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Neun Stämme Das Erbe der Indigenen und die Wurzeln der Moderne
Neun Stämme
Das Erbe der Indigenen und die Wurzeln der Moderne




Karl-Heinz Kohl

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406813504 (ISBN: 3-406-81350-X)
312 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, März, 2024

EUR 32,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Was haben Montaignes Kulturkritik und die amerikanische Demokratie, Freuds Totemismus-Theorie und Lévi-Strauss' Strukturalismus, Brücke-Maler und Surrealisten, Hippies und die Sexuelle Revolution miteinander gemein? Karl-Heinz Kohl zeigt am Beispiel von neun Stämmen, wie diese und viele andere Theorien, avantgardistische Strömungen, Emanzipations- und Protestbewegungen vom faszinierten Blick auf indigene Völker geprägt wurden. Er erklärt, wie die Indigenen sich die Faszination des Westens selbst zunutze machten und wie eng verflochten die scheinbar so gegensätzlichen Welten in der Moderne sind. Sein anschaulich und fesselnd geschriebenes Buch ist ein großer Wurf, der die Debatten über "kulturelle Aneignung" neu beleben wird.
Rezension
Tupinambá, Irokesen, Aranda, Brororo, Hopi, Dogon und Kwakwaka`wakw. Was verbindet diese indigenen Ethnien miteinander? Ihre Erforschung und ihre Rezeption haben zur Kultur und Wissenschaft der Moderne beigetragen. Man denke nur an den Südseeaufenthalt von Ludwig Kirchner und dessen Einfluss auf sein malerisches Werk oder an die Erforschung der Kwakwaka`wakw durch Claude Lévi-Strauss und ihre Bedeutung für seinen Strukturalismus.
Insgesamt neun indigene Ethnien und ihren kultur- und wissenschaftsgeschichtlichen Einfluss stellt Karl-Heinz Kohl (*1948) in seinem Buch „Neun Stämme. Das Erbe der Indigenen und die Wurzeln der Moderne“ vor. Das Fachsachbuch des Nestors deutscher Ethnologie, der von 1996 bis 2016 Direktor des Frobenius-Instituts für kulturanthropologische Forschung in Frankfurt am Main war, ist im Verlag C.H. Beck erschienen. In seinem Werk erinnert Kohl auch an den Einfluss der Irokesen auf Thomas Jeffersons und Benjamin Franklins politische Vorstellungen oder auch an die Bedeutung von Sigmund Freuds Schrift „Totem und Tabu“ für die Ethnologie. Indigene Völker faszinierten avantgardistische Strömungen und motivierten gesellschaftliche Protestbewegungen. In der Einleitung zu seinem Buch übt Kohl auch Kritik an einem verengten Begriff der „kulturellen Aneignung“. Dass sich in seinem Werk keine Abbildungen von kulturellen Artefakten indigener Völker finden, begründet er mit dem Respekt gegenüber diesen.
Im schulischen Unterricht wird die Geschichte, Kultur und der Einfluss indigener Ethnien vielfach immer noch marginalisiert. Daher verwundert es nicht, dass das Bild der Indigenen trotz Debatten um Postkolonialismus in der deutschen Öffentlichkeit noch immer von stereotypen Vorstellungen geprägt ist. Lehrkräfte der Fächer Geschichte und Bildende Kunst werden durch den Band von Kohl motiviert, sich in ihrem Fachunterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt mit indigenen Ethnien und ihrer Rezeption in Kultur, Politik und Wissenschaft problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Karl-Heinz Kohl leistet mit seinem augenöffnenden Buch „Neun Stämme“ einen wichtigen Beitrag zur historischen Aufklärung über die soziokulturelle und wissenschaftsgeschichtliche Wirkungsmächtigkeit indigenen Ethnien. Zugleich kann das Werk als eine Einführung in die Ethnologie, ihre Geschichte und ihre Forschungspraktiken gelesen werden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Kohl, Karl-Heinz
Neun Stämme
Das Erbe der Indigenen und die Wurzeln der Moderne.
Was haben Montaignes Kulturkritik und die amerikanische Demokratie, Freuds Totemismus-Theorie und Lévi-Strauss' Strukturalismus, Brücke-Maler und Surrealisten, Hippies und die Sexuelle Revolution miteinander gemein? Karl-Heinz Kohl zeigt am Beispiel von neun Stämmen, wie diese und viele andere Theorien, avantgardistische Strömungen, Emanzipations- und Protestbewegungen vom faszinierten Blick auf indigene Völker geprägt wurden. Er erklärt, wie die Indigenen sich die Faszination des Westens selbst zunutze machten und wie eng verflochten die scheinbar so gegensätzlichen Welten in der Moderne sind. Sein anschaulich und fesselnd geschriebenes Buch ist ein großer Wurf, der die Debatten über "kulturelle Aneignung" neu beleben wird.
Seit den ersten großen Entdeckungsfahrten an der Schwelle zur Neuzeit haben Berichte von fremden Ländern und Menschen die Europäer in ihren Bann geschlagen. Ihre Nacktheit hat europäische Sitten in Frage gestellt. Ihre Gesellschaftsordnungen haben Protestbewegungen beflügelt. Ihre Kunst hat die europäischen Avantgarden inspiriert. Und ethnographische Beschreibungen haben – von Friedrich Engels' materialistischer Geschichtsauffassung bis zum postkolonialen «Anthropophagismus» – zu einer Flut an Theorien geführt, die teils bis heute unser Bild vom Menschen prägen. Karl-Heinz Kohl erklärt, warum der Westen vor allem in neun Stämmen sein Alter Ego gefunden hat. Er geht den Berichten über sie nach, erzählt anschaulich, wie sie über 200 Jahre lang die europäische Kultur auf den Kopf gestellt haben, und zeigt an vielen überraschenden Beispielen, wie sich auch die indigenen Kulturen in diesem Prozess verändert haben.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 7
1 Im Land der Anthropophagen:
Die brasilianischen Tupinambá 15
2 Antike Demokratie in der Neuen Welt:
Bild und Selbstbild der Irokesen 35
3 Die Aranda Zentralaustraliens und ihr Platz
in den Ursprungsnarrativen von Kulturgeschichte,
Soziologie und Psychoanalyse 55
4 Menschen, die rote Aras sind:
Die Bororo des brasilianischen Sertão 87
5 Palau:
Das Tahiti des deutschen Expressionismus 109
6 Das Gift der Gabe:
Die Kwakwaka’wakw und der Potlatch 139
7 Im Land der Hopi:
Schlangentänze, die Kunst der Avantgarde
und Prophezeiungen vom Ende der Welt 175
8 Samoa, der Papalagi und das Ende
der sexuellen Repression 207
9 Die Dogon von Mali:
Geschichte einer Obsession 233
Dank 261
Anmerkungen 265
Personenregister 305
Register der ethnischen Gruppen 311