|
Montaigne
Philosophie in Zeiten des Krieges
Volker Reinhardt
Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406797415 (ISBN: 3-406-79741-5)
330 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, Januar, 2023
EUR 29,90 alle Angaben ohne Gewähr
|
|
Umschlagtext
Sich immer eine Hintertür offen halten, nie alles von sich preisgeben, die Dinge plötzlich von ganz anderer Seite betrachten: Volker Reinhardt erzählt das Leben des philosophischen Virtuosen Montaigne konsequent in seinem historischen Kontext, der Zeit der Bürgerkriege in Frankreich. So erhält der Parlamentsrat, Romreisende, Bürgermeister von Bordeaux und Kammeredelmann scharfe Konturen, und wir können den Philosophen in seinem Schlossturm, der mit souveräner Distanz auf sich und die Welt blickt, besser verstehen.
Rezension
Michel de Montaigne (1533-1592) gilt mit seinem „Essais“(1580) als Begründer einer neuen Textsorte, der Essayistik. 1676 wurde das Werk des Philosophen, Juristen und Politikers von der katholischen Kirche auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt und erst nach fast 300 Jahren wieder von diesem entfernt. Welche philosophischen Themen sind Gegenstand von Montaignes Werk, das zur Weltliteratur gezählt wird? War der französische Bürgerkrieg von existenzieller Bedeutung für die Genese und das Profil der Essays? Spielte die Italienreise Montaignes eine zentrale Rolle für den Werdegang des Denkers? Wie agierte Montaigne als Bürgermeister von Bordeaux? Arbeitete er bis zum Tode an den Essays?
Fachlich fundierte Antworten auf diese Fragen liefert Volker Reinhardt (*1946) in seinem neuen Buch „Montaigne. Philosophie in Zeiten des Krieges“, erschienen bei C.H. Beck. Dort wurden auch die Bücher des Professors für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg publiziert, welche ihn in der Öffentlichkeit bekannt machten, u.a. „Geschichte Italiens“(6. Aufl. 2023), „Die Renaissance in Italien. Geschichte und Kultur“(4. Aufl. 2019), „Die Macht der Schönheit. Kulturgeschichte Italiens“(4. Aufl. 2022), „Leonardo da Vinci. Das Auge der Welt“(2. Aufl. 2019), „Die Geschichte der Schweiz“(5. Aufl. 2014), „Die Macht der Seuche. Wie die große Pest die Welt veränderte“(2021) und „Voltaire. Die Abenteuer der Freiheit“(2022).
Freiheit und Freiheitsspielräume in der Frühen Neuzeit sind das Kernthema von Reinhardts (jüngsten) Arbeiten. So auch in seinem neuen Werk über Montaigne. In diesem beleuchtet er differenziert unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstands die einzelnen Rollen Montaignes im historischen Kontext. Dabei gelingt es dem mehrfach preisgekrönten Historiker, u.a. für sein Lebenswerk mit dem Preis der Kythera-Kulturstiftung, sehr gut anhand ausgewählter Zitate aus Montaigne-Essays die Aktualität seiner Reflexionen aufzuzeigen.
So trat der Philosoph für Meinungsfreiheit ein, aber nicht für eine uneingeschränkt libertäre: „Hasserfüllte Wortgefechte sollten wie andere verbale Verbrechen verboten werden. Welche Laster erwecken sie zum Leben und verstärken sie, wenn sie vom Zorn gelenkt und befohlen werden!“(zit. n. Reinhardt, S. 259), erkannte Montaigne schon Ende des 16. Jahrhunderts. Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik und Französisch werden durch die neue Biographie geradezu eingeladen, sich im Fachunterricht mit den Schriften Montaignes problemorientiert auseinanderzusetzen. Im Philosophie- und Ethikunterricht bietet es sich geradezu an, Schüler:innen ausgehend von ausgewählten Zitaten des Denkers philosophische Essays verfassen zu lassen.
Fazit: Volker Reinhardts hervorragende Biographie „Montaigne“ kann allen, die den Kosmos des Vaters der philosophischen Essayistik kennenlernen möchten, nur zur Lektüre empfohlen werden, weil diese die Aktualität des Montaigneschen Denkens aufzeigt.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Reinhardt, Volker
Montaigne
Philosophie in Zeiten des Krieges. Eine Biographie
Sich immer eine Hintertür offen halten, nie alles von sich preisgeben, die Dinge plötzlich von ganz anderer Seite betrachten: Volker Reinhardt erzählt das Leben des philosophischen Virtuosen Montaigne konsequent in seinem historischen Kontext, der Zeit der Bürgerkriege in Frankreich. So erhält der Parlamentsrat, Romreisende, Bürgermeister von Bordeaux und Kammeredelmann scharfe Konturen, und wir können den Philosophen in seinem Schlossturm, der mit souveräner Distanz auf sich und die Welt blickt, besser verstehen.
