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Kinder können mehr Anders lernen in der Grundschule
Kinder können mehr
Anders lernen in der Grundschule




Fee Czisch

Verlag Antje Kunstmann GmbH
EAN: 9783888973871 (ISBN: 3-88897-387-2)
336 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 14 x 21cm, März, 2005

EUR 22,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Kinder können mehr, wenn die Schule ihre Stärken fördert, sie als Individuen wahrnimmt, ihrer Neugier Nahrung gibt.



Jedes Kind kann lernen, wenn Erwachsene - Lehrer wie Eltern - sein Bedürfnis nach Erfahrung, nach Erkenntnis der Welt ernst nehmen.



Fee Czisch hat über viele Jahre in der Grundschule ihre ganz persönliche Schulreform durchgesetzt. Ihr Buch zeigt: So kann, so soll, so muss Schule sein.




Rezension
Die für die deutschen Schülerinnen und Schüler enttäuschenden Ergebnisse der Pisa-Studie haben eine Bildungsdebatte ausgelöst, wie es sie in der Bundesrepublik Deutschland zuvor noch nicht gegeben hat. Die enorme Fülle einschlägiger Neuerscheinungen trägt diesem Umstand Rechnung. So begegnet der Unterrichtende jeder neuen Veröffentlichung zu pädagogischen Themen derzeit mit einer gewissen Skepsis, sind ihm Bildungstheorien jeglicher Couleur nicht hinlänglich bekannt? Vorweg gesagt: Das Buch „Kinder können mehr“ hat mich derart gefesselt, dass ich es nicht aus der Hand legen konnte, bevor ich es zu Ende gelesen hatte. Die Autorin Fee Czisch ist Lehrbeauftragte für Grundschulpädagogik in München, zuvor war sie mehr als 25 Jahre Lehrerin an bayerischen Grundschulen. 1968 begann sie zu unterrichten und fühlte sich in ihre eigene – ungeliebte – Schulzeit zurückversetzt: überfüllte Klassen und autoritäre Schulstrukturen. Die Aporien des – auch heute noch dominierenden – „Frontalunterrichts“ beschreibt sie treffend: „Eine/r steht vorn und hält alle Fäden in der Hand – viele sitzen aufgereiht hintereinander ... Die Front verläuft zwischen diesen beiden Seiten – und das Geschehen hat viel mit Kampf zu tun. ... Wenn Schüler ausschließlich tun müssen, was man ihnen sagt, alle im gleichen Tempo, fangen sie an zu stören. Denn sie können das nicht – und das stört.“ (32) Als sie nach fünf Jahren Mutterschaftsurlaub wieder an die Schule zurückkehrt, will sie die Rolle eines Dompteurs nicht länger ausüben und beginnt ihre Unterrichtspraxis zu ändern. Sie beschäftigt sich mit reformpädagogischen Konzepten und weitet die Unterrichtszeit für freies, selbstbestimmtes Arbeiten der Kinder kontinuierlich aus. Die Kinder entscheiden fortan selbst, wann sie rechnen, schreiben oder lesen wollen, in ihrem eigenen Rhythmus. Fee Czisch berichtet, dass sie sich nunmehr intensiv darum bemüht, die Kinder genau kennen zu lernen, zu jedem Kind ein persönliches Verhältnis aufzubauen und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Selbstständigkeit, manuelle Arbeit und gegenseitige Unterstützung werden gefördert. Großen Wert legt sie auf sinnliche Erfahrungen. Blumen lernt man besser durch Exkursionen und Studien im Park kennen als beim Ausfüllen trockener Arbeitsblätter im Klassenraum. Freier Unterricht ist vorbereitungsintensiv, von der Bereitstellung des individuellen Lernmaterials bis zur Organisation der Arbeitsabläufe. Kinder zum selbstständigen Arbeiten zu ermutigen, heißt niemals sie sich selbst zu überlassen. Grundschulkinder sind in der Regel hoch motiviert und lernbereit, sie „sind gierig auf Neues; neugierig hantieren sie mit den Dingen, nehmen mit ihren Sinnen wahr, was sie umgibt, wollen experimentieren und sich mit der Welt auseinander setzen, um sie zu begreifen.“ (39) Ihre Art der Motivation passt häufig allerdings nicht zu den Erwartungen der Schule. Im Unterricht regiert der Lehrplan, Stoff muss vermittelt werden.
Weder die Kritik der Autorin am herrschenden Schulsystem noch ihre Unterrichtsmethoden sind im eigentlichen Sinn als neu zu bezeichnen. Die Qualität dieses Buches liegt woanders. Fee Czisch beschreibt ihre eigene Unterrichtspraxis so genau und lebendig, ihre Beobachtungen und pädagogischen Reflexionen sind so treffend und präzise, in einer wohltuend klaren Sprache formuliert, dass man ihre Sätze unentwegt zitieren möchte. Ihre persönliche Haltung als Lehrerin, die Wertschätzung der Kinder und ihrer Bedürfnisse, die Leidenschaft, mit der sie ihren Beruf ausübte, wirken ansteckend auf den Leser. Ich kann dieses Buch nur allen Unterrichtenden und Studierenden als Pflichtlektüre ans Herz legen. Es macht Mut und Lust, Schule immer wieder „neu zu denken“ und zu gestalten.
Andrea Hannemann, lehrerbibliothek.de

