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Colosseum Arena der Gladiatoren Aus dem Englischen übersetzt von
Ursula Blank-Sangmeister
Colosseum
Arena der Gladiatoren


Aus dem Englischen übersetzt von

Ursula Blank-Sangmeister

Peter Connolly

Reclam Stuttgart
EAN: 9783150105511 (ISBN: 3-15-010551-X)
224 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 20 x 25cm, März, 2005, 126 Abb.

EUR 24,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Geschichte des größten Amphitheaters im Römischen Reich: das Bauwerk, seine Architektur und seine Funktionen, die Organisation und Durchführung der Gladiatorenspiele, die todesmutigen Kämpfer und ihr sensationslüsternes Publikum, der Niedergang Roms und der Verfall der Arena, die dramatische Rettung und ein Triumph archäologischer Forschung. Das Colosseum -2000 Jahre Faszination der Geschichte.



Das Colosseum, 69 n. Chr. von Kaiser Vespasian erbaut und von seinem Sohn, dem Kaiser Titus, etwa 10 Jahre später eingeweiht, ist das größte Amphitheater des Römischen Reiches und eines der berühmtesten Bauwerke der Welt. Es fasste rund 50 000 Zuschauer und war fast 400 Jahre lang der größte Vergnügungstempel der Antike, in dem freilich sehr viel Tier- und Menschenblut floss.

Peter Connolly erläutert minuziös die technische Meisterleistung, die dieses in vieler Hinsicht innovative Bauwerk ermöglichte, und zeigt, wie es funktionierte. Ausführlich behandelt er das Gladiatorenwesen, die Vielfalt der Bewaffnung, die entsprechenden Kampfstile, die aufwändige Organisation und Durchführung der »Spiele«, das unberechenbare Verhalten des Massenpublikums. Die enge Verzahnung von Architektur, Technik, sportlicher Leistung und Zuschauerresonanz macht die Lektüre des splendid illustrierten Buches zu einem abenteuerlichen Vergnügen. Bewegend ist schließlich auch das Schicksal des Colosseums seit dem Niedergang Roms. Jahrhundertelang als Steinbruch (nicht zuletzt für die Kirchen Roms) missbraucht, ist es zum Paradebeispiel moderner archäologischer Forschung und zu einer der touristischen Hauptattraktionen der Ewigen Stadt und des Erdkreises avanciert.



Peter Connolly ist Honorary Research Fellow am Institute of Archeology in London und bekannt als Autor einer Reihe von Büchern, darunter Greece and Rome at War, The Andent Greece of Odysseus, The Roman World, The Holy Land, The Andent City: Life in Classical Athens and Rome.
Rezension
Das Colosseum gehört zu den zentralen Wahrzeichen Roms und prägt das Stadtbild seit 2000 Jahren. Zugleich ist es das größte Amphitheater des Römischen Reiches und prägend für eine Vielzahl ähnlicher Gebäude. Mit einem Fassungsvermögen von 50000 Zuschauern könnte es auch heute noch als Sportarena den Wettkampf mit den Konkurrenten aufnehmen. – Dieses reich bebilderte und illustrierte Buch bietet einen umfassenden Überblick über Entstehung, Funktion und Geschichte des Colosseums, - von der Grundlegung durch Vespasian bis hin zum Verfall und den Ausgrabungen. Im Hauptteil wird das Leben (und Sterben) im Colossium detailliert geschildert,- von den Gladiatoren bis hin zu den Wasserschlachten, die auch abgehalten werden konnten. – Ein interessanter und überaus seriös gestalteter Band, der exemplarisch römische Baugeschichte und römische Kulturgeschichte aufzeigt.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Das Colosseum, 69 n. Chr. erbaut, zählt zu den berühmtesten Bauwerken der Welt: Das größte Amphitheater des Römischen Reichs bot rund 50.000 Zuschauern Platz und war fast 400 Jahre lang der größte Vergnügungstempel der Antike. Peter Connolly, Fellow am Institute of Archeology in London, erläutert die technischen Meisterleistungen, die dieses in vieler Hinsicht innovative Bauwerk ermöglichten. Ausführlich behandelt er das Gladiatorenwesen, Kampfstile und Bewaffnung, die aufwändige Organisation und Durchführung der blutigen "Spiele", das unberechenbare Verhalten der Publikumsmassen. Die enge Verbindung von Architektur, Technik, sportlicher Leistung und Zuschauerresonanz macht die Lektüre des splendid illustrierten Buches zu einem abenteuerlichen Vergnügen.

