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John F. Kennedy: 100 Fragen - 100 Antworten Der Präsident, der Mythos, der Mord
John F. Kennedy: 100 Fragen - 100 Antworten
Der Präsident, der Mythos, der Mord




Ronald D. Gerste

Klett-Cotta
EAN: 9783608947731 (ISBN: 3-608-94773-6)
272 Seiten, paperback, 13 x 21cm, 2013, Klappenbroschur

EUR 16,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
50 Jahre nach den Schüssen von Dallas: »JFK« fasziniert noch immer – sein Charisma, seine Epoche, seine Geheimnisse

Die wichtigsten Stationen einer ereignis­reichen, teilweise dramatischen Präsidentschaft: Mythen und Schattenseiten in Kennedys ­Leben auf einen Blick

Tausend Tage, wie sie die Welt noch nicht erlebt hatte: ein junger Präsident inspiriert eine ganze Generation. Eine Präsidentschaft zwischen bedrohlichen Krisen und ungeahnter Aufbruchstimmung, ein Leben in scheinbarer Idylle und mit dunkelsten Schatten. Und dann: 22. November 1963 – der nie restlos geklärte Tag von Dallas.

Was machte das Charisma dieses Mannes aus? Warum veränderte sich Amerika – und mit ihm die Welt – in jenen tausend Tagen seiner Präsidentschaft so grundlegend? Das ­Familienidyll mit Jacky und den Kindern – war es echt oder alles nur schöner Schein? Warum hatte dieser so gewinnende Staatsmann eine so verheerende private Schwäche – seine Sexsucht? Was war mit Marilyn Monroe? Wäre im ­Oktober 1962 ein anderer Präsident gewesen, hätte die Welt die ­Kubakrise überleben können? Was geschah wirklich am 22. November 1963? Das Leben und die Präsidentschaft des John F. Kennedy fasziniert – gerade wegen der Widersprüchlichkeit, wegen der Brüche in Biografie und Charakter. Und weil die frühen 1960er Jahre, die Zeit des »JFK«, die Welt bis heute prägen.

Dr. phil., Dr. med. Ronald D. Gerste, geb. 1957 in Magdeburg, ist Arzt und Historiker. Er lebt heute als Buchautor und Wissenschafts­korrespondent in Washington D.C. Er schreibt u. a. für die »FAZ«, »Neue Zürcher Zeitung« und »DIE ZEIT«.
Rezension
22. November 1963 – auch 50 Jahre später ist das mysteriöse Attentat auf den U.S.-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy (JFK) keineswegs aufgeklärt; im Gegenteil: immer mehr Zweifel, Gerüchte, dubiose Verschwörungstheorien und beabsichtigte Verhüllungen sind offenbar geworden und tauchen nicht nur den Tod sondern auch die (vergleichsweise kurze) Präsidentschaft und Biographie des jungen, charismatischen Präsidenten inmitten schwieriger Zeitläufte wie der Kuba-Krise in ein obskures Licht. Das hier anzuzeigende Buch sucht ein wenig Licht in das dunkle Durcheinander zu bringen, trennt das bisher sicher Gewußte von Zweifelhaftem und leuchtet die gesamte öffentliche wie private Biographie J.F. Kennedys, seiner Familie und seiner politischen Karriere weitestmöglich aus, um zwischen Mythos und Realität bestmöglich zu unterscheiden - in 100 Fragen und 100 Antworten.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die wichtigsten Stationen einer ereignis­reichen, teilweise dramatischen Präsidentschaft: Mythen und Schattenseiten in Kennedys ­Leben auf einen Blick

Tausend Tage, wie sie die Welt noch nicht erlebt hatte: ein junger Präsident inspiriert eine ganze Generation. Eine Präsidentschaft zwischen bedrohlichen Krisen und ungeahnter Aufbruchstimmung, ein Leben in scheinbarer Idylle und mit dunkelsten Schatten. Und dann: 22. November 1963 – der nie restlos geklärte Tag von Dallas.
Inhaltsverzeichnis
Prolog: Dallas, ein Tag im November 13

