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Zeitenwende 1979 Als die Welt von heute begann
Zeitenwende 1979
Als die Welt von heute begann




Manfred Boesch

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406733086 (ISBN: 3-406-73308-5)
512 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, Januar, 2019

EUR 28,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Im Jahr 1979 häuften sich weltweit Krisen, Revolutionen und euphorische Aufbrüche, die die Welt veränderten. Die iranische Revolution brachte schlagartig den politischen Islam auf die Agenda. Die Boat People konfrontierten die Welt mit Flucht und Migration. Die umjubelte Polen-Reise des Papstes forderte den Sozialismus heraus, während sich China öffnete, um zur neuen globalen Vormacht zu werden. Margaret Thatcher verkündete eine neoliberale Wende, die Grünen eine ökologische.

Frank Bösch schildert in seinem brillanten Panorama, wie diese Ereignisse 1979 aufkamen und welche weitreichenden Folgen sie hatten: politisch, kulturell und – mit Energiespar-Appellen, Nicaragua-Kaffee, Fremdenhass und Willkommenskultur - auch für unseren Alltag. Eins faszinierende Zeitreise zu den Quellen unserer Gegenwart.
Rezension
Die Iranische Revolution, die Wahl Johannes Paul II. zum Papst, die Revolution in Nicaragua, der Kurswechsel unter Deng Xiaoping, die Boat People in Deutschland, der Einmarsch der UdSSR in Afghanistan, Margaret Thatchers Wahl zur britischen Premierministerin, die Gründung der Grünen, die zweite Ölkrise, der „Unfall“ im Atomkraftwerk Harrisburg, die Ausstrahlung der Fernsehserie „Holocaust“. All dieses ereignete sich 1979, das als Jahr der weltverändernden Krisen und Revolutionen gilt.
Taugt dieses Jahr, um den Beginn unserer Gegenwart zu markieren? Dieses jedenfalls behauptet Frank Bösch, Professor für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Potsdam, in seinem Buch „Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann“, erschienen bei C. H. Beck. Seiner Ansicht haben Themen, die aktuell die politische Agenda bestimmen, ihren Ursprung in der Zeit vor 40 Jahren. Dazu zählt Bönsch beispielsweise gegenwärtige Krisenphänomene wie Marktliberalismus, Neuer Kalter Krieg, ökologische Krise, weltweite Fluchtbewegungen und islamischer Fundamentalismus.
Deshalb argumentiert der Historiker dafür, eine andere Periodisierung in der Forschung zur Zeitgeschichte vorzunehmen, nämlich mit dem Jahr 1979 einen Wendepunkt anzusetzen. Dadurch unterscheidet er sich von dem in der Geschichtswissenschaft dominierenden Modell, das Ende des Kalten Krieges als Zäsur zu begreifen. So machen es beispielsweise Edgar Wolfrum in „Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik von ihren Anfängen bis zur Gegenwart“ (2006) (vgl. meine Rezension unter https://lbib.de/Die-geglueckte-Demokratie-36918), Tony Judt in seiner „Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart “ (2006) oder Konrad H. Jarausch in „Aus der Asche. Eine neue Geschichte Europas im 20. Jahrhundert“ (2018).
Souverän, anschaulich und gut verständlich schildert Bösch die politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Umbrüche, die mit dem Krisenjahr 1979 verbunden sind. Ihm gelingt es in dem klar gegliederten Buch präzise Zusammenhänge zwischen weltgeschichtlichen Ereignissen und deutscher Außen- und Innenpolitik herzustellen. Zu kurz kommt dabei in seinem Bestseller die Thematik „Globale Armut“, wozu im Februar 1980 der „Nord-Süd-Bericht“, auch „Brandt-Report“ genannt, erschien. Überhaupt scheint der Historiker, welche in „Zeitenwende 1979“ präzise und ausführlich auf die Diskurse innerhalb der Oppositionspartei CDU eingeht, wenig Interesse an einer Würdigung der Debatten innerhalb der Regierungspartei SPD zu besitzen.
Ob das 1979, das in das „sozialdemokratische Jahrzehnt“ (Bernd Faulenbach) fällt, als Wendepunkt der Globalgeschichte taugt, darüber möge in der historischen Zunft kontrovers diskutiert werden. Dazu fordert die konzise Darstellung von Bösch geradezu auf. Für alle 40-Jährigen ermöglicht sein kenntnisreiches Sachbuch zudem eine aufschlussreiche Zeitreise in die Vergangenheit. Geschichtslehrkräfte werden durch das mit gut ausgewählten Fotographien illustrierte Werk jedenfalls angeregt, das Jahr 1979 im schulischen Unterricht mehr zu fokussieren.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Eine faszinierende Reise zu den Quellen der Gegenwart

Sachbuchbestenliste Februar 2019: Rang 1
Die Welt/ WDR 5/Neue Zürcher Zeitung/ORF-Radio Österreich 1

Sachbuchbestenliste Februar 2019: Rang 8
von ZEIT, Deutschlandfunk Kultur und ZDF

Im Jahr 1979 häuften sich weltweit Krisen, euphorische Aufbrüche und Revolutionen. Die iranische Revolution, Thatchers Neoliberalismus oder die Öffnung Chinas veränderten ebenso die Welt wie die Aufnahme der Boat People, der AKW-Unfall von Harrisburg oder der sowjetische Einmarsch in Afghanistan. Frank Bösch nimmt uns mit auf eine faszinierende Zeitreise zu den Quellen unserer Gegenwart.

