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Schriften zur Literatur 1945-1958
Schriften zur Literatur 1945-1958




Hans Blumenberg

Suhrkamp
EAN: 9783518586976 (ISBN: 3-518-58697-1)
370 Seiten, hardcover, 14 x 23cm, April, 2017

EUR 32,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Bekanntheit erlangte der Philosoph und Münsteraner Philosophieprofessor Hans Blumenberg (1920-1996) durch voluminöse Bücher wie „Die Legitimität der Neuzeit“(1966), „Die Genesis der kopernikanischen Welt“(1975), „Arbeit am Mythos“(1979), „Die Lesbarkeit der Welt“(1981), „Lebenszeit und Weltzeit“(1986) oder „Höhlenausgänge“(1989). Bevor er 1958 zum außerordentlichen Professor für Philosophie an der Universität Hamburg ernannt wurde, verfasste und bzw. oder publizierte er, vielfach unter dem Pseudonym Axel Colly – in Anspielung an seinen Collie Axel - von 1945 an Schriften zur deutschen und internationalen Literatur. Seine Rezensionen und feuilletonistischen Essays wurden vornehmlich in den „Düsseldorfer Nachrichten“ und in dem katholischen Organ „Hochland“ veröffentlicht. Innerhalb des umfangreichen Œuvres bilden diese Texte Blumenbergs eine eigene Werkgruppe.
Eine Auswahl von ihnen, ergänzt um weitere unveröffentlichte aus seinem Nachlass, erschien 2017 unter dem Titel „Schriften zur Literatur 1945-1958“ im Suhrkamp Verlag, herausgegeben von Alexander Schmitz und Bernd Stiegler. In seinen Arbeiten zeigt sich Blumenberg als hervorragender Stilist. Zurecht wurde ihm 1980 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt der Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa verliehen. Blumenbergs Aufsätze und Miniaturen sind nicht nur für Germanist:innen und Literatur:wissenschaftler:innen von Relevanz, sondern auch für alle, welche sich für die Entwicklung seines philosophischen Werks interessieren. So taucht in diesen erstmals der für sein Werk zentrale Begriff „Absolutismus“ auf. Im Text „Sartre oder Der Absolutismus der Freiheit“(1951) würdigt der Denker den existenziellen Freiheitsbegriff des französischen Philosophen. Prägender für die philosophischen Arbeiten Blumenbergs war aber seine Lektüre der Werke Franz Kafkas. Dessen 1919 verfasster und 1952 postum veröffentlichter „Brief an den Vater“ deutet Blumenberg im Zeitungsartikel und Aufsatz „Der absolute Vater“ nicht psychoanalytisch, sondern philosophisch: „Wo sonst die Leere des Absoluten mit politischen, ästhetischen, erotischen Symbolen ‚besetzt‘ wird, steht hier der ‚riesige Mann‘ als Platzhalter der Transzendenz.“(S. 114)
Besondere Erwähnung verdient auch Blumenbergs in den „Schriften zur Literatur“ abgedruckter Vortrag aus dem Jahre 1950 „Das Problem des Nihilismus in der deutschen Literatur der Gegenwart“, in dem er diese als Antwort auf die historische Krise seiner Zeit identifiziert. In seinem Text vertritt er die Behauptung: Die gegenwärtige „Kunst und Dichtung […] ist der philosophischen Analyse fast überall weit vorausgeeilt und hat Phänomene und Probleme sichtbar gemacht, an die sich das Denken nur allmählich heranzutasten vermag.“(S. 45) Deutsch-, Literatur- und Philosophielehrkräfte erhalten durch Blumenbergs Beiträge knappe, aber prägnante philosophische Interpretationen zu klassischen Werken sowie fundierte Würdigungen von Weltliteraten wie zum Beispiel Franz Kafka, Thomas Mann, Ernst Jünger, Graham Greene, William Faulkner, Evelyn Waugh, Marcel Proust oder Jean-Paul Sartre.
Fazit: In seinen „Schriften zur Literatur 1945-1958“ lieferte Hans Blumenberg gekonnt philosophische Zugänge zu Klassikern der Weltliteratur.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Hans Blumenberg
Schriften zur Literatur 1945-1958
Herausgegeben von Alexander Schmitz und Bernd Stiegler
