lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Budo als Erziehungs- und Bildungskonzept am Beispiel der japanischen Kampfkunst
Budo als Erziehungs- und Bildungskonzept am Beispiel der japanischen Kampfkunst




Martin Gleiss

Logos Verlag Berlin
EAN: 9783832547332 (ISBN: 3-8325-4733-9)
251 Seiten, kartoniert, 15 x 21cm, Februar, 2018

EUR 38,50
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Im Alltag hat sich ein bestimmtes Bild zum Thema Kampfkunst manifestiert. Generell wird das Ausüben von Kampfkünsten stark positiv bewertet und mit Persönlichkeitsentwicklung, Disziplin und dem Erwerb sozialer Kompetenzen verknüpft. Trotz dieser Ansichten gibt es bisher kaum belastbare Forschungsergebnisse in diesem Bereich. Der Ansatz des Buches ist es, die diffusen Assoziationen rund um die Thematik in ein theoretisches Konzept zu überführen. Aus Sicht der Erziehungswissenschaft wird somit im Studium traditioneller Budo-Disziplinen in der heutigen Gesellschaft eine neue Bedeutsamkeit entdeckt, die über einen reinen Selbstverteidigungsaspekt hinausgeht. Im Zuge einer qualitativen Studie wurden fünf Personen befragt, um einen besonderen Einblick in die jeweils sehr unterschiedlichen Lebensgeschichten zu erhalten. Diese sind jedoch aufgrund der japanischen Kampfkunst "Aikido" eng miteinander verbunden.
Rezension
Als Martin Gleiß mich bat, seine 2018 im Logos Verlag erschiene Arbeit „Budo als Erziehungs- und Bildungskonzept am Beispiel der japanischen Kampfkunst Aikido“ zu lesen und zu besprechen, konnte und wollte ich nicht anders als JA! sagen: Die Körperarbeit im Aikido, der japanischen Kampfkunst war mir lange Zeit eine tägliche Begleiterin und hat mich so einige Denkansätze der Beratungskunst und der Kommunikation im wahrsten Sinn ‚hautnah‘ erfahrbar gemacht. Was das von Martin Buber formulierte Prinzip, „das ich wird am Du zum ich“ habe ich nie besser verstanden als „auf der Matte“. Da war ich natürlich neugierig auf eine sozialwissenschaftliche Studie zu diesem Thema!

Martin Gleiß formuliert einen Bildungsbegriff, der den Leib - die Einheit von Körper und Geist - Ernst nimmt und ‚ästhetische Bildung durch Bewegung’ zum Ausgangspunkt von Entwicklungsprozessen macht. Damit folgt er nicht dem Mainstream von schnell verwertbaren Konzepte, sondern macht sich auf die Spurensuche nach Gelingfaktoren von Bildungsprozessen.

Den sozialwissenschaftlichen Kern seiner Arbeit machen leitfadengestützte Interviews mit langjährigen Aikido-Trainer/innen aus, die von ihren eigenen biographischen Erfahrungen mit den Kampfkünsten erzählen und über ihre Rolle als Übungsleiter/in nachdenken: Die Fragestellung ist bewusst subjektiv und biografieorientiert: Welche Effekte hatte und hat das Üben (und Lehren) von Aikido für meine Lebensentscheidungen und wie hat es mich verändert? Eine spannende Frage, die mich schon beim Lesen des Forschungsdesigns anregt: Was bedeutet Aikido für mich? Wie ist das Verhältnis zwischen der sportlichen Seite des Aikido und der philosophischen?

In seiner Arbeit folgt Gleiß mustergültig den bewährten wisschaftlichen Schriften eines qualitativen Forschungsprozesses: Ausgehend von einer Fragestellung, präzisiert er den Begriff Budo (‚Weg des Kampfes’ - der Sammelbegriff für zahlreiche Kampfkünste und Kampfsportarten) im pädagogischen Kontext und befragt die Disziplin Aikido auf ihre Möglichkeiten als sozialpädagogische Disziplin zielgerichtet eingesetzt zu werden. Er stellt den Forschungsstand zum Thema Kampfkunst, Kampfsport und Budo in pädagogischen Feldern dar und expliziert auf dieser Basis schließlich den qualitativen Sozialforschungsprozess. Er lässt umfänglich daran teilhaben, wie die Leitfadeninterviews ausgewertet wurden und welche Kategorien gebildet wurden um verallgemeinere Schlüsse aus den Einzelaussagen ziehen zu können. Sein Fazit beschäftigt sich mit den pädagogischen Konsequenzen dieser Studie.

Obwohl es einen cultural gap zwischen der „Wiege“ des Aikido und heutigen Übenden gibt, lässt sich klar feststellen, dass Budo im Allgemeinen und Aikido im Besonderen in hohem Maße auf das Selbstkonzept und die Identität des Übenden wirkt und die Auseinandersetzung mit dem eignen Körper untrennbar mit der Auseinandersetzung mit den Themen von Macht, Gewalt und Konflikt verbunden ist. Das sportliche Training der körperlichen Seite des Aikido geht Hand in Hand mit der Formung des Geistes hin zu einer Entwicklung, die nicht nur Körper und Geist in enger Verbundenheit und Abhängigkeit sieht, sondern auch die Übenden: Im Ritualraum des Dojo und im alltäglichen Leben.
So ist es nicht verwunderlich, dass pädagogische Ansatzpunkte identifiziert werden können: Durch das Üben einer Kampfkunst, insbesondere von Aikido, können Themenkomplexe wie Gewaltprävention, die Förderung kognitiver Prozesse durch das Medium Körper und natürlich - und darin sehe ich die Stärke dieses Nachdenkens - der Aufbau von Selbstwirksamkeitserfahrungen und Selbstwertgefühl sehen. Dazu braucht es - aus erziehungswissenschaftlicher Sicht - eine qualifizierte pädagogische Begleitung des Trainings „auf der Matte“: Positive Effekte für die Persönlichkeitsentwicklung sind auf dem Bu-Do angelegt, sie zu reflektieren und (pädagogisch) zielgerichtet zu nutzen braucht allerdings ein reflektiertes und reflektierendes Setting.