1979 gilt als "das Schlüsseldatum des 20. Jahrhunderts" (Peter Sloterdijk) und wird als der "Beginn der multipolaren Welt von heute" (Claus Leggewie) bezeichnet. Die iranische Revolution brachte den fundamentalistischen Islam auf die weltpolitische Agenda, während der sowjetische Einmarsch in Afghanistan auf die Krisenherde des 21. Jahrhunderts vorauswies. Der Papstbesuch in Polen, der von Millionen gefeiert wurde, beschleunigte den Untergang des Sozialismus. Margaret Thatcher verkündete eine neoliberale, die neugegründete grüne Partei eine ökologische Wende. Und die vietnamesischen Boat People konfrontierten die Deutschen erstmals mit weltweiten Flüchtlingsströmen.
Frank Bösch schildert in seinem brillanten Panorama mit bisher unbekannten Dokumenten, wie diese Ereignisse 1979 aufkamen und welche Folgen sie für Deutschland hatten: politisch, kulturell und - mit Energiespar-Appellen, Nicaragua-Kaffee, Fremdenhass und Willkommenskultur - auch für unseren Alltag.


1979: Überblick

29. Januar: Deng Xiaoping reist als erster führender Politiker der Volksrepublik China in die USA; zahlreiche weitere Westreisen führender chinesischer Politiker unterstreichen die ökonomische Öffnung Chinas.

1. Februar: Khomeini kehrt aus dem Exil nach Teheran zurück. Die Islamische Revolution leitet den Aufbau einer islamischen Republik ein, die den fundamentalistischen Islam weltweit auf die Agenda setzt. Die Proteste und Streiks im Iran sorgen bereits zuvor für einen starken Anstieg der Ölpreise – die «zweite Ölkrise».

17./18. März: Bundesweiter Zusammenschluss der Grünen Listen im Vorfeld der ersten Europawahl in Frankfurt Sindlingen. Ab Oktober ziehen die Grünen in die ersten Landtage ein.

28. März: Der Reaktorunfall im US-amerikanischen Atomkraftwerk «Three Mile Island» nahe der Stadt Harrisburg fördert die Angst vor der Atomkraft.

31. März: 100.000 Menschen demonstrieren in Hannover gegen das geplante Endlager und die Wiederaufbereitungsanlage in Gorleben.

4. Mai: Margaret Thatcher wird Premierministerin Großbritanniens und leitet eine marktliberale Politik ein.

2. – 10. Juni: Papst Johannes Paul II. besucht sein Heimatland Polen. Die Millionen von Menschen auf den Straßen sind ein Ausgangspunkt für die Formierung breiter Proteste in den folgenden Jahren.

6. Juli: Die Ministerkonferenz der Länder beschließt, 10.000 «Boat People» aufzunehmen; dieses Kontingent wird im Folgenden um das Dreifache erhöht.

19. Juli: Die von den Sandinisten angeführte Revolution in Nicaragua, die von einer weltweiten Solidarität begleitet wird, vertreibt das Somoza-Regime

13. August: Die Cap Anamur beginnt mit der Rettung vietnamesischer «Boat People» in Südost- Asien.

4. November: Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran.

12. Dezember: NATO-Doppelbeschluss zur Nachrüstung; er befördert die Friedensbewegung.

25. Dezember: Einheiten der sowjetischen Armee marschieren in Afghanistan ein, das damit zum globalen Krisenherd wird.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt

Einleitung
Die Welt im Umbruch

1. Die Revolution im Iran
Der Westen und der radikale Islam

Gute Beziehungen zum Westen und speziell zu den Deutschen
21 | Massenproteste gegen den Schah 25 | Khomeini
proklamiert den Gottesstaat 28 | Das Geiseldrama als
Machtkampf mit dem Westen 38 | Befreiung mit deutscher
Hilfe 46 | Der islamische Fundamentalismus fordert die Weltordnung
heraus 51 | Wirtschaftsinteressen und Menschenrechte
56

2. Papst Johannes Paul II. in Polen
Die Kirche als Herausforderung für den Sozialismus 61

Ein Pole wird Papst 65 | Verwandlung sozialistischer Räume:
«Unser Glaube ist der Sieg» 68 | Päpstliche Auftritte als
Event 75 | Folgen des Papstbesuchs in Polen 78 | Politik und
Religion in der Bundesrepublik 84 | Parallelen zur DDR? 88