Schloss Montaigne, auf dem Höhepunkt der Bürgerkriege: Es klopft. Ein Mann wurde überfallen und begehrt eilig Einlass. Nach und nach treffen seine Begleiterein. Montaigne schöpft Verdacht: ein trickreicher Überfall! Doch er lässt alle gastfreundlich ein. Die Naivität des Schlossherrn erweicht schließlich den Anführer, der das Signal zum Abzug gibt. Der Krieg zwingt zu unkonventionellen Überlebensstrategien. Montaigne empfiehlt mit dieser Episode «Natürlichkeit» im Verhalten und zugleich kluge Verstellung. Das ist auch die Strategie seiner Essays: Ob er über Freundschaft und Ehe, gute Gespräche und Erziehung oder über seine Krankheiten, Spleens und Obsessionen schreibt, immer wirkt er ganz arglos und spielt doch mit seinen Lesern. Bisher wurde die Biographie Montaignes meist aus seinen verführerisch authentisch klingenden Schriften abgeleitet. Volker Reinhardt geht den umgekehrten Weg und macht von Montaignes Leben aus die Essays neuverständlich: als eine Überlebensphilosophie in Zeiten der Gewalt, die uns bis heute direkt anspricht.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Schreiben gegen die Gewalt
9
Erstes Kapitel
HERKUNFT UND JUGEND
1533–1548
21
Selbstbildnis als Aristokrat 22
Von Eyquem zu Montaigne 29
Experimentelle Erziehung 39
Auf dem Collège 44
Zweites Kapitel
KARRIEREHOFFNUNGEN, KARRIEREBRÜCHE
1549–1570
53
Landleben und natürliche Theologie 54
Jurist wider Willen 60
Freundschaft mit Etienne de la Boétie 71
Das Geschäft der Ehe 81
Der König und die Kannibalen 85
Der Austritt aus dem parlement 94
Abrechnung mit der Justiz 99
Drittes Kapitel
DER EDELMANN ALS SCHRIFTSTELLER
1571–1580
105
Schlossherr im Bürgerkrieg 106
Vier Widmungen, ein Ziel 111
Der Ritter mit der goldenen Kette 119
Vermittlungsarbeit zu Pferd und am Schreibtisch 125
Die Essais von 1580 I : Anleitung zum Zweifel 134
Die Essais von 1580 II : Anleitung zum Leben 141
Die Essais von 1580 III : Das Ich und die anderen 147
Die Essais von 1580 IV : Strategien des Überzeugens 151
Viertes Kapitel
DIE REISE NACH ROM
1580–1581
159
Das «Reisetagebuch» und seine Rätsel 160
Die Reise des Standesherrn 170
Der Todessprung 181
Römische Exkursionen I :
Der Mörder, der Papst und der Exorzist 186
Römische Exkursionen II :
Jüdische und christliche Riten 193
Die Zensur 198
Der Körper und seine Rechte 202
Fünftes Kapitel
BÜRGERMEISTER VON BORDEAUX
UND EHRLICHER MAKLER
1581–1588
215
Die Mühen der Politik 216
Die Wiederwahl 225
Eine untertänige Mahnung, viel Routine und
ein königlicher Besuch 230
Schreiben im Zeichen der Bedrohung 236
Im Elend 243
Auf gefahrvoller Mission 247
Die Essais von 1588 I : Entstehung und Umrisse 254
Die Essais von 1588 II : Wider den Wahn 262
Die Essais von 1588 III : Die Methode der Selbsterkenntnis 273
Die Essais von 1588 IV : Selbstbildnis als Biedermann 277
Sechstes Kapitel
RUHE UND RESIGNATION – DIE LETZTEN JAHRE
1588–1592
289
Eine Tochter im Geiste und drei illustre Todesfälle 290
Briefe an Heinrich IV. 297
Stille Tage auf Schloss Montaigne 301
Anhang
307
Zeittafel 311
Anmerkungen 315
Literatur 323
Bildnachweis 326
Personenregister 327
|
|
|