Verlagsinfo
Kinder brauchen eine Schule, in die ich selber gern gehe, sagte sich Fee Czisch, als sie vor Jahren Grundschullehrerin wurde. Und vollzog, über zwei Jahrzehnte hinweg, ihre ganz persönliche Schulreform – mitten im real existierenden Schulsystem. Oberstes Kriterium: die Kinder. Ihre Neugier, ihre Lust auf die Welt, ihre Fragen, ihr Können. Offener Unterricht, Wochenpläne statt Lernen im Klingeltakt. Erfahrung statt Belehrung; Selbstständigkeit, Zusammenarbeit und Kommunikation statt Notendruck und früher Auslese. Im Klassenzimmer entsteht eine bunte Welt aus Pflanzen und Tieren, aus Büchern, Sofas und Regalen voller attraktiver Arbeitsmaterialien. Lernen kann eine Lust sein, wenn man keine Mühsal draus macht. Wer Kinder – ihre Bedürfnisse wie ihre Fähigkeiten – wirklich ernst nimmt, braucht nicht die große Reform von oben abzuwarten, um ihnen eine grundlegend andere Schule anzubieten. Ein Buch, das Lehrern wie Eltern Mut macht, gleich morgen damit anzufangen.

Fee Czisch wurde 1943 in Temesvar, Rumänien, geboren und wuchs im Allgäu auf. Nach dem Studium der Germanistik und an der Pädagogischen Hochschule war sie von 1968 bis 1996 Lehrerin an bayerischen Grundschulen. Daneben war Fee Czisch Vorsitzende der »Aktion Humane Schule« und leitete die Ausbildung von Schülern und Lehrern zu Streitschlichtern. Seit 2002 ist sie Lehrbeauftragte für Grundschulpädagogik und -didaktik an der LMU in München.


Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG 9

1 DIE SCHULE 13
Sein und Haben 13
Schule als Zwangsanstalt 15
Reformschulen - ein kurzer Traum 17
Die Schule der Nachkriegszeit 19
Lehrerin in einer "Lernvollzugsanstalt" 23
Kinder und Schule heute 27
Die Not des Frontalunterrichts 31

2 AUF DER SUCHE NACH ALTERNATIVEN 37
Reform im Klassenzimmer 37
Über die Lust am Lernen 39
Schule als Lebens- und Erfahrungsraum 42
Freiräume 45

3 ERSTE SCHRITTE: DIFFERENZIERUNG 49
Öffnung in alle Richtungen 49
Der Fehler - Feind oder Freund? 60
Der Wochenplan 61
Üben, üben, üben... 65
Das lebendige Klassenzimmer 66

4 MEINE QUELLEN 73
Die Laborschule 74
"Basic Needs" 76
Hirnforschung 79
Im Mittelpunkt: das Kind 81

5 DER SCHULANFANG - EIN PRÄGENDER EINSTIEG 85
Die Kinder 85
Das erste Heft 86
Die Eltern 88
Zweiter Schultag: Selbständigkeit und Verantwortung 94
Das Schulhaus 95
Meine persönliche Handschrift 97
Kinder in der Schule 101

6 FUNDAMENTE 107
DIE SPRACHE 107
Kinder lernen von Kindern 109
Wie Kinder sprechen lernen 110
Die ersten Buchstaben und Wörter 111
Kinder lernen schreiben 117
Lesen muss sich lohnen 118
Die ersten Bücher 126
Schreib los! 130

DIE ZAHLEN 135
Zahlen sind Zeichen 135
Mathematik zum Begreifen: das Montessorimaterial 139
Angewandte Mathematik: Sachaufgaben 142

7 SINNLICHE WAHRNEHMUNG - ERFAHRUNG- AUSDRUCK 145
Zuhören - Hinschauen 146
Heimat- und Sachkunde als Schulung der Wahrnehmung 148
Naturbeobachtung - Wahrnehmung in Echtzeit 151
Projektarbeit heißt: Zusammenhänge erkennen 158
Feste 168
Kinder in Bewegung 172
Fantasie und Kreativität 179
Stille 188

8 ZUSAMMEN LEBEN - GEMEINSAM LERNEN 195
Die Klasse - Heimat oder Bastion? 195
Der volle Rucksack: Was Kinder mitbringen 198
Spielen = Lernen = Spielen 201
Teamarbeit 206
Konflikte, Streit und Schlichtung 208

9 METHODEN UND ERWÜNSCHTE FOLGEN 217
Alle sind anders 217
Ein Beispiel aus der Praxis 226
Das ganze Kind 231
Lerntypen und individuelle Strategien 233
Die Person der Lehrerin 237
Schulung der Gefühle 243
Regeln 253
Leistung und Kontrolle 266
Plädoyer für einen anderen Leistungsbegriff 288

10 ÜBER DIE ACHTSAMKEIT 297
Vertrauen macht stark 299
Langmut und Ausdauer 302
Erkennen und anerkennen 303
Das Beste für jedes Kind 306
Außenseiter 308
Kleine und große Freiheiten 313
Fürsorge 314
Alles hat seine Zeit 316
Zivilcourage 318

SCHLUSS 321
Über die Ausbildung von Lehrerinnen 321
Die Poesie der Schule 325

ANMERKUNGEN 330
LITERATUR 333