Wie kann man ein anschauliches Bild von den gesellschaftlichen Problemen der USA im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gewinnen? Möglich wäre es beispielsweise, verschiedene Quellen aus dieser Zeit sowie historische Standardwerke heranzuziehen. Ein anderer Weg besteht darin, einen literarischen Klassiker der Moderne zu lesen, nämlich die Trilogie „U.S.A.“(1938) von John Dos Passos (1896-1970). Sie umfasst die Bücher „The 42nd Parallel“(1930), „Nineteen Nineteen“(1932) und „The Big Money“(1936). In ihnen wird die amerikanische Geschichte von 1900 bis zur Weltwirtschaftskrise differenziert beleuchtet. Das Opus zählt wie das Werk „Manhattan Transfer“(1925) zu den Meisterwerken des US-amerikanischen Schriftstellers, der gegenwärtig im Schatten von F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway und William Faulkner steht. 1938 wurde Dos Passos von Jean-Paul Sartre noch als der größte Schriftsteller der 1920er und 1930er Jahre angesehen. Der Philosoph schätzte an den Werken des amerikanischen Autors die gesellschaftskritische Perspektive sowie das Eintreten für soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung des Individuums.
2020 erschien im Rowohlt Verlag von Dos Passos` monumentalem Werk eine exzellente Neuübersetzung unter dem Titel „USA-Trilogie. Der 42. Breitengrad / 1919 / Das große Geld“. Sie stammt von Dirk van Gunsteren und Nikolaus Stingl, welche für ihre bisherigen Übertragungen mehrfach mit Preisen gewürdigt wurden. Das „USA“-Werk stellt an Leser:innen gewisse Ansprüche, da es aus literarischen Collagen von vier verschiedenen Textsorten besteht: fiktive Lebensläufe, „Wochenschauen“ aus zitierten Fragmenten, autobiografische Erinnerungsfetzen und Porträts von bekannten Personen der Zeit. So wird man bei der Lektüre aufgefordert, selbst Stellung zu nehmen zu bestimmten historischen Ereignissen und gesellschaftlichen Entwicklungen wie zum Beispiel dem Ersten Weltkrieg, den Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen, der Prekarisierung der Mittelschicht oder der Ausbildung des Monopolkapitals an der Wall-Street. Lehrkräfte der Fächer Englisch, Literatur und Geschichte werden durch die vorliegende Übertragung motiviert, sich in ihrem Fachunterricht anhand dieser mit der US-Gesellschaft im ersten Drittel des 20. Jahrhundert problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Die Neuübersetzung von John Dos Passos` Klassiker „USA-Trilogie“ ist ein Muss für alle Freund:innen amerikanischer Literatur des 20. Jahrhunderts. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten seit den letzten 150 Jahren verstehen möchte, der lese dieses gesellschaftskritische Werk, da es die Augen öffnet für die sozialen Probleme des Landes, die gegenwärtig nicht an Brisanz verloren haben.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

USA-Trilogie
Der 42. Breitengrad / 1919 / Das große Geld
Herausgegeben von: Kristian Wachinger
Übersetzt von: Dirk van Gunsteren, Nikolaus Stingl
John Dos Passos' "USA-Trilogie" ist in der amerikanischen Literatur einzigartig wegen ihrer epischen Gestaltung und panoramischen gesellschaftlichen Perspektive. In den Romanen, aus denen sie besteht - "Der 42. Breitengrad" (1930), "1919" (1932) und "Das große Geld" (1936) -, zeichnet Dos Passos mit sarkastischem Humor und scharfem Auge für soziale Fragen ein unvergessliches Kollektivporträt der USA. Dabei verbindet er das Leben seiner Charaktere und die Zeit, in der sie leben, auf eine raffinierte erzählerische Weise, die diese Trilogie zu einem der lesbarsten modernen Klassiker überhaupt gemacht hat. Seine Protagonisten erleben Kriege und Revolutionen, verzweifelte Liebesaffären, schwere Familienkrisen, öffentliche Triumphe und private Katastrophen vor Kulissen, die unter anderem die Schützengräben des Ersten Weltkriegs, das aufständische Mexiko, Hollywoodstudios in der Stummfilmära, Wall-Street-Büros und die von Tumulten erschütterten Straßen von Boston vor der Exekution von Sacco und Vanzetti umfassen.
In seinem Vorwort schreibt Dos Passos: "USA, das ist ein Querschnitt durch einen Kontinent ... Vor allem aber ist es das gesprochene Wort der Menschen." Es ist die gewaltige Stimme Amerikas von der Industrialisierung bis zur Prohibition. Dirk van Gunsteren und Nikolaus Stingl verschaffen ihr mit ihrer zeitgemäßen Übersetzung neues Gehör.

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