»Der Unterzeichnete hat, obwohl ihm die Gesetzgebung der letzten zwölf Jahre jede publizistische Äußerung wie den Abschluß seines philosophischen Universitätsstudiums unmöglich machte, nicht den Ehrgeiz, um jeden Preis sich gedruckt zu sehen.« Dies schrieb der 25jährige Hans Blumenberg im November 1945 an den Insel Verlag und fügte einen Aufsatz zu Dostojewskis Novelle »Die Sanfte« bei, deren Veröffentlichung er anregte. Zu der Publikation kam es seinerzeit nicht, und auch der Aufsatz blieb ungedruckt. Nun eröffnet er eine Sammlung mit Blumenbergs frühen Texten zur Literatur.
In Rezensionen, Reden und Vorträgen erkundet er die zumeist zeitgenössische deutschsprachige und internationale Literatur, schreibt aber auch über die damals neue Mode der Taschenbücher, Ratgeber und Comics. Seine subtilen Lektüren verfolgen oft Randgänge zwischen Literatur und Philosophie und thematisieren existenzielle Fragen. Es sind Texte von zeitloser Brillanz, die zugleich die Nachkriegszeit wie in einem Vergrößerungsglas sichtbar werden lassen.
Inhaltsverzeichnis
1945
Über Dostojewskis Novelle »Die Sanfte« 9
1949
Jean-Paul Sartre, »Die Fliegen« 21
Ernst Jünger als geistige Gestalt 26
1950
Paul Claudel, »Der seidene Schuh« 37
Das Problem des Nihilismus in der deutschen Literatur der
Gegenwart [Vortragsankündigung] 41
Das Problem des Nihilismus in der deutschen Literatur der
Gegenwart [Vortrag] 43
1951
Die Krise des Faustischen im Werk Franz Kafkas 57
Graham Greene oder die Zweideutigkeit der Gnade 74
Graham Greene, »Der Ausgangspunkt«. Roman 95
Sartre oder Der Absolutismus der Freiheit 101
1952
Der absolute Vater [Zeitungsartikel] 105
1953
Der absolute Vater [Aufsatz] 109
Utopien – hinterher gelesen 115
Der Antipode des Faust. Zum 70. Geburtstag von
Franz Kafka am 3. Juli 1953 118
Ballade der kleinen Gerechtigkeit. Zum 60. Geburtstag von
Hans Fallada am 21. Juli 122
Rebell gegen die Endlichkeit. Über Gestalt und Werk
Thomas Wolfes 125
Vollsynthetische Bilderwelt. Von Macht und Ohnmacht der
»Comic-Strips« 129
Eschatologische Ironie. Über die Romane Evelyn Waughs 132
1954
Faust – heute 147
Der selbstgemachte Mensch. Oder: Die Literatur des großen »Wie« 163
Der Mann, der das Gegenteil war. Zum 80. Geburtstag von
G.K. Chesterton am 29. Mai 166
Parodie auf den Zerfall? Das neue Buch: Becketts »Molloy« 169
Glanz und Elend des Zuschauers. Das Problem der Freiheit im Theater 172
Raub, der Zeit wieder entrissen. Zum 2. Band der deutschen
Ausgabe des Werkes von Marcel Proust 175
Vier Negerromane: Die Schwelle zwischen Schwarz und Weiß 178
C. S. Lewis, Die böse Macht. Ein Roman 181
1955
Des Kontrastes wegen. Über Romane von Alain Robbe-Grillet und Henry Green 183
Vier Zehntel Gramm Meskalin. Eine Droge macht den
Alltagsmenschen zum Bruder des Genies – Über einen
Versuch des Dichters Aldous Huxley 185
Wollt ihr »Was ihr wollt«? 188
Überholt oder modern? Zum 50. Todestag von Jules Verne am 24. März 190
Ernst Jünger – ein Fazit. Zu seinem 60. Geburtstag
am 29. März 1955 192
Faulkners amerikanische Mythologie 196
Ins Nichts verstrickt. Wird man in zehn Jahren noch von Sartre sprechen? 199
Ein Ruck an der Leine. Über den Roman »Wiedersehen mit
Brideshead« von Evelyn Waugh 202
6Ironie der Weltverbesserung. Zu Henry James’ »Prinzessin
Casamassima« 204
Zauberberg und geteilte Welt. Zum 80. Geburtstag von
Thomas Mann am 6. Juni 207
Die endgültig verlorene Zeit. Zum dritten Band der deutschen
Proust-Ausgabe 212
Das Buch als Markenartikel. Wohltat und Plage der
Taschenbuch-Reihen – Das »Vollbuch« stirbt nicht aus 215
1956
Die Peripetie des Mannes. Über das Werk Ernest Hemingways 219
Rose und Feuer. Lyrik, Kritik und Drama T. S. Eliots 239
1958
Mythos und Ethos Amerikas im Werk William Faulkners 265
Anhang 287
1938
Hans Carossa 289
Nachweise 355
Editorische Notiz 361
Namenregister 369