Eine unverbrauchte Formulierung: »den Glauben ins Spiel bringen«. Was gibt sie her im religionspädagogischen Vermittlungsgeschäft? Manche sehen darin eine allzu saloppe Formel für das, was ChristInnen und Christen bewegt, die ihren Glauben bezeugen und andere darin anregen wollen. Unsere geläufigen Begriffe wie Glaubensweitergabe, Glaubensvermittlung, neuerdings Glaubensaneignung haben freilich auch ihre Schlagseiten, wenn sie mit der semantischen Feinwaage geprüft werden. Dennoch haben sie Klärungen erbracht, auf die wir nicht verzichten können.
In der Absicht Punkte zu sammeln für »ins Spiel bringen« fällt mir auf, dass diese Formulierung nicht von einem unpersönlichen Organisationsproblem (»Weitergabe«) ausgeht. Sie schlägt sich auch nicht einfach auf die Seite der Adressaten (»Aneignung«) oder sieht den Vorgang kontextlos zentriert (»Vermittlung«). Der bezeugende Bote ist vielmehr Teilnehmer an einem gemeinsamen Geschehen. Die Formel belichtet sodann den Moment einer Initiative in der Handlungssituation, ähnlich dem »proposer la foi«, wie es die französischen Bischöfe unlängst ausgedrück haben. Und sie geht von der Freiheit der »Mitspieler« aus und wahrt eine freilassende Konnotation.
Auf der Jahrestagung des DKV im Herbst 1999, die die inhaltliche Basis des ersten Themenschwerpunkts dieses Heftes bildet, hat Helga Kohler-Spiegel diese Sicht ihren religionspädagogischen Überlegungen zugrunde gelegt, wenn sie ansetzt, dass Gott »in der Lebenwelt im Spiel ist und zugleich ins Spiel gebracht werden muss« (81). In seiner Mentalitätsanalyse aus den ostdeutschen Ländern legt Eberhard Tiefensee eine verschärfte, religionsdesinteressierte Verkündigungssituation frei, die sorgsam zu bedenken auch wir gut beraten sind. Und von ganz verschiedenen Seiten her, mit nahezu gegensätzlichen Ansätzen, zeigen Reinhard Hauke und Manfred Lay, wie im Westen und Osten unseres Landes Initiativen zu neuen Glaubensbegegnungen ins Spiel gebracht werden.
Im zweiten Themenschwerpunkt, »Sexualität«, bevorzugen die Autoren durchwegs indirekte Zugänge. Weil sie sich nicht an den Sprengstoff heran wagen, der im Umkreis Kirche und Sexualität immer noch offen zu Tage liegt? Ich neige dazu, ihr Vorgehen als didaktisch ergiebiger anzusehen als direkte Konfrontationen aufLehrerund Schülerseite um Moral, Lehramt, Kasuistik. Hans Kramer hingegen stellt das neue Dokument der bischöflichen Jugendkommission zur Sexualpädagogik kritisch in die Linie »Synodenbeschluss Jugendarbeit« und »Ordenspapier«.
Wilhelm Albrecht
Inhaltsverzeichnis
Glauben
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78 Am rechten Ort zur rechten Zeit
Helga Kohler-Spiegel
88 Religiös unmusikalisch?
Eberhard Tiefensee
96 Religionsunterricht für Ungetaufte
Reinhard Hauke
99 Kirche und Internet
ManfredLay
102 Liebling frommer Frauen: Der Wienhauser Christus Günter Lange
Sexualität
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112 Der Engel der Homosexuellen
August Heuser
116 Freddie Mercurys Abschiedsgeschenk: »Made in Heaven«
Uwe Böhm / Gerd Buschmann
120 Jesus nackt: verworfen, vermenschlicht, verklärt
Günter Lange
125 Thema Nummer eins: Liebe
Albin Muff
131 Einige Fragen zu Sexualität und Sexualpädagogik
Hans Kramer
Forschung
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137 Dokumentation religionspädagogischer Promotions- und Habilitationsvorhaben
Ehrenfried Schulz
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76 Zeichen sprühen: Darf ich was hierher schreiben?
Rudolf Seitz
83 Bildserie: Nacktheit (sowie 85, 95, 105, 117, 121, 123, 124 und Editorial)
108 Fest im Kalender: Holi - Frühlingsfest in Indien
Gertrud Wagemann
110 Gefunden und notiert
133 Kat131 im Urteil der LeserInnen
134 Zurückgeblättert - 125 Jahre KatBl
Reinhard Göllner
(in den KatBl aus Platzgründen gekürzt)