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Von der politischen Berufung der Philosophie
Donatella Di Cesare
Matthes & Seitz
EAN: 9783957578716 (ISBN: 3-9575787-1-X)
175 Seiten, hardcover, 13 x 21cm, April, 2020
EUR 22,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Seit dem Tod des Sokrates sind die Philosophen aus der Stadt vertrieben und Fremde in der Welt. Donatella Di Cesare zeigt in ihrem Essay, wie das Denken in einer postpolitischen Welt ohne Außen zum intellektuellen Außenseitertum verdammt. Doch nun ist an der Zeit, dass die Philosophie in die Stadt zurückkehrt.
Der Aufruf für ein kämpferisches Denken von einer großen europäischen Intellektuellen.
Rezension
Benötigen wir im Zeitalter des neoliberalen Technokapitalismus noch die Philosophie? Ist sie eine nutzlose Beschäftigung? Woran erkennt man gute Philosophinnen und Philosophen? Was heißt Denken? Wie ist das Verhältnis von Philosophie und Politik zu bestimmen? Klare Antworten auf diese Fragen gibt Donatella Di Cesare (*1956) in ihrem 2018 publizierten Essay „Sulla vocazione politica della filosofia“. 2020 erschien dieser in der deutschen Übersetzung von Daniel Creutz bei Matthes & Seitz unter dem Titel „Von der politischen Berufung der Philosophie“. Bekanntheit erlangte die Professorin für Sprachphilosophie an der Universität La Sapienza in Rom und Dozentin für Philosophische Hermeneutik an der Scuola Normale Superiore in Pisa durch ihre Bücher „Gadamer. Ein philosophisches Porträt“(2009) und „Heidegger, die Juden, die Shoah“(2016). Die letzte Gadamer-Schülerin und ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Martin-Heidegger-Gesellschaft gilt als eine wichtige Intellektuelle Italiens.
In ihrem Essay vertritt Di Cesare die These, dass der Philosophie in einem die Mensch total erfassenden Kapitalismus eine eminent wichtige politische Bedeutung zukommt, allerdings nicht in dem sie sich zu einem Instrument der Politik macht, sondern in dem sie einen „Anarchismus der Verantwortung“ artikuliert. In Anlehnung an Emmanuel Levinas` Alteritätsphilosophie geht die Philosophin von einem Primat der Verantwortung gegenüber der Freiheit aus und begreift „An-archismus“ als das Bloßlegen der letzten Grundlagen der Politik. Dieses kann nach Di Cesare allerdings nur eine solche Philosophie leisten, die sich selbst als subversive Kraft, als „Störenfried“ der Politik begreift, nicht aber als ihre „Unterhändlerin“ zur Entschärfung von gesellschaftlichen und politischen Konflikten. Eine derartige Rolle nimmt sie Di Cesares Diagnose nach gegenwärtig vornehmlich ein. Sokrates, Platon, Marx, Kierkegaard, Benjamin, Heidegger oder Lévinas dagegen verkörpern für Di Cesare „atopische“, kritische „Migranten des Denkens“, welche die Fundamente der Welt radikal infrage gestellt haben. Die Aktualität und politische Relevanz der Philosophie von Kant oder auch von Hegel wird von der italienischen Philosophin in ihrem Essay nicht gewürdigt. Lehrkräften der Fächer Philosophie und Ethik liefert ihr Buch dennoch eine gute Einführung in die Phänomenologie des Philosophierens anhand einer fundierten Beleuchtung von Urszenen der Philosophiegeschichte, sowie des Verhältnisses von Philosophie und Politik.
Fazit: Mit ihrem Buch „Von der politischen Berufung der Philosophie“ leistet Donatella Di Cesare einen wichtigen Beitrag zum Selbstverständnis der Philosophie als kritische Instanz in einer vom Kapitalismus beherrschten globalisierten Welt.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Es ist an der Zeit, dass die Philosophie in die Stadt zurückkehrt. Der Aufruf für ein kämpferisches Denken von einer großen europäischen Intellektuellen.
Während in der vollends globalisierten, kapitalisierten und integrierten Welt ohne Außen Krise auf Krise folgt und menschenfeindliche Positionen immer mehr Raum gewinnen, verhält die Philosophie sich eigentümlich konformistisch: In Ethikkommissionen stellt sie hier und da eine zaghafte Empfehlung moralischer Angemessenheit aus und bescheidet sich ansonsten damit, das Bestehende intellektuell mitzuverwalten. In ihrer ebenso leidenschaftlichen wie scharfsinnigen Abhandlung ruft Donatella Di Cesare die Philosophie dazu auf, sich wieder ins politische Handgemenge zu begeben und in die Stadt, die globale Polis, zurückzukehren, aus der sie nach dem Tod des Sokrates vertrieben worden war. Getragen von radikalem Existenzialismus und einem neuen Anarchismus zeigt sie, dass in die abendländische Philosophie seit ihrem antiken Anfang eine politische Berufung eingeschrieben war, deren Verdrängung sie um ihr Wertvollstes, um ihre aufklärerische Potenz, bringt. Doch Kritik und Dissens allein reichen nicht mehr aus. Der Niederlage des Exils, der inneren Emigration eingedenk kehren die Philosophen jetzt zurück, um ein Bündnis mit den Unterdrückten zu schmieden. Ein fulminantes Plädoyer für die politische Relevanz der Philosophie, ihre radikale Zeitgenossenschaft und ihre atopische Widerstandskraft.
Inhaltsverzeichnis
Die gesättigte Immanenz des Globus 7
Heraklit, das Wachen und der ursprüngliche Kommunismus 12
Lichtnarkose: Von der Nacht des Kapitals 18
Zur polis berufen 24
Staunen: Ein unruhige Landschaft 27
Zwischen Himmeln und Abgründen 32
Die Atopie des Sokrates 39
Ein politischer Tod 47
Platon: Als die Philosophie in die Stadt ins Exil ging 59
Migranten des Denkens 62
„Was ist Philosophie?“ 68
Radikale Fragen 75
Der Außer-Ort der Metaphysik 79
Dissens und Kritik 86
Das 20. Jahrhundert: Zäsuren und Traumata 92
Nach Heidegger 97
Gegen Unterhändler und normative Philosophen 103
Ancilla democratiae: Eine traurige Rückkehr 111
Poetik der Klarheit 115
Kraftvolle Prophezeiungen des Sprunges: Marx und Kierkegaard 118
Die Ektase der Existenz 131
Für eine Exophilie 135
Philosophie des Erwachens 137
Gefallene Engel und Lumpensammler 144
Anarchische Nachschrift 146
Anmerkungen 155
Literaturverzeichnis 167
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