Autoreninformation

Peter Connolly ist Honorary Research Fellow am Institute of Archeology in London und bekannt als Autor einer Reihe von Büchern, darunter Greece and Rome at War, The Ancient Greece of Odysseus, The Roman World, The Holy Land, The Ancient City: Life in Classical Athens and Rome.

Leseprobe:

DIE NAUMACHIA-KONTROVERSE

Als Vespasian zum ersten Mal die Errichtung eines Allzweck-Amphitheaters im Gelände von Neros goldenem Palast ins Auge fasste, wollte er den See vermutlich in eine naumachia umgestalten. Indem er sich für diesen Standort entschied, glaubte er, das Problem der Wasserversorgung gelöst zu haben, da der See in einem natürlichen Sumpfgebiet lag, das durch den labicanischen Fluss und andere von den umliegenden Hügeln kommende kleinere Bäche gespeist wurde. Aber während der Standort für den gedachten Zweck ideal erschien, warf der weiche Untergrund, als man den Bau der Zuschauertribünen in Angriff nahm, sehr viel größere Probleme auf.
Vespasians ehrgeiziges Projekt wurde zu seinen Lebzeiten nie verwirklicht, und während Titus da weitermachte, wo sein Vater aufgehört hatte, gibt es keinen schlüssigen Beweis, dass bei der Einweihung des Bauwerks im Jahre 80 v. Chr. im Colosseum eine Naumachie aufgeführt wurde. Obwohl es unter dem Gelände einen massiven 6 m tiefen Graben gab, wäre es technisch schwierig gewesen, das 76 m lange und 44 m breite Untergeschoss für eine Seeschlacht zu fluten, anschließend trocken zu legen und für den sich anschließenden Gladiatorenauftritt mit einem Bretterboden abzudecken. Und während es eine Fülle archäologischer Beweise dafür gibt, wie die Arena zur Zeit des Titus abgedeckt war, fehlt von einem Mechanismus für ihre Flutung jede Spur. (Die unterirdischen Systeme des Colosseums sind in Anhang I genauer beschrieben.)
Die Frage, ob im Colosseum jemals Seeschlachten aufgeführt wurden, löste eine oft erbittert geführte Kontroverse aus, die die Experten jahrhundertelang entzweite. Doch für dieses Problem gibt es keine einfache Lösung. Man kann nur sagen: Ja, vielleicht, aber … Dies ist die Antwort heute, und fast sicher ist es die Antwort für immer. Auf den ersten Blick ist die Sache absurd, doch die Römer selbst scheinen daran geglaubt zu haben. Man hat viele abenteuerliche Theorien aufgestellt. Als John Henry Parker, Kustos des Ashmolean Museum in Oxford, über die 1847–75 erfolgten Ausgrabungen im Untergeschoss des Colosseums Bericht erstattete, vertrat er die Ansicht, dass auf jeder Seite des Hauptkorridors Boote zu Wasser gelassen wurden, die sich dann gegenseitig beschossen. Aber es gibt noch andere, weitaus groteskere Theorien. Alle wurden völlig zu Recht mit Verachtung gestraft.
In der Frage, ob es jemals Naumachien im Colosseum gab, reicht die Reihe der heutigen Gelehrten vom enthusiastischen Befürworter über den vorsichtigen Bejaher zum bloßen Nichtwisser und weiter bis zum skeptischen Analytiker und dem entschiedenen, knallharten Neinsager. Aber dennoch konnte eine Frage bislang noch nicht befriedigend geklärt werden: Wenn Vespasian nicht die Absicht hatte, in seinem Amphitheater Wasserschauspiele zu veranstalten, weshalb entschied er sich dann für das Gelände von Neros künstlichem See als Standort für sein Bauwerk? Er war ein notorischer Geizhals, und es erscheint fast undenkbar, dass er Geld aus dem Fenster warf, um ohne Not einen See trocken zu legen.
Nach heute allgemein verbreiteter Ansicht gab es beim Untergeschoss zwischen der Fertigstellung der Umfassungsmauer samt allen Installationen und der Ausmauerung im Inneren einen Zeitraum von mindestens ein paar Jahren; in dieser Zeit könnte das Untergeschoss als Becken genutzt worden sein. Eine 1991 veröffentlichte Untersuchung des südwestlichen Sektors des Souterrains ergab, dass ein großer Teil der Umfassungsmauer wasserdicht gebaut war.
Die groß angelegte Studie über das Untergeschoss, die der deutsche Architekt Heinz-Jürgen Beste Ende der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts durchführte, erbrachte Beweise für die Veranstaltung von Naumachien, und Beste bezeichnet die Zeit des Titus sogar als »Periode der Naumachien«. Allerdings kam er auch zu dem Schluss, dass das Amphitheater weder schnell noch leicht zu fluten war. Dieser Meinung haben sich heute viele Wissenschaftler angeschlossen.
