lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Wissenschaftliche Bildung. Anspruch und Wirklichkeit
Wissenschaftliche Bildung. Anspruch und Wirklichkeit


Reihe: Philosophische Texte und Studien


Georg Olms Verlag
EAN: 9783487128054 (ISBN: 3-487-12805-5)
361 Seiten, kartoniert, 15 x 21cm, 2004

EUR 39,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die vorliegende Studie zum Problem einer wissenschaftlichen Bildung, die höheren Anforderungen subjektiv und objektiv genügte, erhebt nicht den Anspruch, den Gegenstand in geistesgeschichtlicher und systematischer Hinsicht vollständig darzustellen.


Rezension
Was versteht man heutzutage unter >wissenschaftlicher BildungGeorg Olms Verlag< erschienene Buch des Erziehungswissenschaftlers Jürgen-Eckhardt Pleines >Wissenschaftliche Bildung. Anspruch und Wirklichkeit< (2004).
Dazu legt der Wissenschaftler eine historisch-systematische Analyse des Verhältnisses von >Bildung< und >Wissenschaft< von der Antike bis zur Gegenwart vor. Am Beginn seiner Untersuchung steht ein Auszug aus Platons Dialog Menon (97a-98e). Anhand einer luziden philologischen Analyse der Schriften Platons und Aristoteles elaboriert Pleines das antike Verständnis von wissenschaftlicher Bildung. Der Erziehungswissenschaftler, bekannt durch seine Studien zu Hegels Bildungsbegriff, erinnert in diesem Zusammenhang an Werner Jaegers klassische Bezeichnung der griechischen Paideia als >Formung des Menschen< (S. 346). Bei seiner Ausarbeitung der antiken Auffassung von >wissenschaftlicher Bildung< kommt Pleines zu zwei entscheidenden Resultaten. Im griechisch-römischen Altertum waren Wissenschaft und Bildung miteinander vereinbar (S. 346f.). Außerdem sahen sich die Denker einem ‚weiten‘ Begriff wissenschaftlicher Bildung verpflichtet, der spekulative und ethische Komponenten umfasste.
In der Neuzeit dagegen, so Pleines, setzte der Prozess der >Entfremdung von Wissenschaft und Bildung< (S. 72-98) ein. Wissenschaftliches Wissen musste dem mathematischen Exaktheitsideal genügen; es wurde im Idealfall more geometrico generiert. Erste Kritik kam von dem Anticartesianer Giambattista Vico. Metaphysische und moralische Dimensionen des Wissens geraten ab dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in den Hintergrund; ihre Überwindung galt im positivistischen Zeitalter geradezu als wissenschaftliches Qualitätsmerkmal. Wissen steht nach Pleines noch heute primär unter einem technischen Erkenntnisinteresse (vgl. S. 340). Mit dem szientifischen Wissenschaftsbegriff wurde zugleich der bildende Charakter des Wissens unterschlagen.
Pleines plädiert deshalb für eine >Abkehr von den psychologisierenden und soziologischen Ansätzen in der Bildungstheorie< (S. 336). Stattdessen sollen philosophische Aspekte wieder im Zentrum der Auseinandersetzung um den Bildungsbegriff stehen. Angesichts einer zunehmenden Verbreitung eines soziologischen, psychologischen oder neurobiologischen Deduktivismus in der Pädagogik hat Pleines Postulat nichts von ihrer Aktualität verloren. Aufgrund einer kulturellen Amnesie tritt Pleines für eine historische Vergegenwärtigung der Auffassungen von >wissenschaftlicher Bildung< ein. Seine Ausführungen erinnern an Dimensionen des Bildungsbegriffs, denen in unserer Zeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Das Buch des Erziehungswissenschaftlers kann aufgrund seiner Diagnose als Aufforderung gelesen werden, das Verhältnis von Wissenschaft und Bildung in unserer Gesellschaft, insbesondere im universitären Alltag, kritisch zu beleuchten. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Lektüre von Pleines Werk jedem Wissenschaftler und wissenschaftlich arbeitenden Lehrer nahegelegt werden kann.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis

1. Prolog Plato, Menon (97a-98e) 7
2. Herkunft und Idee der Wissenschaft (Antike) 14
3. Erkenntnis und wissenschaftliche Bildung (Neuzeit) 72
4. Darstellung von Bildungswissen 130
5. Begriffswelt wissenschaftlicher Bildung 177
6. Wandel des Weltbildes und der Bildungsidee 248
7. Moderne Wissenschaft und ihre Bildung 295
8. Register 357