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Karl Kraus Der Widersprecher
Karl Kraus
Der Widersprecher




Jens Malte Fischer

Deutscher Taschenbuch Verlag
EAN: 9783423350440 (ISBN: 3-423-35044-X)
1104 Seiten, kartoniert, 13 x 21cm, November, 2021

EUR 25,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
„Eine fulminante Biographie.“

Neue Zürcher Zeitung

Im Alter von 24 Jahren gründet er ›Die Fackel‹, die er von 1911 bis 1936 ganz allein schreibt, die ›Letzten Tage der Menschheit‹ werden zur radikalen Abrechnung mit dem Weltkrieg, die ›Dritte Walpurgisnacht‹ nimmt es auf mit der Hitlerei. Karl Kraus, geboren 1874 im böhmischen Jičín, gestorben 1936 in Wien, war einer der größten Satiriker der Weltliteratur, Sprachmystiker und zugleich Sprachkritiker, vor allem der Sprache der Presse, darin auch früher Medienanalytiker, er war Lyriker, Dramatiker, Aphoristiker und Vortragskünstler. Jens Malte Fischer holt ihn mit der ersten großen Biografie in die Gegenwart und zeigt Persönlichkeit und Werk, freund- und Feindschaften eines einzigartigen Schriftstellers.

„Jens Malte Fischer würdigt in seiner umfassenden Biografie einen streitbaren, auch polemischen Intellektuellen und Sprachkritiker, dessen Widersprüche auch die Widersprüche seiner Zeit waren. Fischer entfaltet das Panorama einer Epoche, deren Themen tief in die Gegenwart reichen“

Jury Bayerischer Buchpreis 2020

„‘Der Widersprecher‘ ist schon jetzt nicht ein, sondern das Standardwerk, das sehr lange unübertroffen bleiben wird.“

