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Gesamtkunstwerk Expressionismus Kunst, Film, Literatur, Theater, Tanz und Architektur 1905 bis 1925
Gesamtkunstwerk Expressionismus
Kunst, Film, Literatur, Theater, Tanz und Architektur 1905 bis 1925




Ralf Beil, Claudia Dillmann (Hrsg.)

Hatje Cantz Verlag
EAN: 9783775727129 (ISBN: 3-7757-2712-4)
512 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 26 x 31cm, 2010, 467 Abb.

EUR 58,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Die Ausstellung „Gesamtkunstwerk Expressionismus“ bildet eine der bisher erfolgreichsten Präsentationen im historischen Ausstellungsgebäude der Mathildenhöhe in Darmstadt. Der begleitende Katalog aus dem Hatje Cantz Verlag, herausgegeben von Ralf Beil und Claudia Dillmann, dokumentiert die richtungsweisende Schau entsprechend ihres Konzepts, die expressionistische Kunstbewegung von 1905 bis 1925 als Gesamtkunstwerk zu erschließen. Der opulente Band beinhaltet achtzehn interdisziplinäre Forschungsbeiträge von Kunsthistorikern, Musik-, Literatur, Theater- und Filmwissenschaftlern, die die wechselseitige Durchdringung der einzelnen Künste zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhellen.
Der Begriff Expressionismus bezeichnet weniger eine Kunstrichtung als das Lebensgefühl einer jungen Generation. Den Namen prägte Herwarth Walden 1911, die Anfänge gehen auf van Gogh und Edward Munch zurück. Die jungen Künstler suchten nach einer Intensivierung des Ausdrucks, um die in Konventionen erstarrte Gesellschaft des 19. Jahrhunderts zu erschüttern. Ihre Bewegung richtete sich gegen den fortschrittsgläubigen, materialistischen und politisch reaktionären Geist der Gründerzeit. Neue künstlerische Formen entstanden und schockierten die bürgerliche Gesellschaft. Soziales Engagement und subjektive Gefühle sollten gleichermaßen artikuliert werden, die Künstler wollten nicht abbilden, sondern veranschaulichen, was „hinter“ den Dingen liegt. Vom etablierten Kunstbetrieb wurden sie anfänglich diffamiert und während der Nazizeit geächtet. Die einstigen Rebellen gelten heute als Klassiker und Wegbereiter der Moderne in Deutschland. Der Gedanke eines Gesamtkunstwerks vereinte die Künstler aller Gattungen, durch intensive Verflechtung ihrer Arbeit wollten sie eine besonders nachhaltige Wirkung erzielen.
Als Dokumentation einer epochalen Ausstellung versammelt der beeindruckend umfangreiche Katalog erstmals die verschiedenen Strömungen in einer Gesamtdarstellung. Der Leser kann unmittelbar nachvollziehen, welche Ausdrucksformen in den verschiedenen Medien am Beginn der Moderne Gestalt annehmen, vom Holzschnitt bis zum Ausdruckstanz, von der revolutionären Literatur bis zum Mode- und Interieur-Design, vom experimentellen Theater bis zur Architektur sowie der neu entstehenden Filmkunst. Ziel der ambitionierten Publikation ist es eine neue Perspektive zu eröffnen und zur Diskussion anzuregen. So formuliert der Kurator Ralf Beil: „Es geht um nicht weniger als eine Neuentdeckung des Expressionismus jenseits der sattsam ausgetretenen Pfade.“ (S.14) Die interdisziplinäre Übersicht entwirft ein kulturhistorisches Panorama jener Zeit und gewährt zugleich eine eingehende Innenansicht der jungen Kunstbewegung. Vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund des beginnenden 20. Jahrhunderts werden Gemälde, Fotos, Plakate, Texte, Architekturskizzen, Zeichnungen, Skulpturen und Zeitdokumente präsentiert. Während bisher nur einzelne Künstler wahrgenommen oder einzelne Aspekte des expressionistischen Schaffens analysiert wurden, werden hier alle Gattungen in ihren besonderen Rollen und ihrer historischen Bedeutung thematisiert. Die Mehrfachbegabungen von Künstlern wie Ernst Barlach, Wassiliy Kandinsky, Oskar Kokoschka, Alfred Kubin, Ludwig Meidner, Egon Schiele, Arnold Schönberg und Herwarth Walden traten damals in außergewöhnlicher Anzahl auf und bildeten gemeinsam mit den Künstlervereinigungen wie „Die Brücke“ oder „Der Blaue Reiter“ die Basis für Gesamtkunstwerke individueller und kollektiver Art. Der Film, der in dieser Zeit erstmals als Kunstwerk begriffen wird, erfüllt exemplarisch die Vision vom Gesamtkunstwerk als der Vereinigung aller Künste.
Die opulente Monographie „Gesamtkunstwerk Expressionismus“ veranschaulicht eindrucksvoll, dass der Expressionismus nur in der Gesamtheit seiner Äußerungen in Kunst, Architektur, Musik, Literatur und vor allem dem Film verstanden werden kann.

