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Joseph Süßkind Oppenheimer Ein Justizmord
Joseph Süßkind Oppenheimer
Ein Justizmord




Raquel Erdtmann

Steidl
EAN: 9783969993262 (ISBN: 3-9699932-6-1)
272 Seiten, hardcover, 13 x 21cm, April, 2024

EUR 24,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Es ist ein Spektakel, als Joseph Süßkind Oppenheimer, ehemaliger Finanzrat des Herzogs von Württemberg, 1738 hingerichtet wird. In Stuttgart herrschen volksfestartige Zustände, Bier und Wein werden ausgeschenkt, Schmähschriften und Spottgedichte verteilt. Zwölf Meter hoch ist der Galgen, an dessen Ende Oppenheimer in einem eigens für diesen Zweck angefertigten Käfig sechs Jahre lang zur Schau gestellt wird – um allen zu zeigen, was sie erwartet, wenn sie sich außerhalb der ihnen auferlegten gesellschaftlichen Grenzen bewegen.

Die Gerichtsreporterin Raquel Erdtmann rollt diesen Justizmord ganz neu auf: Auf Grundlage der Prozessakten erzählt sie von der historischen Person Joseph Oppenheimer, lange bevor er als „Jud Süß“ zur literarischen Figur bei Wilhelm Hauff und Lion Feuchtwanger und schließlich zum antisemitischen Zerrbild im Propagandafilm von Veit Harlan wurde – und entwirft gleichzeitig ein aufschlussreiches Porträt des jüdischen Lebens im Deutschland des 18. Jahrhunderts.

„Souverän bringt sie historische Quellen und ihren eigenen Tonfall, der klar und manchmal auch wunderbar ist, zusammen.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Rezension
Den Namen „Joseph Süßkind Oppenheimer“ bringt man in Verbindung mit literarischen Werken wie Wilhelm Hauffs Novelle und Lion Feuchtwangers Roman „Jud Süß“, aber auch mit dem nationalsozialistischen Propagandafilm von Veit Harlan. Joseph Süskind Oppenheimer (1697 oder 1698 bis 1738) war der Finanz- und Wirtschaftsberater von Carl Alexander, dem Herzog von Württemberg. Nach dessen Tode wurde Oppenheimer verhaftet, in einem elfmonatigen Schauprozess zum Tode verurteilt und an einem zwölf Meter hohen Galgen erhängt. Danach wurde das Eigentum des Toten konfisziert, sein Leichnam sechs Jahre lange in einem Käfig zur Schau gestellt und seinen Angehörigen die Kosten für den Prozess und die Leichnamspräsentation in Rechnung gestellt – die letzte Rechnung kam 30 Jahre nach dem Tode. Der Prozess gegen Joseph Süßkind Oppenheimer, seine Ermordung und die Zurschaustellung seines Leichnams sind ein historisch dokumentierter Beleg für den in Württemberg im 18. Jahrhundert grassierenden institutionellen und in der Bevölkerung verbreiteten Antisemitismus. Die Praktiken des württembergischen Herzogtums erinnern an die Praktiken der Nationalsozialisten.
Wie verlief der Prozess genau? Welche fingierten Vorwürfe wurden gegen Joseph Süßkind Oppenheimer erhoben? Wer waren die Hauptverantwortlichen seine Verurteilung und Ermordung? Um diese Fragen historisch angemessen zu beantworten, ist eine Sichtung der acht Meter umfassenden Prozessakten notwendig. Das hat Raquel Erdtmann für ihre Darstellung „Joseph Süßkind Oppenheimer. Ein Justizmord“ getan. Erschienen ist das Werk, welches zwischen Gerichtsreportage und Biographie changiert, im Steidl Verlag. Der Gerichtsreporterin und Autorin gelingt in ihrem Buch eine quellengesättigte hervorragende historische Rekonstruktion des Prozesses. Zugleich gibt Erdtmann durch ihr Werk Joseph Süßkind Oppenheimer posthum sein Würde zurück, die man ihm im 18. Jahrhundert genommen hat. Lehrkräfte des Faches Geschichte werden durch den vorliegenden Band motiviert, sich in ihrem Fachunterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt mit dem Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart auseinanderzusetzen.
Fazit: Raquel Erdtmann leistet mit ihrem Buch „Joseph Süßkind Oppenheimer“ einen wichtigen Beitrag zur Dekonstruktion historisch wirkungsmächtiger antisemitischer Mythen.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Nur wenige Stunden nachdem der württembergische Regent Carl Alexander 1737 ganz plötzlich verstirbt, wird sein Geheimer Finanzrat Joseph Süßkind Oppenheimer verhaftet. Die Anklage: Landesverrat. Die Behörden haben Mühe, Belege für Vergehen zu finden, der Prozess zieht sich elf Monate in die Länge, endet aber unumstößlich mit dem Todesurteil. Schon zu Beginn des Prozesses ist die Versteigerung von Oppenheimers Hausrat in vollem Gange: Die besten Schmuckstücke sichert sich der Staat, die schönsten Kleider seiner Geliebten Luciana bringen die ehrbaren Stuttgarter Damen an sich. Aus dem stolzen, selbstbewussten Mann, der an ein rechtsstaatliches Verfahren glaubt, wird in der Haft zunehmend ein Getriebener, der verzweifelt um sein Leben kämpft.
Raquel Erdtmann hat für ihre historische Spurensuche acht Meter Archivbestand akribisch durchgesehen und nimmt uns mit in die deutsch-jüdische Vergangenheit. Sie erzählt die Geschichte des Schauprozesses um Joseph Süßkind Oppenheimer so spannend und berührend, dass einem der Atem stockt. Sie erzählt aber auch, wer der Mensch Joseph Oppenheimer war, bevor er zur literarischen Figur bei Lion Feuchtwanger und zum propagandistischen Feindbild der Nazis wurde. Und wie nebenbei leuchtet sie kenntnisreich das Leben der deutschen Jüdinnen und Juden im 18. Jahrhundert aus.