Sehr reizvoll ist auch der abschließende Ausblick der Studie: Hier kommen nicht nur die - der Länge der Arbeit geschuldeten - Themen zur Sprache, die nicht ausführlich besprochen werden konnten, sondern Gleiß bietet hier auch eine inspirierende Anregung für weitere Forschungsarbeiten im Bereich Budo/Aikido & Pädagogik: Eine Fundgrube für jeden, der sozialwissenschaftlich zu diesem Thema forschen möchte - wie überhaupt die gesamte Arbeit dafür eine sehr gute Grundlage bietet!
Verlagsinfo
Im Alltag hat sich ein bestimmtes Bild zum Thema Kampfkunst manifestiert. Generell wird das Ausüben von Kampfkünsten stark positiv bewertet und mit Persönlichkeitsentwicklung, Disziplin und dem Erwerb sozialer Kompetenzen verknüpft. Trotz dieser Ansichten gibt es bisher kaum belastbare Forschungsergebnisse in diesem Bereich. Der Ansatz des Buches ist es, die diffusen Assoziationen rund um die Thematik in ein theoretisches Konzept zu überführen. Aus Sicht der Erziehungswissenschaft wird somit im Studium traditioneller Budo-Disziplinen in der heutigen Gesellschaft eine neue Bedeutsamkeit entdeckt, die über einen reinen Selbstverteidigungsaspekt hinausgeht. Im Zuge einer qualitativen Studie wurden fünf Personen befragt, um einen besonderen Einblick in die jeweils sehr unterschiedlichen Lebensgeschichten zu erhalten. Diese sind jedoch aufgrund der japanischen Kampfkunst "Aikido" eng miteinander verbunden.

Martin Gleiß hat Erziehungswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main studiert. Zu seinen Studienschwerpunkten zählten die Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und das Thema der Ästhetischen Bildung des Menschen durch Bewegung. Gegenwärtig arbeitet er im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe mit dem Fokus auf Flucht und Migration. Seit 2008 praktiziert er die Kampfkunst Aikido. Dadurch entwickelte sich auch sein Interesse für die japanische Kultur, welche er während eines einjährigen Aufenthaltes in Japan erfahren konnte. Seit einigen Jahren unterrichtet er Aikido sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Fragestellung

2 Budo im Kontext von Pädagogik
2.1. Die japanischen Kampfkünste und ihre Besonderheiten
2.2 Budo und das Verhältnis zur Erziehung
2.3. Budo und das Verhältnis zu Bildung
2.4. Budo - ein ganzheitliches (sozialpädagogisches) Konzept?

3 Aikido und die Harmonisierung der Kräfte
3.1. Was ist Aikido? - Geschichte und Philosophie
3.2. Die Bildung des Körpers im Aikido
3.3. Aikido als sozialpädagogische Methode

4 Forschungsstand
4.1. Bewegung, Sport und Kampfsport in pädagogischen Handlungsfeldern
4.2. Budopädagogik - Das erzieherische Wesen im Bereich der Kampfkünste

5 Der Weg zur Erkenntnis (Forschungsprozess)
5.1. Qualitative Forschung in der Erziehungswissenschaft
5.2. Vorübergegangen im Kontext des Erkenntnisinteresses
5.2.1. Wahl der Erhebungsmethode: Qualitative Interviews
5.2.2. Erstellung eines Leitfadens (Offenheit versus Struktur)
5.3. Erhebungsphase
5.3.1 Fallauswahl und Auswahl des Materials
5.3.2 Durchführung der Interviews
5.4. Der Prozess der Transkription
5.5. Analyse des Materials (Qualitative Inhaltsanalyse)
5.6. Die Reflexion des Forschungsprozesses

6 Interpretation und Auswertung der Ergebnisse
6.1. Definition des Kategoriensystems mit Kategorienbeleg
6.2. Kategoriengeleitete Darstellung der Einzelfälle
6.3. Darstellung der Ergebnisse (verbindene Elemente)
6.3.1. Die Bedeutung von Budo
6.3.2. Die Bedeutung von Aikido
6.3.3. Bildungsprozesse
6.3.4 Lernprozesse
6.3.5. Trainingsgemeinschaft und Dojo
6.3.6. Kinder und Jugendliche

7 Fazit und Rückkoppelung zur Theorie
7.1. Budo - Die Kultivierung des Kampfes
7.2. Die Einheit von Körper und Geist
7.3. Die Bedeutung der Dojo-Gemeinschaft
7.4. Zum pädagogischen Einsatz von Aikido

8 Ausblick

9 Literaturverzeichnis

10 Anhang