Das Wort „Philosophie“ bedeutet seiner altgriechischen Etymologie nach „Liebe zur Weisheit“. Reflexionen über das Lebensziel Weisheit und über Wege zu ihr sind seit jeher Gegenstand philosophischen Denkens. Es werden gemeinhin unterschiedliche Methoden zur Erlangung von Weisheit unterschieden, nämlich über die Arbeit am Logos, über die Deutung von Mythen oder auch über die Ausübung spezieller Weisheitspraktiken. Solche finden sich etwa in den Weisheitslehren (fern)östlicher Philosophien, Religionen oder Weltanschauungen. Zu den Weisheitspraktiken zählen zum Beispiel die Meditation oder das konzentrierte Schreiben von Zeichen. In der akademischen Philosophie gilt die Beschäftigung mit Weisheitslehren als verpönt und wird vielfach Vertrer:innen der Kulturwissenschaften oder der Religionswissenschaft überlassen.
Anders sehen dieses Michael Hampe (*1961), Professor für Philosophie an der ETH Zürich, und Kai Marchal (*1974), Dozent für Philosophie an der National Chengchi University Taipeh (Taiwan), in der von ihnen herausgegebenen Textsammlung „Weisheit. Neun Versuche“. Erschienen ist diese als 194. Band in der Reihe „Fröhliche Wissenschaft“ bei Matthes & Seitz Berlin. Beide Wissenschaftler erachten die Kenntnis von Weisheitslehren verschiedenster Kulturen nicht nur als akademische Aufgabe, sondern ebenso als bedeutsam für ein friedliches Zusammenleben in der globalisierten Welt. Das Erzählen identifiziert Hampe auch als eine Weisheitspraxis. Außerdem finden sich in dem Band aufschlussreiche Beiträge u.a. über Tai Chi, über die altchinesische Schreibpraxis, über Koans im Zen-Buddhismus, über eine Weisheit im Talmud, sowie ein Kettenbrief eines Deutschlehrers mit seinen ehemaligen Schüler:innen. Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik und Religion erhalten durch das Buch gute Materialien, die im Fachunterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt produktiv zur Auseinandersetzung mit Weisheitslehren eingesetzt werden können.
Fazit: Der interdisziplinäre Band „Weisheit“ unterstreicht die Aktualität von Weisheitslehren und -praktiken zur Lebensgestaltung angesichts globaler Probleme. Zugleich leistet die unterhaltsame Textsammlung einen wichtigen Beitrag zu einem vertieften ost-westlichen Dialog.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

»Weisheit« ist ein Begriff, mit dem die westliche Philosophie heute wenig anfangen kann, und doch waren es die Gründerväter auch der westlichen Philosophie, allen voran Sokrates, die sich mit der »Weisheit« beschäftigt haben. Immer geht es ihnen darum, das Leben zu ändern und dem Getriebe unserer Welt, die wir heute als kapitalistisch bezeichnen, zu entkommen. Michael Hampe und Kai Marchal unternehmen nun zusammen mit anderen Wissenschaftler:innen und Poet:innen den höchst anregenden und durchaus vergnüglichen Versuch, Konzepte von Weisheit – seien sie theoretisch, narrativ, poetisch, kontemplativ oder meditativ – näher zu bestimmen und zu vermitteln – in der Überzeugung, dass die allgemeine und sich stetig vertiefende Kenntnis der Lebenslehren der unterschiedlichen Kulturkreise nicht nur akademisch eine dringende Aufgabe darstellt, sondern auch für ein mögliches, globalisiertes, friedliches, gedeihliches und auf Dauer fortsetzbares Alltagsleben von Bedeutung ist.
Mit Beiträgen von Michael Krüger, Gert Scobel, Daniel Strassberg, Christian Unverzagt, Kai Marchal, Michael Hampe, Elisa Duca und Andreas Walther

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