Andrea Hannemann, lbib.de




Verlagsinfo
Der erste Überblick zum Gesamtkunstwerk im Expressionismus
Zahlreiche überraschende Querbezüge zwischen Kunst, Film, Literatur, Theater, Tanz und Architektur
Das faszinierende Panorama einer bewegten Epoche und bahnbrechenden Kunstbewegung
Bislang wurden die künstlerischen Gattungen des Expressionismus vorzugsweise separat behandelt: Gesamtkunstwerk Expressionismus hingegen widmet sich zum ersten Mal dezidiert den markanten Wechselwirkungen und Parallelentwicklungen von Kunst, Film, Literatur, Theater, Tanz und Architektur in den Jahren 1905 bis 1925.

Ausstellung wie Publikation vereinen rund um die Meisterwerke des filmischen Expressionismus wie »Das Cabinet des Dr. Caligari« oder »Genuine« Architekturmodelle und Bühnenbildentwürfe, Szenenfotos, Plakatkunst, Tanzmasken, Gemälde, Zeichnungen, Grafik und Skulpturen zu einem einzigartigen Panorama der expressionistischen Epoche. Ob Kriegskatastrophe, Revolution, Großstadtmoderne oder Neuerfindung der Welt im Gesamtkunstwerk Leben: Renommierte Autoren, Schlüsselwerke sowie Quellentexte aus allen Disziplinen machen erstmals umfassend die wechselseitige Durchdringung der Künste und die ebenso drastischen wie faszinierenden Früchte der expressionistischen Netzwerke erfahrbar. (Englische Ausgabe ISBN 978-3-7757-2713-6)