Daniel Kehlmann in DIE ZEIT
Rezension
„Das geschriebene Wort sei die naturnotwendige Verkörperung eines Gedankens und nicht die gesellschaftsfähige Hülle einer Meinung.“, lautet einer der bekanntesten Aphorismen von Karl Kraus (1874-1936). Der österreichische Journalist, Satiriker und Dramatiker gilt als der Sprachkritiker unter den Schriftsteller:innen. So verfolgte Kraus mit der von ihm 1899 herausgegebenen, 37 Jahrgänge und mehr als 21000 Seiten im Kleinoktav-Format umfassenden Zeitschrift „Die Fackel“, deren Beiträge ab 1912 ausschließlich von ihm selbst stammten, genau ein Ziel, nämlich „die Trockenlegung des Phrasensumpfes“. „Verantwortung der Wortwahl“ verlangte er in seinem Essay „Die Sprache“ aus dem Jahre 1932. Dort findet sich auch seine programmatische Forderung: „Der Mensch lerne, ihr [der Sprache] zu dienen!“ Beißende Kultur- und Gesellschaftskritik übte der überzeugte Pazifist auch an der Klassenjustiz, an verlogener Sexualmoral, am Antisemitismus und am Militarismus, insbesondere in seinem dramatischen Hauptwerk „Die letzten Tage der Menschheit“(1922), einem schonungslosen Panorama des Ersten Weltkriegs. Kraus war zudem einer der ersten, der 1933 in seinem Werk „Dritte Walpurgisnacht“ vor den Gefahren des Nationalsozialismus warnte, welches aber erst 1952 posthum publiziert wurde. Die Sprach- und Medienkritik von Kraus besitzt in postfaktischen Zeiten und des Erstarkens von rechtspopulistischen und -extremistischen Strömungen, die durch ihre homophobe Sprache geistige Brandstiftung betreiben, besondere Aktualität.
Umso verdienstvoller ist es, dass Jens Malte Fischer (*1943) mit seiner biographischen Würdigung „Karl Kraus. Der Widersprecher“ das Leben und das Œuvre des Schriftstellers in Erinnerung ruft. Die 1100 Seiten umfassende Biographie erschien 2020 zuerst als Hardcover im Paul Zsolnay Verlag und wurde 2021 bei dtv als Taschenbuch publiziert. Der ehemalige Professor für Theaterwissenschaft an der LMU München hat sich schon in seiner Dissertation „‘Theater der Dichtung‘ und Kulturkonservatismus“(1973) intensiv mit dem österreichischen Literaten auseinandergesetzt. Ein Jahr später erschien von ihm die Einführung „Karl Kraus“. Dass Fischer ein exzellenter Kenner des Gesamtwerks von und der Forschungsliteratur zu Kraus ist, zeigt sich in jedem seiner Buchkapitel. So beleuchtet er u.a. differenziert Kraus` Verhältnis zum Judentum und zu Sigmund Freud, dessen Beziehung zur Sozialdemokratie und Rezeption seiner Werke bis hin zu Jonathan Franzens Kraus-Projekt. Die vorliegende Biographie zeichnet sich zudem durch historische Kontextualisierung und gute Verständlichkeit aus.
Fischer kann differenziert aufzeigen, wie Kraus in seinen Artikeln, Glossen, Polemiken, Satiren und Aphorismen insbesondere die bürgerliche Presse seiner Zeit und den Hetzjournalismus geißelte. Um die Verfehlungen und den Niveauverfall von Medien beispielsweise der „Neuen Freien Presse“ aufzudecken, scheute er auch nicht davor zurück, dieser Zeitungsenten, genauer „Grubenhunde“ unterzujubeln. Gerade in der heutigen Zeit wäre ein Journalismus zu stärken, der Fake News, Pauschalisierungen und Hetze gegen die Demokratie aufdeckt sowie die politische Urteilskraft seiner Leser:innen fördert. Deutsch-Lehrkräfte werden durch die vorliegende Biographie geradezu eingeladen, in ihrem Unterricht die Werke von Kraus zu würdigen, beispielsweise durch die Auseinandersetzung mit seinen Sprachreflexionen und seinem Plädoyer für Wahrhaftigkeit oder durch die Nutzung seiner Zitate als produktive Schreibanlässe.
Fazit: Mit seiner monumentalen Biographie „Karl Kraus. Der Widersprecher“ hat Jens Malte Fischer ein Standardwerk zu dem engagierten Schriftsteller vorgelegt, dessen Sprach- und Medienkritik angesichts aktueller medialer und politischer Entwicklungen verdient, wieder gelesen und rezipiert zu werden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
»Eine fulminante Biografie.« Neue Zürcher Zeitung
Karl Kraus
Im Alter von 24 Jahren gründet er ›Die Fackel‹, die er von 1911 bis 1936 ganz allein schreibt, die ›Letzten Tage der Menschheit‹ werden zur radikalen Abrechnung mit dem Weltkrieg, die ›Dritte Walpurgisnacht‹ nimmt es auf mit der Hitlerei. Kraus, geboren 1874 im böhmischen Jičín, gestorben 1936 in Wien: Für die einen war er Gott, für andere der leibhaftige Gottseibeiuns. Sein Name ist legendär geblieben, doch wofür er stand, das verblasst mehr und mehr. Jens Malte Fischer holt ihn mit der ersten großen Biografie seit Jahrzehnten in die Gegenwart. Persönlichkeit und Werk, Freund- und Feindschaften, Sprüche und Widersprüche zeigen einen der größten Schriftsteller in seiner Zeit und darüber hinaus.
Inhaltsverzeichnis
I KARL KRAUS WOHNT 17
II KINDHEIT, FAMILIE JUGEND
Herkunft 24
Der Schüler Carl 39
Der jugendliche Theatromane
und das alte Burgtheater 45
III LEBENSWELT,ZEITHINTERGRUND, KONTEXT
Lebenswelt 54
Wien am Ende des 19. Jahrhunderts 55
Situationen und Reaktionen 56
Wiener Kultur um 1900 59
IV DERCAUSEUR UNDCHRONIQUEUR-