Nur über das sehr umfangreiche Abwassersystem des Bauwerks wäre es möglich gewesen, große Wassermengen schnell in das Colosseum zu leiten. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde eine Untersuchung der nördlichen und südlichen Abwasserleitungen sowie des Untergrundes durchgeführt. Sie ergab, dass alles Neigung nach außen hatte und ohne Frage dem Wasserabfluss diente. Außerdem waren die Leitungen dem Anschein nach an keinen Wasserspender angeschlossen – ein solches System hätte die Abwässer zurückgespült. In seinem aufschlussreichen Artikel (Il Colosseo, hrsg. von A. Gabucci, Mailand 2000, Kap. 6) über die Wasserversorgung und das Abflusssystem des Colosseums räumt der italienische Ingenieur Leonardo Lombardi allerdings ein, dass es, wenn der Tiber Hochwasser führte, zu einem Rückfluss im Abwassersystem gekommen und das Untergeschoss geflutet worden wäre. Dies beweist, dass es nicht unmöglich war, hätte aber Schleusentore erfordert. Der Einsatz eines solchen Rückflusssystems hätte oberhalb des Amphitheaters gelegene große Zisternen nötig gemacht. Der Rückfluss des Abwassers stellt das größte Problem dar.
Nach gängiger Theorie ließ sich das Amphitheater mit dem Wasser fluten, das für die Latrinen und Trinkwasser-Brunnen in das Colosseum geführt wurde, indem man es durch die Regenabflussrohre in das Untergeschoss leitete. Aber das ist viel zu kompliziert. Diese Methode der Wasserzufuhr ist zwar raffiniert, doch wäre sie viel zu ineffektiv und langsam. Domitian mag sich dieses Verfahrens später tatsächlich bedient haben, aber für den von Martial beschriebenen Effekt muss es eine schnellere und einfachere Möglichkeit gegeben haben.
Titus wollte vermutlich die Reihe von Seeschlachten veranstalten, die sein Vater für das Colosseum geplant hatte, doch die Wasserversorgung stand für die Eröffnung nicht rechtzeitig zur Verfügung. Ursprünglich hatte man vermutlich unterirdische Aquädukte geplant, um das Wasser ins Amphitheater zu leiten, wo sie dann in die riesigen Abflussleitungen unter den vier Tunneln einmünden sollten. Da die Baumeister vielleicht in Zeitdruck geraten waren, könnten sie auf eine Notlösung gekommen sein und provisorische Holzrohre verlegt haben, um das Wasser von höher gelegenen Quellen herzuleiten. Diese wären an der Stelle, wo sie aus dem Untergeschoss austraten, an die Hauptabflussrohre angeschlossen gewesen, was den Rückfluss an Abwasser minimiert hätte. Das kurze Stück unter dem Bauwerk selbst hätte in der Nacht vor der Veranstaltung freigeräumt werden können. Man muss aber betonen, dass dies nicht mehr möglich war, nachdem das Abflusssystem erst einmal stand. Zwar gibt es keinen direkten Beweis, der diese Theorie stützt, aber eine Fülle von Beweisen dafür, dass das Kanalisationssystem zur Zeit der Eröffnung des Colosseums noch nicht fertig war. Die nach Süden und Westen abgehenden Leitungen wurden beide in der Zeit Domitians umgestaltet; davor war die Röhre aus Backstein mit Anschluss an die westliche Hauptachse noch nicht einmal gebaut, und es gibt Zeichen von Umbauten innerhalb der Leitung selbst, die eine Änderung der Funktion erkennen lassen. Man weiß, dass Domitian einige Zeit nach Titus’ Tod das gesamte Naumachienprojekt fallen ließ. Der von ihm vorgenommene Umbau einschließlich der Reparatur des Untergeschosses entspricht praktisch dem heutigen Zustand. (Einzelheiten zu dieser Hypothese finden sich in Anhang I.)
Während der Wasserschauspiele waren die Aufzüge in den Gewölbenischen entlang der Umfassungsmauer wohl hinter den Gittern hochgezogen, sodass kleine Boote darunter unbemerkt versteckt werden und dann plötzlich hervorschießen konnten, um das Publikum zu überraschen. In die Rückwand jeder dieser Gewölbenischen war ein knapp 50 cm breiter Schacht eingelassen. Er hatte in halber Höhe der Mauer einen Auslass. In diesen Schächten könnte sich anfangs ein Gegengewicht für den Aufzug befunden haben. Später wurden sie als Regenabfluss genutzt. Nach heutiger Theorie waren es diese Schächte, mit deren Hilfe die Arena geflutet wurde, aber sie waren zweifellos niemals für diesen Zweck geplant.