3. Die Revolution in Nicaragua
Solidarität mit der Dritten Welt 95
Somoza stürzt und die Weltgemeinschaft taktiert 98 | Globale
Euphorie nach der Revolution 107 | Die Mühen der
Ebene 111 | Die Sandinisten und die Kirche 114 | Die
USA unterstützen die Contras 116 | Solidarität mit Nicaragua
im linksalternativen Milieu 118 | Rot-grüne Hilfe mit öffentlichen Mitteln 127 | «Brillen für Nicaragua»: Die DDR-Solidarität
131 | Bürgerliche Solidarität mit Nicaraguas Opposition
133 | Geplatzte Träume von einem neuen Sozialismus 137

4. Chinas Öffnung unter Deng Xiaoping
Wege in die Globalisierung 141
Maos Erbe und der Druck der Straße 144 | Der stille «Macher»:
Deng Xiaopings Kurswechsel 156 | Ökonomische Reformen
unter Deng 160 | Die gescheiterte Demokratisierung von unten
167 | Reisediplomatie und Austausch von Know-how ab
1979 171 | Schwierige Anf änge: China als deutscher Wirtschaftspartner
175 | Leuchtturmprojekt: VW in China 178 | Wirtschaftspartner
trotz Menschenrechtsverletzungen 182

5. Die Boat People aus Vietnam
Rettung von Flüchtlingen 187
Die Aufnahme der ersten Vietnamesen in der Bundesrepublik
191 | Christdemokratisches Engagement 194 | Die
Medien organisieren Hilfsaktionen 196 | Die Linken halten
sich zurück 199 | Rettung aus Seenot 201 | Bürokratische
Logistik: Vom Durchgangslager in die Bundesrepublik 206 | Die
Cap Anamur nimmt Boat People auf 209 | Das Ende der Rettungsaktionen
216 | Angst vor Migranten 221 | Vertragsarbeiter
in der DDR 223 | Vietnamesen im vereinten Deutschland
226

6. Der sowjetische Einmarsch in Afghanistan
Umbruch im Kalten Krieg 229
Gescheiterte Modernisierungsversuche in Afghanistan 233 | Der
Einmarsch: Entscheidung und Rechtfertigung 236 | Weltweite
Entrüstung und Sanktionen gegen die Sowjetunion 242 | Der
Westen fördert den islamischen Widerstand 248 | Friedensbewegung,
Nato-Doppelbeschluss und Afghanistan-Einmarsch
255 | Der sowjetische Rückzug aus Afghanistan
262 | Das Erbe des Krieges 266

7. Thatchers Wahl und die Gründung der Grünen
Neoliberalismus und Ökologie
Die erste Frau an der Spitze einer Industrienation 271 | Versuche,
die British Disease zu heilen 277 | Thatchers Reformen:
Eine Bilanz 281 | Die Tories und die «Wende» in
Bonn 285 | Zahnlos? Die bundesdeutschen Reformen im
Schatten Thatchers 290 | «There is no alternative»: Das Aufkommen
von Neoliberalen und Grünen 294 | Richtungweisend,
weder rechts noch links 299

8. Die zweite Ölkrise
Globale Abhängigkeiten und Wege zum Energiesparen 305

Auftakt: Die Ölkrise 1973 307 | Die Ölkrise 1979 spitzt sich
zu 311 | Die Koordinaten im Kalten Krieg verschieben
sich 314 | Kleinwagen und Sommerzeit: Energiesparen als Königsweg
320 | «Weg vom Öl»: Der Ausbau alternativer Energien
326 | Ölschwemme statt Ölknappheit 329

9. Der AKW-Unfall bei Harrisburg
Angst vor der Atomkraft 333
Global vernetzt: Atomkraft vor dem Harrisburg-
Unfall 334 | Die Anti-Atomkraft-Bewegung formiert
sich 338 | Kernschmelze in Three Mile Island: Angst und
Krisenmanagement 341 | Internationale Stimmungswechsel
347 | «Schwachstelle Mensch»: Krisen-Experten und neue
Sicherheitskonzepte 350 | Die parteipolitischen Frontlinien
verändern sich 353 | Harrisburg, Tschernobyl und der Atomausstieg
358

10. Die Fernsehserie Holocaust
«Geschichtssturm» und neue Erinnerungskultur 363
Nachkriegszeit: Zaghafte Auseinandersetzung mit dem Judenmord
365 | Familie Weiss und SS-Mann Dorf in den
USA 368 | Trivial oder lehrreich? Die Serie Holocaust in Europa
und Israel 372 | Ängste im Vorfeld der bundesdeutschen

Ausstrahlung 376 | Erschütterung in der Bundesrepublik
382 | Kein Strohfeuer. Filmische Nachwirkungen der
Serie 387 | Politische Nachgefechte: Amnestie, Aktenzugang
und Entschädigung 390 | Gewandelte Geschichtskultur 393

Epilog

Globale Wendepunkte und der Beginn unserer Gegenwart

Anhang

Dank 407 | Zeittafel zu 1979 409 | Abkürzungen 411 |
Anmerkungen 413 | Quellen und einführende Literatur
499 | Personenregister 508 | Bildnachweis 512