Armen" getrennt und schließlich auch sozialpolitisch besser behandelt. Im Zuge der Demokratisierung von Staat und Gesell-
schaft sowie der Erstarkung einer politisch eigenständigen Arbeiterbewegung rückte die Arbeitslosigkeit allmählich ins Zentrum mehr oder weniger radikaler Reformpolitik, und das „Recht auf Arbeit" erhielt sogar Verfassungsrang.
In der Bundesrepublik wurde diese Reformpolitik fortgesetzt und mit vielfältigen Instrumenten für eine gezielte Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik ausgestattet. Deren Möglichkeiten haben sich aber seit den 80er Jahren offenbar erschöpft. Seither prägen abermals Massenarbeitslosigkeit und tiefgreifende wirtschaftliche Strukturveränderungen die Lebensverhältnisse.
Fragen an die Zukunft
Kann am Ziel der Vollbeschäftigung überhaupt noch festgehalten werden, wenn um uns herum die technischen, ökonomischen und ökologischen Voraussetzungen dafür wegbrechen? Ist das Ziel der Vollbeschäftigung vielleicht doch noch erreichbar, wenn nur die verfügbaren Politikinstrumente konsequenter als in den vergangenen Jahren eingesetzt werden? Oder muß der Staat sich im Gegenteil aus der Wirtschaft möglichst völlig zurückziehen und die Beschäftigungsregulierung gänzlich dem Markt überlassen? Ist es womöglich so, daß ein gewisser Grad von Arbeitslosigkeit der Preis für die Dynamik unseres Gesellschaftsmodells ist, zu dem es offenbar keine Alternative mehr gibt? Oder sollte besser ein Umdenken von Grund auf erfolgen mit dem Ziel, Status und Einkommen nicht länger nur an die Erwerbsarbeit zu binden, sondern an einen Arbeitsbegriff, der auch die gesellschaftlich notwendige Arbeit (z.B. Hausarbeit, ehrenamtliche Tätigkeiten) einschließt?

Karl A. Otto

Inhaltsverzeichnis

Einführung:

Karl A. Otto: Notgedrungen untätig ....................3

Krise der Arbeit....................................4

Antike ...........................................6

Mittelalter und Frühe Neuzeit .........................9

Kapitalismus .....................................13

Weimarer Republik und Weltwirtschaftskrise............23

Nationalsozialismus ...............................33

Bundesrepublik...................................38

Zukunft der Arbeit.................................45

Literatur/Impressum ...............................50