DIE ERÖFFNUNG DES COLOSSEUMS

Es gibt vor allem drei literarische Quellen, die bezeugen, dass Titus bei der Eröffnung des Colosseums im Jahre 80 n. Chr. eine naumachia aufführen ließ – die Berichte Martials, Cassius Dios und Suetons. Sie alle äußern sich über die gegebenen Wasserschauspiele, sind aber mit ihren Informationen recht sparsam. Auch bezeichnen sie nicht das Colosseum ausdrücklich als Ort des Geschehens. Martial erwähnt lediglich eine Seeschlacht und die Beteiligung von Meeresungeheuern und handelt das ganze Ereignis in gerade mal sechs Versen ab.
Zuerst erzählt er, wie sich auf wundersame Weise Land zu Meer und Meer zu Land verwandelte:

Wenn du aus fernen Landen als verspäteter Zuschauer hierher gekommen bist
und dieser Tag für dich der erste des heiligen Schauspiels war,
so lass dich nicht von den Schiffen der [Kriegsgöttin] Enyo täuschen
und von den ans Meer erinnernden Wellen: Hier war noch vor kurzem Land.
Du glaubst es nicht? Schau nur zu, bis die Wasser den Mars ermüden:
Es dauert nicht lange und du wirst sagen: ›Hier war vor kurzem noch Meer.‹
(Martial, Liber de spectaculis 24)

Als nächstes beschreibt er die tragische Geschichte Leanders, der immer wieder über den Hellespont schwamm, um seine Geliebte, die Priesterin Hero, zu besuchen, bis er eines Nachts ertrank, woraufhin sich auch Hero ins Meer stürzte. Im letzten Vers zeigen sich Nereïden in dem dunkler werdenden Wasser. Man kann sich vorstellen, wie die Sonne bei Ende der Seeschlacht langsam hinter den Zuschauertribünen versank, einen Schatten über die Arena warf, und wie dann die siegreichen Seeleute auf ihre Schiffe zurückkehrten und um die Arena ruderten, um sich feiern zu lassen. Bald darauf wird die Menge auf die unter Wasser schwimmenden nackten Mädchen aufmerksam geworden sein. Sie tauchten plötzlich neben den Schiffen auf und begleiteten, wie die Meeresnymphen der Mythen, die Seeleute zurück zu ihrem Hafen.
Wahrscheinlich sind mehrere Verse über die Wasserschauspiele verloren gegangen. Martials Vers 34 scheint indes zum Thema zurückzukehren, wenn er behauptet, dass Titus’ Seeschlacht die Schauspiele des Augustus und Claudius bei weitem übertroffen habe.
Cassius Dios Bericht ist am knappsten und erzählt von im Wasser schwimmenden Tieren:

Denn Titus ließ dasselbe Theater plötzlich fluten und Pferde und Stiere und einige andere Haustiere hereinbringen, die abgerichtet waren, sich in dem nassen Element genauso zu bewegen wie an Land. Außerdem ließ er Leute auf Schiffen einfahren, die dort eine Seeschlacht aufführten […]. (Nach Cassius Dio, Römische Geschichte 66,25)

Das ist kaum nachvollziehbar, da man von anderen Berichten weiß, dass die Römer an gigantische Schlachten gewöhnt waren, an denen Tausende von Akteuren beteiligt waren und die üblicherweise mit blutigen Gemetzeln endeten. Es hätte sie gewiss nicht beeindruckt, ein paar Tiere im Wasser herumplanschen zu sehen oder auch Jägern zuzuschauen, die sie von ihren kleinen Booten aus nächster Nähe abschossen. Wir müssen davon ausgehen, dass Titus bei einem so bedeutenden Anlass sicherlich die beste Wasserschau auf die Bühne bringen wollte, die Rom je gesehen hatte.
In seiner Lebensbeschreibung des vergöttlichten Titus erwähnt Sueton keine Wasserschauspiele im Colosseum, berichtet aber von einem Seegefecht, das während der Einweihungsfeiern in Augustus’ alter Naumachia stattfand:

Bei der Einweihung des Amphitheaters und nach der schnellen Fertigstellung der Thermen unmittelbar daneben veranstaltete er einen sehr prächtigen Gladiatorenkampf in Saus und Braus; er gab auch ein Seegefecht in der alten Naumachie […]. (Sueton, Titus 7,3; übers. H. Martinet)

