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Thomas Mann und Ägypten Mythos und Monotheismus in den Josephsromanen
Thomas Mann und Ägypten
Mythos und Monotheismus in den Josephsromanen




Jan Assmann

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406549779 (ISBN: 3-406-54977-2)
256 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, 2006

EUR 22,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
In der Begegnung mit dem Alten Ägypten erschloß sich Thomas Mann eine kulturelle Tiefendimension der Zeit. Seine Josephsromane kreisen um die Frage, die auch Proust, Bergson und Freud beschäftigte: in welcher Weise die Vergangenheit unsere Gegenwart bestimmt, und sie geben darauf einige der klügsten, reflektiertesten und differenziertesten Antworten. Gerade in seinen Einsichten zum Wesen des Mythos, zur Entstehung des Monotheismus, zum kulturellen Gedächtnis und zur historischen Anthropologie und Psychologie erweist sich Thomas Mann als einer der bedeutendsten Kultur- und Religionswissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Den bislang noch wenig erschlossenen Dimensionen seines Werkes geht Jan Assmann in seinem neuen Buch nach. Es geht hier um „das mythische Selbst“, einen der kühnsten Entwürfe historischer Anthropologie, die „mythische Zeit“, ein Problem, das Thomas Mann auch in anderen Romanen und Essays beschäftigte, sowie um das spannungsreiche, aber für Mann in keiner Weise sich ausschließende Verhältnis von Mythos und Monotheismus. Assmann beschreibt das Ägyptenbild der Josephsromane und vergleicht die Josephsgeschichte Manns mit der biblischen Erzählung sowie ihrer ägyptischen Urgestalt. Höchst aufschlußreich sind auch die abschließenden Vergleiche mit zeitgenössischen Werken wie Arnold Schönbergs Moses und Aron und Sigmund Freuds Der Mann Moses.



Jan Assmann ist Professor em. für Ägyptologie an der Universität Heidelberg. 1998 erhielt er den Deutschen Historikerpreis. Bei C.H. Beck erschienen u.a. Das kulturelle Gedächtnis (2005), Religion und kulturelles Gedächtnis (2004), Tod und Jenseits im Alten Ägypten (2003) sowie Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten (2006).
Rezension
Assmanns Buch ist aus Bewunderung für Thomas Manns gewaltiges Romanwerk 'Joseph und seine Brüder' entstanden und aus einer Vorlesungsreihe hervorgegangen, die Assmann 2005 in München auf Einladung der Münchner Universitätsgesellschaft und des Thomas-Mann-Förderkreises gehalten hat. Seine Bewunderung dieses Werks von Thomas Mann bezieht sich nicht nur auf die literarische Dimension des Romans, sondern vor allem auch auf dessen Interpretation von Informationen aus einer Vielzahl von Wissenschaften: von der Theologie über die Ägyptologie bis zur Religionsgeschichte. Assmann rechnet Thomas Mann zu den bedeutendsten Religions- und Mythostheoretikern seiner Zeit, eine Seite seiner Genialität, die noch lange nicht hinreichend gewürdigt worden sei.

Aus der Vielzahl der Aspekte, die eine Lektüre von Assmanns Buch lohnenswert machen (wobei erste Voraussetzung natürlich immer ist, dass man Thomas Manns Tetralogie gelesen hat), möchte ich drei hervorheben:

1) Assmann ist Ägyptologe und arbeitet in dieser Eigenschaft auch am Kommentar zur Großen Frankfurter Ausgabe der Werke von Thomas Mann mit. Aus dieser Perspektive liefert er erhellende Richtigstellungen zu Thomas Manns Auffassungen, seinen Quellen und deren Verwendung. Er macht aber auch deutlich, dass Thomas Mann intuitiv viele historische Gegebenheiten richtig erfasst und immer wieder zu Erkenntnissen kommt, die auch in wissenschaftlicher Sicht Bestand haben.

