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Experiment Weimar Eine Kulturgeschichte Deutschlands 1918-1933
Experiment Weimar
Eine Kulturgeschichte Deutschlands 1918-1933




Sabina Becker

Wissenschaftliche Buchgesellschaft
EAN: 9783534270514 (ISBN: 3-534-27051-7)
608 Seiten, hardcover, 17 x 25cm, September, 2018, Mitglieder 55,96€

EUR 69,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Weimar – ein Tanz auf dem Vulkan?

Die Weimarer Kultur war eine des Experiments, Grenzen überschreitend und neue Maßstäbe setzend. Sabina Becker beschreibt in ihrer großen Kulturgeschichte die Weimarer Republik weniger als eine Gesellschaft der Krise mit zwangsläufigem Scheitern, verengt den Blick nicht auf Weimar als Inkubationsphase des Nationalsozialismus. Sie lässt sich staatdessen von der Idee leiten, dass die 20er Jahre zwar nicht golden waren, aber kulturell und vielfach auch gesellschaftlich hoch modern und stilbildend bis in die Gegenwart wirkten.



Über 100 Abbildungen spiegeln den Zeitgeist wieder.
Rezension
Bubikopf, Schreibmaschine, Frankfurter Küche, Metallmöbel, Tischlampe, Psychotechnik, Radio, Boxen, Rennauto, Bauhaus, Neue Sachlichkeit, Dadaismus, Oskar Schlemmers Triadisches Ballett, Büchergilde Gutenberg, Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“, Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“, Fritz Langs „Metropolis“, Varieté, Einkaufshaus sind Begriffe, die man mit der Weimarer Republik verbindet. Sie dienen zur Beschreibung der Kultur Deutschlands von der Novemberrevolution 1918 bis zur Machtübertragung an Hitler Ende Januar 1933. Die genannten kulturellen Erzeugnisse stehen für die Moderne. Oftmals wird zur Charakterisierung der „Goldenen 20er“ in Deutschland, die sich zurzeit durch die Serie „Berlin Babylon“ großer medialer Aufmerksamkeit erfreuen, die Metapher vom „Tanz auf dem Vulkan“ bemüht; so lautete auch der Titel der sehenswerten Sonderausstellung des Landesmuseums für Technik und Arbeit in Mannheim 1994/1995.
Dass diese Deutung den kulturellen Leistungen der Weimarer Republik nicht gerecht wird, verdeutlicht Sabina Becker in ihrem monumentalen Buch „Experiment Weimar. Kulturgeschichte Deutschlands 1918-1933“, erschienen bei wbg Academic, einem Imprint der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft. Die Professorin für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Herausgeberin des „Jahrbuchs zur Kultur und Literatur der Weimarer Republik“ entwirft auf gut 600 Seiten ein anschauliches, fachwissenschaftlich äußerst fundiertes und zugleich gut lesbares Panorama der deutschen Kulturgeschichte der 20er Jahre, das im deutschsprachen Raum bisher fehlte. In der Titelwahl ihres Buches kommt zum Ausdruck, welche Kategorie die Wissenschaftlerin anhand historischer Analysen zur Deutung der Weimarer Republik gewonnen hat. Becker begreift diese Zeit als „Experimentierfeld der Moderne“ (S. 17), als „brodelndes Laboratorium und virulentes Experimentierfeld“ (S. 524) und nicht als eine von permanentem Krisenbewusstsein geprägte. Damit würdigt sie zugleich den Eigenwert des kulturellen Laboratoriums und widerlegt teleologische Interpretationsansätze der Weimarer Republik als Vorgeschichte des Nationalsozialismus bzw. „Krisenjahre der Moderne“(Peukert). Beckers systematische Darstellung zeichnet sich durch ihre interdisziplinäre Beleuchtung der Weimarer Kultur aus; besonders erwähnenswert ist ihre Berücksichtigung der „intermedialen Diskurse“ (Kapitel VIII). Nur die Kulturphilosophie, die in den 20er Jahren beispielsweise mit Ernst Cassirers „Philosophie der symbolischen Formen“ einen zentralen Diskursbeitrag zur Reflexion über Kultur geleistet hat, wird von Becker nicht angemessen gewürdigt.
Fazit: Beckers voluminöses Werk „Experiment Weimar“, das zu Recht zum Standardwerk der Geschichte der Weimarer Republik avancieren wird, kann allen Lehrkräften der Fächer Geschichte, Deutsch und Kunst, die sich in ihrem Unterricht fundiert mit Kulturgeschichte auseinander setzen, zur Lektüre empfohlen werden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Verlagsinfo
Sabina Becker legt mit diesem Band eine große Kulturgeschichte der Weimarer Republik vor: als eigenständige Epoche mitsamt ihrer medientechnisch innovativen und soziologisch breit wirkenden kulturellen Moderne in Literatur, Theater, Architektur, Bildender Kunst, Musik und Tanz. Sie nimmt diese Zeit bewusst auf ihre mannigfaltigen, zum Teil explosionsartigen Entwicklungsprozesse und Lebensäußerungen hin in den Blick – ohne sie als krisenhafte ›Zwischenkriegszeit‹, ›Inkubationsphase des Nationalsozialismus‹ oder Krisenjahre der ›Klassischen Moderne‹ abzuwerten. Denn die Weimarer Kultur wird weniger von ihrem Ende her, also nicht vom Jahr der Machtübertragung aus erklärt, sondern vom Ersten Weltkrieg her verstanden. So kann Sabina Becker das künstlerisch Innovative und kulturell Bleibende dieses Jahrzehnts vergegenwärtigen und eindrucksvoll zeigen, warum die Epoche von Weimar für die deutsche Kulturgeschichte so wichtig ist und vielfach die Basis unseres heutigen Kunstverständnisses bildet.

2018. 608 S. mit 105 Abb., Bibliogr., 16,5 x 24 cm, geb. mit SU. wbg Academic, Darmstadt.
Inhaltsverzeichnis
I. Die Weimarer Republik, Kultur und Literatur im Umbruch 9
II. Kulturkritische Kontroversen 53
III. Kultursoziologische Konstellationen 77
IV. Ästhetische Debatten 125
V. Großstädtische Lebenswelten – urbane Kultur 185
VI. Massenkultur – Kultur für die Masse 253
VII. Funktionale Ästhetik und Materialkunst 315
VIII. Intermediale Diskurse 371
IX. Theaterexperimente 419
X. Weimar – ein Tanz auf welchem Vulkan? 521
Anhang 527
Dank 528
Anmerkungen 529
Literaturverzeichnis 588
Bildnachweis 598
Personenregister 600