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Normative Ordnungen  Herausgegeben von Rainer Forst und Klaus Günther
Normative Ordnungen


Herausgegeben von Rainer Forst und Klaus Günther
Suhrkamp
EAN: 9783518299425 (ISBN: 3-518-29942-5)
683 Seiten, kartoniert, 11 x 18cm, April, 2021

EUR 25,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Normative Ordnungen sind Rechtfertigungsordnungen: Sie entstehen und vergehen in dem Maße, in dem historische Narrative, Normen der Moral und des Rechts, Konventionen, religiöse Überzeugungen und politische Legitimationen sich spannungsreich zusammenfügen oder konflikthaft aueinandertreten. Allein eine Kombination aus normativer und empirischer Forschung vermag diese Dynamiken zu entschlüsseln.
Rezension
Gerät die Welt aus den Fugen? Steht der Zerfall der liberalen Weltordnung bevor, wie vielfach beschworen wird? Dass gesellschaftliche Ordnungen wie Recht, Moral, Religion, Politik und Ökonomie durch Fluidität sowie Fragilität gekennzeichnet sind, steht wohl angesichts globaler Transformationsprozesse und Krisen außer Frage. Was verbindet diese gesellschaftlichen Ordnungen noch miteinander? Anhand ihrer Institutionen und lebensweltlichen Praktiken lässt sich eine Normativität expliziter oder impliziter Natur identifizieren. Normative Ordnungen sind als historischen und sozialen Prozessen unterliegende „Rechtfertigungsordnungen“ zu begreifen. Erforscht werden diese seit 2006 an der Goethe-Universität Frankfurt am Main in dem interdisziplinären Forschungsprogramm „Normative Orders“. Eine Art „Zwischenbilanz“ des Forschungsverbunds liefert der Sammelband „Normative Ordnungen“, publiziert im Suhrkamp Verlag. Herausgegeben wird er von renommierten - an der Frankfurter Universität wirkenden - Wissenschaftlern, von Rainer Forst (*1964), Professor für Politische Theorie und Philosophie, Träger des Leibniz-Preises der DFG, sowie von Klaus Günther (*1957), Professor für Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozessrecht.
Die Beiträge des Frankfurter Forschungsprojekts stammen primär von ausgewiesenen Professor:innen verschiedenster Disziplinen, u.a. der Philosophie, der Jurisprudenz, der Politikwissenschaft und der Geschichtswissenschaft. In ihnen werden zum Beispiel folgende Fragen fundiert bearbeitet: Wie ist in pluralistischen Gesellschaften das „Verhältnis von Moralität und Sittlichkeit“(Jürgen Habermas) zu bestimmen? Besteht zwischen Recht und Sittlichkeit ein Spannungsverhältnis? Kann der Begriff „Rechtfertigung“ in der Forschungspraxis zwischen Wirklichkeit und Normativität vermitteln? Welches sind die Kriterien für die normative Richtigkeit einer Norm? Warum bedarf es gegenwärtig einer globalen Philosophie? Wie lassen sich Normen und Werte überprüfen und rechtfertigen? Kommt den Menschenrechten ein ‚relativ universeller‘ Geltungsanspruch zu? Besitzen Wissenschaften - wie zum Beispiel die altägyptische Mathematik - neben der internen normativen Ordnung auch eine externe? Basiert der Dschihadismus auf einem antipluralistischen „Rechtfertigungsnarrativ“? Dient die Trickle-Down-Theorie zur Rechtfertigung ökonomischen Wachstums? Wird durch das Social-Credit-System in China oder durch Predictive Policing in den USA eine smarte normative Ordnung etabliert? Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik, Geschichte und Politik werden durch die tiefsinnigen Beiträge des Buches motiviert, in ihrem Fachunterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt gesellschaftliche Ordnungen und ihre Rechtfertigungen zu thematisieren.
Fazit: Der interdisziplinäre Forschungsband „Normative Ordnungen“, herausgegeben von Rainer Forst und Klaus Günther, demonstriert überzeugend die Notwendigkeit und Aktualität einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit verschiedenen gesellschaftlichen Ordnungen, ihren Ambivalenzen und ihren Legitimationsproblemen.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Normative Ordnungen
Herausgegeben von Rainer Forst und Klaus Günther
Wer verstehen will, wie gesellschaftliche Ordnungen sich herausbilden, verändern, stabilisieren oder zerbrechen, muss ihr normatives Innenleben erschließen. Der Frankfurter Forschungsverbund »Normative Ordnungen« hat eine viel beachtete Methode entwickelt, die die konstitutiven Rechtfertigungen nationaler wie transnationaler Ordnungen untersucht: ihre narrative Struktur, ihre moralische, religiöse, konventionelle, politische, rechtliche Natur – oder eine Kombination davon, so spannungsreich sie auch sein mag. Auf welchen Wegen, in welchen Verfahren und Konflikten entstehen solche Rechtfertigungen? Wann schwindet ihre Kraft? Der Band präsentiert in interdisziplinärer Zusammenarbeit eine Antwort auf diese Fragen.
