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Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus
Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus




Jan de Leeuw

Gerstenberg Verlag
EAN: 9783836953030 (ISBN: 3-8369-5303-X)
128 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, Januar, 2010

EUR 12,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Was tut man, wenn man eines Morgens seine Mutter tot im Schlafzimmer findet, der Vater nicht greifbar ist und die geliebte kleine Schwester sich schon unbändig auf ihren Geburtstag freut? Jonas steht vor dem Scherbenhaufen, der mal seine Familie war, und versucht zu retten, was noch zu retten ist. Wären da nur nicht diese überaus neugierige Nachbarin und Heleen - sie will partout wissen, was es mit der Liebe auf sich hat.

Last but not least spielen auch Familienkater Schrödinger und Kummerkastentante Dr. Linda, die auf (fast) alles eine Antwort hat, eine nicht unbedeutende Rolle...
Rezension
Der Jugendliche Jonas möchte Relativitätstheorie und Quantentheorie verbinden, doch leider muss das warten, denn das Leben bietet ihm eine Fülle von Problemen: Sein Vater hatte einen Zusammenbruch und befindet sich in einer psychiatrischen Klinik und seine Mutter, die als Kummerkastentante Dr. Linda versucht, die finanzielle Situation der Familie zu retten, trinkt und geht fremd. Eines Morgens findet er sie im Schlafzimmer - mit einer Weinflasche, einem leeren Tablettenröhrchen und einem Brief: tot.
Was nun? Zunächst einmal versucht Jonas, die Situation zu verheimlichen: Die Leiche kommt ins Kühlhaus, an Stelle seiner Mutter beantwortet er die Leserbriefe, und der kleinen Schwester Sarah sagt er, die Mutter sei verreist. Er versorgt sie liebevoll und organisiert für sie eine große Feier zu ihrem neunten Geburtstag.
Es wird aber immer schwieriger, die Lage zu verbergen: Da ist der Vater, der wieder nach Hause will; die neugierige Nachbarin, die regelmäßig mit ihrem Hund um das Haus spaziert und nach der Mutter fragt; und immer wieder Heleen, die bei Dr. Linda Rat für ihr Problem gesucht hat und bei einem Überraschungsbesuch die Leiche entdeckt.
Einfaches Abwarten hilft nun nicht mehr. Jonas, der kühl beobachtende Wissenschaftler, findet die Zusammenhänge zwischen dem Zusammenbruch des Vaters, dem Verhalten der Mutter und dem Tod der anderen kleinen Schwester heraus; doch das Wissen allein hilft nicht weiter. So wird er schließlich vom Beobachter zum Handelnden: Er sorgt für ein endgültiges Verschwinden der Leiche, und mehr noch: Er findet eine Erklärung für die Zusammenhänge, die seine Umwelt akzeptieren kann. Darüber, ob diese Erklärung stimmt oder nicht, könnte vielleicht der Brief Aufschluss geben - aber dazu müsste man ihn öffnen wie die Stahlkammer von Schrödingers Katze... Jonas entscheidet sich, den Brief, der so gefährlich ist wie Pandoras Büchse, lieber nicht zu öffnen. Wie bei Schrödingers Experiment bleibt hier die Ungewissheit bestehen.

Zum Inhalt des Buches soll hier nicht mehr verraten werden. Der Titel verbindet unterschiedlichste Dinge, die nur scheinbar nicht zusammenpassen. Das wird in der Geschichte fortgeführt: In einem rasanten Ablauf schlittert die Lage von einer skurrilen Situation in die nächste. Ein Metzger, der zum Vegetarier wird, eine tiefgefrorene Leiche auf Inline-Skatern, eine Frau, die die Polizei zur Klärung eines Verdachts holt und vor deren Augen überfahren wird - temporeich folgen Szenen aufeinander, deren Skurrilität kaum zu überbieten ist. Zwischendurch gibt es dann Einschübe, gekennzeichnet durch eine andere Schrifttype, in denen Jonas aus der Handlung heraustritt und den Leser direkt anspricht. Dieser Perspektivenwechsel schafft Momente der Ruhe.