I. »Wir wollen hier keine Loser – ein Kennedy sein, heißt Sieger sein!«

1. Wo hatte die Familie Kennedy ihre Wurzeln? 19
2. Wer waren John F. Kennedys Eltern? 21
3. In welche Zeit wurde JFK hineingeboren? 24
4. In welchem familiären Umfeld wuchs JFK heran? 26
5. Wie verlief JFKs Schulzeit? 28
6. Welche Werte vermittelten Joe und Rose Kennedy ihren Kindern? 30
7. Welches Verhältnis hatte »Jack« zu seinen Geschwistern? 32
8. Hatte JFK eine unbeschwerte Kindheit und Jugend? 35

II. Wilde Jugend – und plötzlich ein Kriegsheld (ca. 1930 – 1946)

9. Welche Neigung zeigte sich bereits beim jungen Kennedy? 39
10. An welchen Universitäten studierte JFK? 41
11. Welchen Eindruck von Deutschland gewann JFK auf seiner Europareise 1937? 42
12. Worin gründete das Ansehen der Kennedy-Familie? 44
13. Durch welche Leistung wurde JFK einer breiten Öffentlichkeit bekannt? 48
14. Weshalb ließ der Chef des FBI, J. Edgar Hoover, JFK bespitzeln? 50
15. Wodurch wurde JFK zum »Kriegshelden«? 53
16. Welche Folgen hatte JFKs Kriegserlebnis im Südpazifi k für die Familie Kennedy? 55

III. »Der fröhlichste junge Senator von ganz Washington« (1946 – 1956)

17. Wie begann die politische Karriere JFKs? 57
18. Welchen Eindruck hinterließ JFK als junger Kongressabgeordneter? 59
19. War der aufstrebende Politstar Kennedy so vital, wie er sich häufig präsentierte? 61
20. Was bewog Kennedy, 1952 für den Senat zu kandidieren? 65
21. Jacqueline Bouvier – JFKs große Liebe? 67
22. Wie gestaltete sich die Hochzeitsfeier von Jackie und John? 69
23. War die Kennedy-Ehe glücklich? 71
24. Was steigerte noch den Bekanntheitsgrad von JFK? 73

IV. Der lange Weg ins Weiße Haus (1956 – 1960)

25. Welche Erfahrungen machte JFK bei seinem ersten Versuch, ein hohes Staatsamt zu erlangen? 77
26. Welches persönliche Ereignis berührte JFK ganz besonders? 81
27. Wie kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen JFK und seinem Bruder Robert? 82
28. Was war das Neue an Kennedys Präsidentschaftskandidatur? 83
29. Welche überraschende Entscheidung traf JFK auf dem Wahlparteitag 1960? 87
30. Worin unterschied sich der Wahlkampf von 1960 von früheren Präsidentschaftswahlen? 89
31. Welche Rolle spielte Kennedys Religion im Wahlkampf 1960? 97
32. Wie war der Wahlverlauf 1960? 99
33. Was gefährdete noch die Präsidentschaft von JFK? 101

V. »Die Fackel ist an eine neue Generation weitergegeben worden« (1961)

34. Wie verlief der Amtsantritt JFKs? 103
35. Warum wurden JFKs engste Mitarbeiter »the best and the brightest« genannt? 105
36. Welche Rolle sollte JFKs Bruder Robert in der neuen Regierung übernehmen? 107
37. Welche Organisation gründete Kennedy gleich zu Beginn seiner Amtszeit? 109
38. Wie schaffte es JFK, Millionen von Amerikanern in seinen Bann zu ziehen? 110
39. Wo sah JFK als neuer Präsident seine größten politischen Herausforderungen? 111
40. Welchen ersten schweren Rückschlag musste JFK im Amt erleiden? 113
41. Welche Mittel gegen Castro wurden nach dem Schweinebucht-Desaster ergriffen? 118
42. War Kennedy ein »Kalter Krieger«? 120
43. Wie verlief das erste – und einzige – Gipfeltreffen mit Chruschtschow? 123
44. Wie reagierte Kennedy auf den Mauerbau in Berlin im August 1961? 126
45. Welche einfl ussreiche Stimme verstummte Ende 1961? 127