2) Von theologischem Interesse sind vor allem der Begriff des Mythos, den Thomas Mann entwickelt. Assmann macht deutlich, wie kunstvoll Thomas Mann die Figur des Joseph einerseits mit einer eigenen Identität versieht, sie andererseits aber auch auf Vergangenes und Zukünftiges durchscheinend macht. Joseph realisiert, was in den Urvätern schon gegeben war und was in Christus erst kommen wird. Im Unterschied zu Jaspers, der mit der 'Achsenzeit' einen Bruch in der Geschichte annimmt, vertritt Thomas Mann eine Position der Kontinuität und Wiederkehr des schon einmal Gewesenen. Die Zeiten sind voneinander unterschieden, wiederholen aber doch Muster, die es schon immer gab und interpretieren sie neu. Die daraus resultierende Anthropologie vertraut darauf, dass sich die Menschen in vielem gleich bleiben und wir deshalb auch die vergangenen Formen des Menschseins verstehen können.

3) Schließlich dient Manns Romantetralogie Assmann auch dazu, seine Überlegungen zum 'kulturellen Gedächtnis' ins Spiel zu bringen. Seiner Meinung nach ist dieser Begriff ganz besonders geeignet, die Intentionen Thomas Manns zu erschließen. Im bunten Rock Josephs sieht Assmann eine Allegorie jener Gedächtnisform, die neben der individuell-körperlichen und der kommunikativ-sozialen in Dingen, Bildern, Symbolen usw. verkörpert ist und die Kontinuität von Formen, Erkenntnissen und Wissenselementen quer durch die Zeit ermöglicht. Hier finden sich Querverbindungen zu den in der Lehrerbibliothek bereits vorgestellten Bänden 'Religion und kulturelles Gedächtnis' sowie 'Die mosaische Unterscheidung'.

Weitere Rezensionen des vorgestellten Bandes finden sich unter http://www.perlentaucher.de/buch/25367.html

Matthias Wörther, www.lehrerbibliothek.de





Verlagsinfo
Jan Assmann über das Ägypten Thomas Manns

Jan Assmann geht den bahnbrechenden religions- und kulturwissenschaftlichen Einsichten Thomas Manns nach, die dieser vor allem in seinem Romanzyklus Joseph und seine Brüder vermittelt. Auf faszinierende Weise läßt er seine Leser nicht nur das literarische Kunstwerk der Josephsromane mit neuen Augen sehen, sondern vor allem auch den Schriftsteller und Kulturwissenschaftler Thomas Mann.
Inhaltsverzeichnis
9 Vorwort

I
13 Der Brunnen der Vergangenheit
13 Zum Ursprung der Dinge - und zurück
21 Ironie, Wissenschaft und tiefere Bedeutung
29 Bruch contra Kontinuität
32 Fiktion und Fest

II
37 Das mythische Ich
41 Die mythische Würde des Ich
45 Mondgrammatik und das 'nach hinten offene Ich'
50 Schrift und Selbst
53 Mythische und rituelle Identität

III
62 Die mythische Zeit
63 Mythische Gleichzeitigkeit
67 Das kulturelle Gedächtnis
76 Das Unbewußte - die 'kotigen Wurzeln'

IV
84 Ägypten: Urteile und VOrurteile
86 Erste Initiation: Jaakobs Vorurteil und Josephs Vorbehalt
88 Zweite Initiation: der midianitische Kaufmann
99 Dritte Initiation: die Reise nach Theben

V
119 Versuchung
119 Die biblische Geschichte von Potiphars Weib
126 Die griechische Version: Bellerophontes und Anteia
128 Die ägyptische Urform: der Hirte und das Weib des Ackermanns
133 Joseph und Mut-em-enet
142 Keuschheit, Scham und Sünde

VI
151 Monotheismus bei Echnaton und bei Abraham
151 Joseph und Echnaton
172 Abrahams Gott und der Weg des Monotheismus

VII
188 Monotheismus und WIderstand: Sigmund Freud, THomas Mann, Arnold Schönberg
190 Sigmund Freud: der Fortschritt in der Geistigkeit
195 Thomas Mann: Gott ist die Zukunft
208 Arnold Schönberg: das Denkbare und das Lehrbare

219 Abkürzungen und Zitierweise
220 Anmerkungen
236 Zitierte Literatur
245 Namensregister
251 Sachregister