Das Hauptthema des Buches sind Gefühle. Jonas, der den Zusammenbruch seiner Familie erlebt, wirkt nach außen ziemlich ungerührt. Große Gefühle sind nicht seine Sache, nur ein einfühlsamer Beobachter kann an den Nuancen seines Verhaltens seine Emotionen erkennen. Auch Heleen zeigt wenig Gefühle, und das macht ihr zu schaffen: Sie sehnt sich danach, sich zu verlieben, selbst wenn es eine unglückliche Liebe wird. Nicht nur die jugendliche Liebe, sondern überhaupt das Mitfühlen, die Anteilnahme am Anderen und damit die Teilnahme am Leben möchte sie erfahren. Als die beiden Jugendlichen sich kennenlernen, entdecken sie die Ähnlichkeit ihrer Charakterzüge. Jonas handelt, um seine kleine Schwester zu schützen; Heleen bewundert das, fühlt sich zu ihm hingezogen und will ihn unterstützen. So kommen die beiden sich näher, bis Heleen diese Nähe als bedrohlich empfindet. Nach einer Trennung treffen die beiden sich in der Schlussszene wieder und nähern sich einander wieder vorsichtig an. Das Ende dieser Beziehung bleibt offen.
Mit diesem Thema der Gefühle, der Nähe und Distanz spricht der Autor Jan de Leeuw, ein Psychologe, ein menschliches Grundthema an. Gerade in der Pubertät gehört es zu den Lebensaufgaben der Jugendlichen, sich hiermit auseinanderzusetzen. Das von der Handlung her an eine Slapstick-Komödie erinnernde Buch wird so zu einem Entwicklungsroman.

Auf der Nominierungsliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2011, Sparte Jugendbuch.

M. Houf, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Über das Buch

Was tut man, wenn man seine Mutter tot im Schlafzimmer vorfindet, der Vater sich in der Psychiatrie befindet und die geliebte kleine Schwester sich schon unbändig auf ihren nahenden Geburtstag freut? Jonas bringt seine Mutter erstmal ins Kühlhaus. Damit die Sache nicht auffliegt, beantwortet er als Kummerkastentante Dr. Linda die Leserbriefe, die seine Mutter weiterhin empfängt. Die Situation entwickelt eine nicht vorherzusehende Eigendynamik, in der Familienkater Schrödinger, eine neugierige Nachbarin und ein verzweifeltes Mädchen, das endlich wissen will, was Liebe ist, eine nicht unbedeutende Rolle spielen …

Eine tragikomische Geschichte voller Slapstickmomente, die von der Sehnsucht erzählt, inmitten einer von Oberflächlichkeit geprägten Welt sich selbst und so etwas wie Liebe oder vielleicht Geborgenheit zu finden.

Mit entwaffnender Offenheit geschrieben und äußerst raffiniert komponiert – ein echter Jan de Leeuw!


Autoren / Künstler

Jan de Leeuw, geb. 1968 in Aalst, ist Psychologe. Schreiben wollte er schon immer. Seine Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet und erhielten eine hervorragende Presse.


Medienstimmen
»Der Leser erlebt das Gefühlschaos mal mittendrin, mal aus der Distanz: Trauer, Fürsorge, Verliebtsein, Ratlosigkeit - das ganze Panorama. Die in diesem tragikkomischen Roman erzählte Pubertätsgeschichte beeindruckt durch ihren leichten Ton. Jurybegründung Deutscher Jugendliteraturpreis 2011, Nominierung«
Deutscher Jugendliteraturpreis 2011

»Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2011.«
Arbeitskreis für Jugendliteratur

»Dem Psychologen ist ein Buch gelungen, das lange nachvibriert.«
Focus Schule

»Das Groteske und Makabre werden hier stets mit dem Emotionalen und Sinnlichen konfrontiert ... Eine Jugend plötzlich ohne Netz und doppelten Boden, absolute Freiheit und Unabhängigkeit, gewaltig ist die Impulsivität, die Lebenslust der beiden Teenager, aber ganz cool und pragmatisch, wie sie ihre Probleme angehen - John Irving für Kids gewissermaßen, "the world according to Jonas".«
Süddeutsche Zeitung