Inhaltsverzeichnis
Rainer Forst und Klaus Günther
Normative Ordnungen. Ein Frankfurter Forschungsprogramm 9
I. Die Ambivalenz normativer Ordnungen:
Was gilt?
Jürgen Habermas
Noch einmal: Zum Verhältnis von Moralität und Sittlichkeit 25
Axel Honneth
Recht und Sittlichkeit. Aspekte eines komplexen Wechselverhältnisses 42
Rainer Forst
Normativität und Wirklichkeit. Zu einer
kritisch-realistischen Theorie der Politik 74
Marcus Willaschek
Soziale Geltung und normative Richtigkeit. Eine
sozial-pragmatische Konzeption von Normativität 94
Christoph Menke
Zweite Natur. Zu einer kritischen Theorie der Normativität 117
Martin Saar
Immanente Normativität 139
Christopher Daase und Nicole Deitelhoff
Wenn die Geltung schwindet. Die Krise der liberalen
Weltordnung und die Herrschaftsproblematik
internationaler Politik 162
II. Die Universalität normativer Ordnungen:
Was gilt wo?
Nikita Dhawan
Die Aufklärung vor den Europäer*innen retten 191
Bernhard Jussen
Kohärenzinseln. Arbeiten an geschichtswissenschaftlichen
Versuchsaufbauten nach dem Ende des Eurozentrismus 209
Stefan Gosepath
Die Notwendigkeit globaler Philosophie 233
Matthias Lutz-Bachmann
Werte und Normen 249
Stefan Kadelbach
Die relative Universalität der Menschenrechte 278
Armin von Bogdandy, Matthias Goldmann und Ingo Venzke
Gemeinwohl im Völkerrecht. Eine Theorie internationaler
öffentlicher Gewalt 300
Jens Steffek
Vom Friedensprojekt zur Elitenverschwörung. Die Umdeutung internationalen Regierens in Zeiten des Populismus 329
III. Die Performativität normativer Ordnungen:
Wer erzählt was und wie?
Hartmut Leppin
Normative Ordnung, Exemplarität und Performanz.
Das Beispiel Rabbulas von Edessa 355
Annette Imhausen
(Natur-)Wissenschaften und normative Ordnungen. Beispiele
aus den frühesten Wissenschaften und ihrer Geschichte 375
Susanne Schröter
Dschihadismus. Politische Kontexte, theologische
Rechtfertigungen und Utopien normativer Ordnungen 405
Mamadou Diawara
»Die Piraten versuchen, ihren Kopf zu retten«.
Chronik einer Transplantation, die nicht greift 435
Angela Keppler und Martin Seel
Filmische Untersuchungen. Über die Deutung
ihres seismographischen Gehalts 465
Vinzenz Hediger
Sichtbares Unrecht. Zur normativen Kraft des Dokumentarischen 478
Rainer Klump und Pascal Wolf
Das Trickle Down-Narrativ als Rechtfertigung wirtschaftlichen Wachstums 502
IV. Die Dynamik und Fragilität normativer Ordnungen:
Wer ordnet was?
Klaus Günther
Von normativen zu smarten Ordnungen? 523
Christoph Burchard
Von der »Strafrechts«ordnung der Prädiktionsgesellschaft zur
Strafrechts»ordnung« des liberalen Rechtsstaats 553
Alexander Peukert
Die Herausbildung der normativen Ordnung
»geistiges Eigentum«. Diskurstheoretische und andere Erklärungsansätze 580
Ute Sacksofsky
Wenn Rechtfertigungen brüchig werden.
Verfassungsgerichte in der Diskriminierungsbekämpfung am Beispiel der Geschlechterordnung
vor dem Bundesverfassungsgericht 604
Sighard Neckel
Der Zerfall von Ordnungen 632
Darrel Moellendorf
Hoffnung und Gründe 648
Hinweise zu den Autorinnen und Autoren 672
Namenregister 680