Falls Martials Bericht von der Eröffnung des Colosseums wörtlich zu nehmen ist, dann wurde, gleich nachdem die Gladiatorenkämpfe in der Arena beendet waren, die naumachia aufgeführt. Realistischerweise muss der Tag danach gemeint gewesen sein, da sonst für die Aufräumarbeiten, die Entfernung des Bodens und das Fluten der Arena nicht genug Zeit gewesen wäre. Auch so hätte dies viel Arbeit bedeutet. Zu allererst musste man den Sand, der in der Arena das Blut von Mensch und Tier aufsaugen sollte, zusammenkehren und fortschaffen. Dann musste der Bretterboden abgebaut und weggeräumt werden, einschließlich der hölzernen Stützen. Man konnte mit dem Fluten der Arena erst beginnen, wenn auch die letzten dieser Holzpfähle entfernt und sorgfältig verstaut waren. Die Landschaftskulissen unter der Arena, besonders in der Mitte, wo die größeren Bühnenbilder aufgebaut wurden, musste man in die Tunnel über den Abzugskanälen der Längsachse hinaufziehen. Alsdann waren je nach Bedarf die Schleusen zu öffnen oder zu schließen, um die Schiffe in Position zu bringen. Dies war aber erst möglich, wenn man die wilden Tiere, die im Untergeschoss in Käfigen gehalten wurden, in Sicherheit gebracht hatte.
Das Untergeschoss durfte nur bis zu einer Höhe von 1, 20 m unter Wasser gesetzt werden. Andernfalls würde es zu einer Überflutung der Tunnel und Serviceräume kommen. Für eine größere Tiefe brauchte man wasserdichte Türen. Dies lag gewiss nicht außerhalb der Möglichkeiten römischer Ingenieure, und man könnte meinen, dass Zugbrücken, die als wasserdichte Türe fungierten, nötig waren, um die Kulissen vor der Flutung aus dem Untergeschoss in die Tunnel zu befördern. Je höher das Wasser stand, desto besser konnten die Zuschauer das Geschehen in der Arena beobachten. Aber eine eingeschränkte Sicht ließ sich ebenfalls effektvoll nutzen. Beispielsweise hätten die Zuschauer von ihrer erhöhten Position, von wo aus nur ein Teil des Untergeschosses einsehbar war, womöglich nicht die kleinen Ruderboote gesehen, die unterhalb der Aufzüge untergebracht waren, um im geeigneten Augenblick zu Wasser gelassen zu werden.
Die Menge schaute dann voller Spannung auf die Armada von kleinen Ruderbooten, die auf wundersame Weise von allen Seiten auftauchten. Die gesamte Aufführung wurde von Musik begleitet, wobei Hornsignale jedes neue Element der Show ankündigten. Als auf der Insel in der Mitte der Arena die Festung in Position gebracht wurde, ertönten wieder die Signale. Zweifellos sollten die vier leichten Galeeren, die in den unterirdischen Korridoren an jedem Ende der Längsachse untergebracht waren, den Höhepunkt des Schauspiels bilden. Die Ruderer und Seeleute, die durch die Tunnel der Längsachse das Untergeschoss betraten, konnten wie von einem Kai direkt an Bord gehen, da die Korridore etwas über einen Meter tiefer lagen als die fächerförmig angelegten Areale an den Tunneln. Die Menge muss außer sich gewesen sein, als die Galeeren, bemannt mit bewaffneten Sklaven und Verbrechern, alle im Kostüm der Korinther, ins Becken hinaus ruderten. In dem mörderischen Kampf kam alles auf die Motivation an, und ganz ohne Zweifel drohte den Kombattanten ein grässlicher Tod, wenn sie keine gute Vorstellung lieferten.
Die Galeeren steuerten auf die kleinen Boote zu, rammten die einen, brachten die anderen zum Kentern, Geschosse aller Art schwirrten durch die Luft, und das Wasser färbte sich rot, wenn die Toten und Verwundeten von den Schiffen stürzten. Falls sie das Glück hatten, nicht im Wasser umzukommen, konnten manche der Seeleute überleben, indem sie zur Insel schwammen. Als die Korinther zur Landung ansetzten, verlagerte sich der Kampf ans Ufergelände, und bei der Einnahme der Festung kam es zum abschließenden Massaker.
Da es nicht möglich gewesen wäre, die Szene in weniger als zwölf Stunden von einer Wasserlandschaft wieder zu einer festen Bühne umzubauen, musste die Seeschlacht den ganzen Tag in Anspruch nehmen. Mittags gab es eine Unterbrechung, damit Schlepper die im Wasser treibenden Leichname und Wrackteile wegschaffen konnten. Die Menge plauderte und schwärmte von dem, was sie gesehen hatte, während sie auf die nächste Vorführung wartete. Gewiss hatten sich die Bevollmächtigten einige qualvolle, aber unterhaltsame Wasserhinrichtungen ausgedacht.
In der Nacht musste das Wasser abgelassen und der Arenaboden neu verlegt werden. Dazu brauchte man Tausende von Holzteilen, Pfählen, Balken, Falltüren, Dielen und Holzpflöcken. Die Segmente des Bodens, die mit Klapptüren versehen waren, waren Fertigteile; alle Stücke mussten an bestimmten Stellen liegen und waren daher durchnummeriert und nach Gruppen geordnet. Es muss eine wahnsinnige Hetze gewesen sein, mit allem rechtzeitig fertig zu werden.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
7

Kapitel 1
Die alten Römer
10

Kapitel 2
Die Vision Vespasians
30

Kapitel 3
Der Auftritt der Gladiatoren
66

Kapitel 4
Das Leben eines Gladiators
88

Kapitel 5
In der Arena
110

Kapitel 6
Die Naumachia
138

Kapitel 7
Der Niedergang des Colosseums
152

Kapitel 8
Die Ausgrabungen
170


Anhang I
Unter der Arena 185

Anhang II
Das Colosseum im Spiegel der Literatur 207

Glossar 214
Literaturhinweise 217
Register 219
Abbildungsnachweis 224