DIE JOURNALISTISCHEN ANFÄNGE 63
V DIE GRÜNDUNG DER FACKEL, POLITIK, KONSERVATIVISMUS
Die Gründung der Fackel 73
Das »Erwachen des politischen Gefühls«.
Die Konstituierung des politischen Karl Kraus 80
Kraus, der Konservative 85
Fortschrittskritik 92
VI SITTLICHKEIT UND KRIMINALITÄT
Geschlecht und Moral 104
August Strindberg 106
Otto Weininger 112
Frank Wedekind 122
Kraus Vorrede zur Büchse der Pandora 133
Sittlichkeit und Kriminalität 139
VII KRAUS UND DIE FRAUEN
Annie Kalmar 149
Irma Karczewska 157
Mechtilde Lichnowsky 162
VIII KRAUS UND DAS JUDENTUM
Die Gesinnung der Canaille.
Zur Genese des österreichischen Antisemitismus 170
Identifikation mit dem Aggressor?
Zur Problematik des »jüdischen Selbsthasses« um 1900 174
Kraus und das Judentum 178
Kraus und der Zionismus 178
Die Dreyfus-Affäre 182
Über Dreyfus hinaus 188
Kraus und der »jüdische Selbsthass« 194
IX POLEMIK UND SATIRE
Heine gegen Platen gegen Heine 206
Polemik 208
Kraus gegen Maximilian Harden 212
Satire 220
X DER UNTERGANG DER WELT DURCH SCHWARZE MAGIE.
KRAUS, DIE PRESSE UND DIE PHRASE
Im Anfang war die Presse 234
Die »Neue Freie Presse« 239
Moriz Benedikt 259
Phrase 267
XI DER ERSTE WELTKRIEG, DIE SCHRIFTSTELLER,
DIE INTELLEKTUELLEN UND DIE FACKEL
Gewalt und Krieg 279
Die Schriftsteller und der Krieg 280
Der Krieg und die Intellektuellen 284
Das »technoromantische Abenteuer«.
Der Erste Weltkrieg im Widerschein der Fackel 290
XII DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT
Vorbemerkung 301
Die Entstehung 305
Ein Blick auf ein großes Werk 307
Daten und Fakten der Entstehung
und der Editionen 320
Aufführungsgeschichte 321
XIII AUS DER »LIEBESTODESANGST«.
SIDONIE NÄDHERNf VON BORUTIN
Briefe kommen ans Licht 325
Sidonie 326
Die Liebenden 334
Wirrungen und Irrungen 338
Ansprüche und Zumutungen 346
Danach 353
XIV URSPRUNG
Traditionen der Ursprungsvorstellungen 356
Kraus und die Idee des Ursprungs 358
XV »BIN EPIGONE, AHNENSWERTES AHNER«.
BEWAH RU NG ALS AU FGABE 368
XVI DER LYRIKER 375
XVII AFFE ODER DALAI LAMA?
KRAUS UND SEINE GEGNER
Angriffe 392
Fritz Wittels 393
Robert Müller 395
Anton Kuh 398
Und so fort 402
XVIII BEKANNTE GESICHTER-GEMISCHTE GEFÜHLE
Hugo von Hofmannsthal 405
Arthur Schnitzler 411
Rainer Maria Rilke 416
Franz Werfel 421
Franz Kafka 425
XIX DIE FREUNDE, DIE VERTRAUTEN, DIE KREISE,
DIE KONNEXIONEN
Begabung zur Freundschaft 437
Peter Altenberg 439
Adolf Loos 443
Die Anderen 455
XX KRAUS, FREUD UND DIE PSYCHOANALYSE 496
XXI THEATER
Das alte und das neue Burgtheater 514
Max Reinhardt 523
Das Theater der Dichtung 533
Die Stimme 541
XXII DIE DRAMEN
»Literatur oder Man wird doch da sehen.
Magische Operette in zwei Teilen« 547
»Traumstück« 553
»Wölkenkuckucksheim. Phantastisches Versspiel
in drei Akten« 556
»Traumtheater« 561
»Die Unüberwindlichen. Nachkriegsdrama
in vier Akten« 562
XXIII MUSIK
Der unmusikalische Kraus 571
Die jungen Wiener Komponisten
als Kraus-Enthusiasten 574
XXIV AUS DER NÄHE
Die Erscheinung 590
Tagesablauf und »Alltag« 592
Der Schreibprozess 600
Lektüre 602
Tiere und Pflanzen 607
XXV DIE ZWANZIGER JAHRE
Der Kontext 612
Nach den letzten Tagen der Menschheit 618
Trübungen und neue Schatten 631
Reklamefahrten zur Hölle 635
Die frühen zwanziger Jahre: Enttäuschungen
und Distanzierungen 642
Konfessionelle Irritationen 646
Die großen Polemiken der zwanziger Jahre 652
Frankreich und der Nobelpreis 696
XXVI KRAUS UND DIE SOZIALDEMOKRATIE 703
XXVII KRAUS UND BERLIN
Die frühe Phase: Kraus, die Aktion
und der Sturm 725
Franz Pfemfert 726
Herwarth Walden 729
Die späte Phase: Kraus und Brecht 736
XXVIII DER BEGINN DER DREISSIGERJAHRE:
VERDÜSTERUNG
Per astra ad aspera 744
Lichtblicke 748
Noch düsterer 753
Der Angegriffene und Geschmähte 758
Erneute Aufhellung 760
Sprechen wir über Publikum,
Bücher und Geld 764
XXIX ANNUS HORRIBILIS: 1933 773
XXX HITLER, DOLLFUSS, DRITTE WALPURGISNACHT
Sehnsucht nach dem starken Mann 779
Der zeitgeschichtliche Kontext 786
Kraus’ Weg zu Dollfuß 801
»Dritte Walpurgisnacht«. Präliminarien,
Entstehung, Kontext, Analyse 808
XXXI ANNUSTERRIBILIS: 1934
Voraussetzungen 840
Der Februar 1934 845
Reaktionen auf die Februarkämpfe 850
Kraus und der Februar 1934 855
Der 60. Geburtstag 860
Der Putschversuch vom 25. Juli 1934 864
»Warum die Fackel nicht erscheint«.
Das Heft 890-905 867
Die Reaktionen 877
XXXII KRAUS, SHAKESPEARE UND DIE WELTDUMMHEIT 882
XXXIII JOHANN NESTROY 894
XXXIV OFFENBACH-RENAISSANCE 905
XXXV APHORISMUS,ZITAT,SPRACHDENKEN.
MIT EINEM EXKURS ÜBER HEINE UND DIE FOLGEN
Aphorismus 920
Zitat 927
Sprache 937
XXXVI »ES IST ETWAS NICHT GEH EU ER!«
DEM ENDEZU
Der Körper, die Krankheit 959
Das Verglimmen der Fackel
und der Vorlesungen 965
Das Ende 975
XXXVII DAS NACHLEBEN
Das Testament 984
Die Trauerfeier 988
Die Gedenkstätte 991
Der Nachlass 992
Das Buch des Gedenkens 995
Die Karl-Kraus-Gesellschaft 996
Die Nachwelt 998
Der Kritiker der Massenmedien 1003
ANMERKUNGEN 1011
BILD-UND TEXTNACHWEIS 1039
CHRONIK 1040
SIGLENVERZEICHNIS 1063
BIBLIOGRAFIE 1064
DANK 1083
PERSONENREGISTER 108