VI. Der Griff nach den Sternen und der Kampf um die Bürgerrechte (1961 – 1963)

46. Auf welches visionäre Ziel verpfl ichtete JFK die Vereinigten Staaten? 129
47. Welchen ersten Erfolg der amerikanischen Raumfahrt durfte JFK miterleben? 131
48. Welchen deutschen Raumfahrtpionier schätzte Kennedy besonders? 133
49. Wie stand John F. Kennedy zur Bürgerrechtsbewegung im ersten Jahr seiner Amtszeit? 134
50. Was bewegte JFK dazu, die Anliegen schwarzer Amerikaner stärker zu unterstützen? 137
51. Welche war eine der bedeutendsten Reden JFKs? 140
52. I have a dream – Wie war JFKs Beziehung zu Martin Luther King? 143

VII. Camelot – der schöne Glanz einer Präsidentenfamilie

53. Wie kam es zur Camelot-Analogie? 147
54. Welche Rolle dachten die Kennedys dem Weißen Haus zu? 149
55. Mit welchem Projekt beeindruckte Jackie ihre Landsleute? 151
56. Wie wirkte die Familie Kennedy auf die amerikanische Bevölkerung? 152
57. Welche Rolle spielten die Medien bei der Erschaffung des Kennedy-Images? 154
58. Gab es Pläne für eine Kennedy-Dynastie im Weißen Haus? 155

VIII. Was Amerika nicht sehen durfte: des Präsidenten dunkle Seiten

59. Was war JFKs größte Schwäche? 159
60. Was wusste Jackie von den Affären ihres Mannes? 164
61. Wie reagierte Jackie auf die Eskapaden? 165
62. Gefährdete JFK sich selbst und sein Land durch sein ausschweifendes Privatleben? 167
63. Wem spielte Kennedy mit seinen Affären in die Hände? 171
64. Gab es Anzeichen einer Geschlechtskrankheit bei JFK? 172
65. Welche Beziehung hatte der Präsident zu Frank Sinatra? 173
66. Wie war Kennedys Verhältnis zu Marilyn Monroe? 176
67. Was wussten die Amerikaner von Kennedys Gesundheitszustand? 179
68. War der Präsident medikamentenabhängig? 180

IX. Die Welt am Abgrund (1962)

69. Welche Krise beschwor beinahe einen atomaren Weltkrieg herauf? 183
70. Was bewog Russland dazu, Atomraketen auf Kuba zu stationieren und die USA zu provozieren? 185
71. Was entschied auf amerikanischer Seite über Krieg und Frieden? 187
72. Wie bereitete Präsident Kennedy die amerikanische Bevölkerung auf die drohende Eskalation vor? 189
73. Wann wurde die Lage am bedrohlichsten? 191
74. Wie wurde die Kubakrise gelöst? 193
75. Welche Folgen hatte die Kubakrise? 194
76. Konnte JFK einen politischen Nutzen aus der Kubakrise ziehen? 195

X. »Wir sind alle sterblich« (1963)

77. Welche Politik verfolgte JFK gegenüber Lateinamerika? 199
78. Warum sorgte sich JFK um das abgelegene Laos? 201
79. Wie kam es zur amerikanischen Verstrickung in Vietnam? 203
80. Wäre der Vietnamkrieg unter JFK genauso eskaliert? 207
81. Welche Minderheit lag dem Präsidenten besonders am Herzen? 208
82. Welches waren die Stationen der Europa-Reise im Sommer 1963? 210
83. Back to the Roots! 212
84. Welche Rede war die weltpolitisch wichtigste von JFK? 215
85. Wie war die Stimmung nach zwei Jahren Präsidentschaft in den USA? 218
86. Wäre John F. Kennedy 1964 wiedergewählt worden? 220
87. Durch welches tragische Ereignis kamen sich JFK und Jackie wieder näher? 222

XI. Mythos und Trauma: 22. November 1963

88. Was veranlasste JFK, nach Texas zu reisen? 225
89. Wie verlief der Freitagvormittag vor dem tragischen Ereignis? 226
90. Wer war Lee Harvey Oswald? 229
91. Fast nicht zu manipulieren? Der Horror, 27 Sekunden lang, stumm und in Farbe 232
92. Was passierte am Grassy Knoll? 235
93. Was geschah mit JFK nach den tödlichen Schüssen? 236
94. Warum wurde Lyndon B. Johnson in Dallas an Bord von Air Force One vereidigt? 238
95. Was wurde aus Lee Harvey Oswald? 241
96. Was ist die Warren Commission? 242
97. Warum glauben viele Amerikaner immer noch an eine Verschwörung? 243
98. Wie nahm die Welt Abschied von John F. Kennedy? 248

