lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Pädagogik im Nachkriegsdeutschland Wissenschaftspolitik und Disziplinentwicklung 1945 bis 1955 Zugl.: Habil.-Schrift an der FU Berlin 2001
Pädagogik im Nachkriegsdeutschland
Wissenschaftspolitik und Disziplinentwicklung 1945 bis 1955


Zugl.: Habil.-Schrift an der FU Berlin 2001

Christa Kersting

Verlag Julius Klinkhardt
EAN: 9783781515819 (ISBN: 3-7815-1581-8)
433 Seiten, paperback, 17 x 24cm, 2008

EUR 27,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Arbeit rekonstruiert die theoretische, soziale und institutionelle Entwicklung der Pädagogik im Nachkriegsdeutschland und geht dazu von der Genese des Faches seit 1900 aus.

Neben den Landesbehörden / Kultusministerien, den Universitäten und ihren Fakultäten entscheiden nun die politischen und kulturellen Ambitionen der Besatzungsmächte über den Fortgang der Disziplin. Unbeschadet dessen werden Spuren verwischt, falsche Genealogien konstruiert und demokratische Ansätze unterdrückt – erneut dominierte die in der Weimarer Zeit erstarkte geisteswissenschaftliche Pädagogik.

Die Wissenschaftspolitik der Granden des Fachs – Spranger, Nohl, Litt – ging nach 1945 einher mit einer Provinzialisierung der Disziplin.

Fallstudien zeichnen den prekären Umgang mit Emigranten nach, die Situation der Akademikerinnen und die Berufungspolitik an den „alten“ Universitäten der französischen Besatzungszone Tübingen und Freiburg im Vergleich zur Neugründung in Mainz sowie in dem von Frankreich verwalteten Saarbrücken.

Das Buch basiert auf Quellenforschung in über 20 Universitätsarchiven, in Staats- und Landesarchiven, Kultusministerien, in Bundesarchiven und in den Archiven der Französischen Besatzungsmacht.
Rezension
Bei vielen Lehrer/innen steht die historische Pädagogik nicht sonderlich hoch im Kurs; sie scheint auf den ersten Blick wenig für das Gegenwartswissen der Pädagogik auszutragen ... Auf den zweiten Blick aber ist es wie mit allem geschichtlichen Wissen: Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht angemessen einordnen. - Diese Habilitation an der Freien Universität Berlin wendet sich der Entwicklung der deutschen Pädagogik in der Nachkriegszeit 1945-1955 zu und damit einer entscheidenden Phase der Neuausrichtung der Pädagogik im demokratischen Deutschland nach dem Faschismus. Bis in die 1960er Jahre hinein blieb Pädagogik Teil verschiedener Disziplinen und die Philosophie blieb deren Leitwissenschaft.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 11
Einleitung 13

Teil 1
Pädagogik und Wissenschaftspolitik 1945 bis 1955

I Weichenstellungen seit der Jahrhundertwende 25

1 Von der Richtungsvielfalt zur Dogmatik einer staatstragenden Disziplin (1900-1933) 26
a Disziplinentwicklung zwischen Modernisierung und Ursprungsphantasien 26
b Institutionalisierung der Pädagogik als einer sinn- und einheitsstiftenden Wissenschaft (Berliner Konferenz 1917) 34
c Durchsetzung der geisteswissenschaftlichen Pädagogik im Zeichen „konservativer Revolution" 44
2 Dominanz der geisteswissenschaftlichen Pädagogik nach 1945 - Durcharbeitung, theoretischer Neubeginn? 73
a Das Regiment der „Eisheiligen", Hagiographie 73
b Reparaturen 78
Exkurs: Exodus aus der SBZ (Spranger, Litt) 97
c Integration der Heerespsychologie als „philosophische Pädagogik", Ausgrenzung der Empiriker 106
3 Institutioneller Ausbau der Disziplin und wissenschaftlicher Nachwuchs 109

II Remigration

1 Zur Remigration im pädagogisch-universitären Bereich 114
2 Provinzialisierung der Pädagogik durch die Politik der Mandarine 128
a „Unsere Aufgabe" - nichts für sozialkritische Remigranten (Fritz Borinski, Anna Siemsen) 130
b Rückkehr zu alten Strukturen aber Ein wenig Sozialpädagogik in Ehren:
Honorarprofessur für Siegmund-Schultze in Münster 135
c Disziplingeschichte verwischen (Jonas Cohn, Richard Honigswald) 144
d Erfolgreiche Emigranten, Verlust für die Disziplin. Robert Ulichs vergleichende Erziehungsgeschichte 147 - Entideologisierung und Interdisziplinarität: Paul Honigsheims Erziehungssoziologie 151
e Mittler zwischen den Kulturen oder Missionar abendländischen Geistes. Zur Korrespondenz Walter Fales' 155
f Aus der Schule geisteswissenschaftlicher Pädagogik, aber Frau: Die zögerliche Rückholung Elisabeth Blochmanns 163
3 Wissenschaftspolitischer Umgang mit Emigranten 168

III Die Lage der Akademikerinnen in Pädagogik und Psychologie nach 1945

1 Karrieremuster seit der Weimarer Republik 175
2 Erfolgschancen für Frauen im Ost-West-Vergleich 177
3 Frauenkarrieren in der Psychologie 183
a Ohne Netzwerk kein Comeback: Margarete Eberhardt in Hamburg 183
b Die verhinderte Karriere der Maria Krudewig in Köln 184
c Zufallskameren - das Freiburger Psychologische Institut 188
4 Fazit 188