Ausstellung: Mathildenhöhe Darmstadt 24.10.2010–13.2.2011

Begleitend zur Ausstellung erscheint auch ein Band in der Reihe Kunst zum Hören (deutsche Ausgabe ISBN 978-3-7757-2726-6; englische Ausgabe ISBN 978-3-7757-2727-3).
Inhaltsverzeichnis
11 Alfred Lichtenstein Sonntagnachmittag, 1912
12 Ralf Beil Gesamtkunstwerk Expressionismus Vorwort und Dank
23 Karl Schmidt-Rottluff Idealprojekt, 1919
24 Wenzel Hablik »Sehr erfreut über Ihre Filmidee ...«, 1920
26 Ralf Beil »Ein anderes >Kunstwerk< gibt es für mich nicht«
Utopie und Praxis des Gesamtkunstwerks im Expressionismus
46 Jakob van Hoddis Kinematograph, 1910
47 Hugo Ball „... ich bin voller Inbrunst und Jubel …“ 1914
48 Herwarth Walden Cafe Größenwahn, 1911
50 Thomas Anz Die Seele zum Vibrieren bringen!
Konzepte des Gesamtkunstwerks in der Zeit des Expressionismus
68 Leonie Beiersdorf »... dass Leben und Arbeit eines sind«
Gelebte Utopie bei Ernst Ludwig Kirchner
und Rosa Schapire
80 Ernst Ludwig Kirchner Programm der Brücke, 1906
102 Astrid Becker »Wenn die äußeren Stützen zu fallen drohen«
Erster Aufbruch und Schulterschluss im Expressionismus vor 1914
116 Georg Heym Der Krieg, 1911
118 Jakob van Hoddis Weltende, 1911
119 Wilhelm Simon Guttmann Traum, 1911
142 Justin Hoffmann Vom Sturm zur Revolution
Politik und Kunst nach dem I. Weltkrieg
154 Carlo Mierendorff »Die Zeit fordert heraus! ...«, 1918
160 Rudolf Leonhard Der tote Liebknecht, 1919
166 Arbeitsrat für Kunst Flugblatt Arbeitsrat für Kunst, 1919
172 Gerald Köhler Zum Raum wird hier der Schmerz
Das expressionistische Theater als Gesamtkunstwerk
194 Ernst Toller Die Wandlung. Im Lazarett, 1919
202 Steffen Krämer »Steigerung des Nervenlebens«
Die Großstadt — Fanal und Menetekel der Moderne
214 George Grosz Kaffeehaus, 1918
216 Ludwig Meidner Anleitung zum Malen von Großstadtbildern, 1914
221 Ernst Wilhelm Lotz Die Nächte explodieren in den Städten, 1910 -1914
234 Petra Gehring Rausch ist Wirklichkeit, Kokain, Lust und Tod in Freuds Psychoanalyse
249 Anita Berber und Sebastian Droste Kokain, 1922
250 Walter Rheiner Komm, holder Schnee!, 1925
253 Gottfried Benn Cocain, 1917
262 Paul Kornfeld Kokoschka, 1917
266 Camilla Bork Der große Dreiklang von Stimme, Raum und Licht
Das expressionistische Gesamtkunstwerk »Oper«
276 Claudia Dillmann Sie hatten das Kino ...
Die Netzwerke im expressionistischen Film der frühen Weimarer Republik
288 Ivan Goll Das Kinodram, 1920
304 Uli Jung »Du musst Caligari werden!« Das Cabinet des Dr. Caligari
und sein kommerzieller wie künstlerischer Erfolg
314 Joachim Fontaine Caligari meets Schönberg
Das Gesamtkunstwerk von Musik, Kunst und Film im Expressionismus
328 Peter Panter alias Kurt Tucholsky Dr. Caligari, 1920
333 E. K. »... ob Kunst im Film möglich ist, wurde gestern endgültig entschieden«, 1920
334 Bernard Rogers Strawinsky im Lichtspielhaus, 1921
336 Werner Durth Die Neuerfindung der Welt als gute Wohnung im All
Bruno Taut und die Gläserne Kette
367 Erich Mendelsohn Das hebt sich aus der Tiefe des Meeres, 1911
373 Bruno Taut alias »Glas« »Freunde! Prometh! Zacken! ...e, 1920
374 Wolfgang Pehnt Den Brüdern des Sternes Erde, Expressionismus — ein deutsches Ereignis?!
400 Walter Gropius Programm des Bauhauses, 1919
402 Gerda Breuer »Kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens«
Expressionistisches Handwerk und Gesamtkunstwerk am Bauhaus
426 Rüdiger Schütt Auf der hochtürmenden Woge des Expressionismus
Die Hamburger Künstlerfeste 1914—1924
440 Erich Lüth Die Tanzschau der Cubicuria. Das Künstlerfest im Curiohaus, 1924
441 Karl Lorenz Lavinia Schulz und Walter Holdt, 1922
456 Kurt Tucholsky Dämmerung, 1920
462 Susanne Neubronner Kleines Lexikon des Expressionismus
Protagonisten, Institutionen, Bühnen- und Filmkunstwerke

Anhang
473 Verzeichnis der ausgestellten Werke
487 Ausgewählte Literatur
497 Die Autoren
500 Namen- und Sachregister
507 Leihgeber und Dank
509 Bild- und Textnachweis
511 Impressum