XII. »Die Probleme der Welt können nicht von den Skeptikern und Zynikern gelöst werden …«

99. Welches politische Erbe hinterließ John F. Kennedy? 251
100. Wie wandelte sich das Bild Kennedys? Und warum fasziniert JFK noch heute? 255

Epilog 261
Timeline John F. Kennedy 263
Literatur 267
Personenregister 269




1 3
PROLOG
Dallas, ein Tag im November
Love Field. Ein Flughafen kann keinen schöneren Namen haben.
Die morgendlichen Regenwolken waren verschwunden, und
über dem Airport der texanischen Metropole Dallas leuchtete
ein kristallklarer blauer Himmel, mit Temperaturen, die
an einen herrlichen Frühlingstag erinnerten – und nicht daran,
dass in wenigen Tagen Amerikas Traditionsfeiertag Thanksgiving
auf dem Kalender stand.
Ein Feld der Liebe oder zumindest der Zuneigung schien
Love Field in der Tat zu sein, als um 11 Uhr 40 ein strahlendes
Paar der Präsidentenmaschine Air Force One entstieg, welche
die beiden in einem denkbar kurzen, 13-minütigen Flug von
der Nachbarstadt Fort Worth nach Dallas gebracht hatte. Die
Schau lustigen jubelten dem 35. Präsidenten der USA, John Fitzgerald
Kennedy, und seiner Frau Jacqueline zu – eigentlich mehr
ihr als ihm, was der Präsident mit einem milden, ein wenig resignativen
Lächeln quittierte. Die scherzhafte Bemerkung, die
er zweieinhalb Jahre zuvor bei seiner ersten großen Auslandsreise
im Amt gemacht hatte, als er sich in Paris mit den Worten
vorstellte, er sei der Mann, der Jackie Kennedy nach Frankreich
begleite, besaß immer noch einen hohen Wahrheitsgehalt. Die
First Lady hatte die ihr innewohnende Abneigung gegen Politik
und gegenüber Menschenmassen – unverzichtbarer Teil jedes
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Wahlkampfes – überwunden und war mit ihm nach Texas gekommen.
Eine Art Wahlkampfreise war es in der Tat, obwohl die Präsidentschaftswahl
von 1964 noch exakt ein Jahr in der Zukunft
lag. Doch John F. Kennedy wollte nicht nur in einem, für einen
fortschrittlichen Demokraten wie ihn problematischen Staat
wie Texas Sympathien sammeln, sondern auch die führenden
Köpfe der dortigen Demokratischen Partei, die einander in tiefer
Abneigung verbunden waren, zu einer Art Burgfrieden überreden
– mit einer gespaltenen Partei waren die Aussichten, im
nächsten Jahr Texas zu gewinnen, äußerst gering.
Unklar war auch die politische Zukunft des wichtigsten Texaners,
der kurz nach dem Präsidentenpaar mit seiner Frau Lady
Bird die Boeing 707 verließ: Vizepräsident Lyndon B. Johnson ,
den der Präsident durchaus respektierte, Mitglieder der Kennedy-
Familie – vor allem der einfl ussreiche Bruder und Justizminister
Robert – jedoch nicht ausstehen konnten. Ob »LBJ« im
nächsten Jahr erneut Johns Wahl für die Vizepräsidentschaft
werden würde, war unter den politischen Auguren umstritten.
Der Jubel, der Jackie und John F. Kennedy direkt nach Verlassen
der Gangway entgegenschlug, ließ auch die aufgeheizte
politische Stimmung in Dallas vergessen, wo in den letzten
Tagen erzkonservative Gruppen in Zeitungsanzeigen und auf
Flugblättern den Präsidenten angegriffen und teilweise regelrecht
mit Hass überschüttet hatten. Nichts davon war an diesem
Mittag zu spüren. Die First Lady bekam ein Bouquet roter Rosen
überreicht, die farblich gut zu ihrem pinkfarbenen Oleg Cassini-
Kostüm und dem dazu gehörigen Pillbox-Hut passten. Sie legte
die Rosen neben sich und ihren Mann, als sie auf den hinteren
Sitzen der offenen Lincoln-Limousine, Baujahr 1961, Platz nahmen.
Das Verdeck war auf Wunsch Kennedys und seiner Berater