Teil 2
Wissenschaftspolitik und Disziplinentwicklung an den Universitäten der Französischen Besatzungszone

I „Mission culturelle" 191

II Organisation, personelle Zuständigkeiten und Programmentwürfe der Besatzungsmacht 194

1 Aufbau und Ziele der Französischen Militärregierung 194
2 Raymond Schmittlein, , Wissenschafts- und Erziehungsminister' der Besatzungszone 196
3 Direktiven und Programmentwürfe 199

III Kampf um die Kompetenz im Bildungsbereich zwischen Paris, Baden-Baden, den Alliierten und den Länderverwaltungen bis 1949 201

IV Entnazifizierung 204

V Zur Rolle der Französischen Besatzungsmacht an den Universitäten 208
Fallstudie zur Eberhard-Karls-Universität Tübingen

I Wiedereröffnung der Universität und Berufungspolitik 212

II Entwicklung der Pädagogik bis 1945 216

III Lehrstuhl für „Historische Philosophie", dann „Philosophie und Pädagogik"

1 Eduard Sprangers Berufung auf den Lehrstuhl für „Historische Philosophie" 217
2 Spranger-Nachfolge: Otto Friedrich Bollnow 219

IV Die Situation des Faches Psychologie nach 1945

1 Ein Fall von Wiedergutmachung: Traugott Konstantin Oesterreich 222
2 Interimspsychologe Richard Kienzle 227

V Wiederbesetzung des Lehrstuhls für „Psychologie und Pägagogik" nach 1945 229

1 Umwidmung? 229
2 Pfahler-Nachfolge: Hans Wenke 230
a Vorschlagsliste Kluckhohn vom März 1946 (Stellungnahmen zu Erich Weniger, Otto Friedrich Bollnow und Hans Wenke) 230
b Sprangers Strategie 239
c Kontroverse zwischen Pädagogik und Psychologie um den ehemaligen Pfahler-Lehrstuhl 246
3 Wenke-N'achfolge: Andreas Flitner 248

VI Entnazifizierung am Beispiel Gerhard Pfahlers

1 Zur Situation an der Universität Tübingen 251
2 Die unaufhaltsame Rückholung Pfahlers in den Lehrkörper der Philosophischen Fakultät 253 Exkurs: Pfahlers politisch-wissenschaftliches Konzept 260
a Erb- und Rassenkunde 266
b Erziehung als Formation 271
3 Pfahlers Gnadengesuch von 1952 275
4 „Der Mensch und seine Vergangenheit" - Apologie im Gewand ? ,psychoanalytischer' Reflexion 279

Fallstudie zur Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

I Wiedereröffnung der Universität, Berufungspolitik 284

II Entwicklung der Erziehungswissenschaft bis 1945 286

III Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Philosophie und Erziehungswissenschaft" nach 1945 289

Historischer Exkurs zur Rolle der Caritaswissenschaft für den Aufbau der Pädagogik nach 1945 290

1 Zur Entwicklung der Psychologie an der Universität Freiburg 293
2 Der Kampf um den Lehrstuhl für „Philosophie und Erziehungswissenschaft" - Entscheidung für die Phänomenologie 294

IV Zum Umgang mit Emigranten im pädagogischen Bereich 298

1 „Wiedergutmachung" in universitärem Interesse: Eugen Fink 299
2 Tabuisierung: Jonas Cohn 301
3 Hinhaltepolitik: Josef Beeking 302

V Entnazifizierung 304

1 Zur Situation an der Freiburger Universität 304
2 Die Entnazifizierung Georg Stielers 307
a „Nutznießer" oder „Gegner" des NS? Von der Entlassung zur Emeritierung Stielers 307
b Politische Erziehung: Stielers Schriften im NS 316
c Wissenschaftliche Kontinuität nach 1945? 323

VI Fazit 327

Fallstudie zur Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

I (Wieder-)Eröffnung der Universität 328

II Berufungspolitik 331

III Institutionalisierung und wissenschaftliche Ausrichtung von Pädagogik und Philosophie 335

IV Bollnow-Nachfolge: Kulturkampf und Verlust des pädagogischen Ordinariats 344

1 Bollnows Vorschläge 345
2 Liste der Berufungskommission 347
3 Sondervotum für Albert Reble - ein disziplinärer Rettungsversuch 348
4 Die Berufung Theodor Ballauffs: eine Niederlage der Pädagogik 351

V Neubeginn im Banne konfessioneller Wissenschaftspolitik 352

Teil 3
Wissenschaftspolitik und Entwicklung der Disziplin unter französischer Verwaltung

Fallstudie zur ..Europa-Universität" des Saarlandes (Saarbrücken)

I Späte Gründung im Zeichen saarländischer Autonomiebestrebungen 355

II Berufungspolitik im Konfliktfeld zweier Kulturen 360

III Pädagogik abseits der geisteswissenschaftlichen Tradition? 364

1 Die Berufung Josef Derbolavs 364
2 Bezeichnung der Professur und „Doppelbesetzung" 367
3 Konkurrenz zwischen Kulturpädagogik und (experimenteller) Psychologie 372
4 Derbolav-Nachfolge 374

IV Fazit 379

Schlussbemerkung 381
Quellen- und Literaturverzeichnis 393

Anhang 423

Dokumente 1-4
Personenregister 429