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abgenommen worden; Dallas sollte einen guten Blick auf den
Präsidenten und seine Frau haben. Vor ihnen, auf den mittleren
Sitzen, den Jump Seats, nahmen der Gouverneur von Texas,
John Connally , und seine Frau Nellie Platz. Ganz vorn saßen der
Fahrer William Greer und ein Agent des Secret Service, Roy
Kellerman. Weitere Secret Service-Agenten folgten im nächsten
Wagen, teilweise auf dessen Trittbrettern stehend. In der nächsten
Limousine folgten Lyndon und Lady Bird Johnson mit ihrem
Personenschutz. Es waren insgesamt 15 Fahrzeuge, die sich von
Love Field in Richtung Innenstadt in Bewegung setzten. Der
Pressewagen, der normalerweise hinter dem Präsidentenfahrzeug
positioniert war, nahm in der Kolonne den achten Platz
ein – kein Pressefoto, keine Fernsehbilder würden bei Kennedys
Fahrt durch Dallas entstehen können.
Das Ziel war die Trade Mart, ein Handelszentrum, wo Kennedy
vor Geschäftsleute der Region eine Rede halten würde.
Vom Flughafen aus gesehen, lag das großräumige Gebäude
jenseits der Innenstadt, so dass auf der Fahrt dorthin reichlich
Gelegenheit für die Bevölkerung von Dallas bestand, den Kennedys
zuzuwinken – auch für Berufstätige, denn der Besuch des
Paares fi el genau in die Mittagspause. Je näher man dem Stadtzentrum
kam, desto dichter standen die Menschen. Sie winkten
dem Paar zu, manche hatten amerikanische Fähnchen oder
selbst gemachte Plakate in den Händen. Und vor allem Kameras:
Ob Polaroid- oder Kleinbildkamera oder 8 mm-Schmalfi lm –
viele Schaulustige wollten sich ihr eigenes Stückchen Erinnerung
an diesen Tag sichern, so wie der Inhaber einer Kleiderfabrik,
Abraham Zapruder, der sich am Dealey Plaza auf eine
relativ hohe Ummauerung gestellt hatte, um eine gute Perspektive
zu gewinnen.
Dealey Plaza war – und ist noch heute – jenes weiträumige
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Areal, an dem die eigentliche Innenstadt von Dallas abrupt
endete, bevor eine Kette von Eisenbahnlinien und ein Gefl echt
von Highways eine scharfe Grenze zur Suburbia bildeten. Die
Wagenkolonne war die Main Street in westlicher Richtung hin -
abgefahren, womit kein direkter Zugang zum Simmons Freeway
auf dem Weg zur Trade Mart gegeben war – die Fahrzeuge
würden am Dealey Plaza einen Bogen schlagen, dann nach einer
scharfen Linkskurve in die fast parallel zur Main verlaufende
Elm Street einbiegen und dabei sehr langsam fahren müssen.
Doch die Main Street war die traditionelle Route für jede Parade
in Dallas, und der Jubel schien den Planern recht zu geben.
Das fand auch Nellie Connally , die sich zu Kennedy umdrehte:
»Mr. President, Sie können wirklich nicht sagen, dass Dallas Sie
nicht liebt.«
Der Lincoln bog in die Houston Street ein, um dann den
engen Bogen in die Elm Street zu schlagen. Die Auslöser der
Foto apparate klickten, die Zuschauer winkten und applaudierten;
Jackie und John F. Kennedy winkten gut gelaunt zurück. Die
große elektronische Anzeigetafel auf dem Dach des Schulbuch-
Lagerhauses, die Teil einer Werbetafel für einen Autovermieter
war, zeigte exakt 12 Uhr 30. Die Kolonne war ein wenig verspätet,
die Ankunft an der Trade Mart war für 12 Uhr 15 geplant gewesen.
Doch auf die große Uhr blickte niemand in jenen wenigen
Augenblicken, da der Präsident der Vereinigten Staaten an
den Menschen vorbeifuhr. Auch das halboffene Fenster im
5. Stock (sixth fl oor nach amerikanischer Zählweise) des Schulbuchgebäudes
fand keine Beachtung, ebenso wenig wie die
Mauer samt dem weißen Zaun hinter dem Grassy Knoll, jenem
kleinen Grashügel zur Rechten der in wenigen Augenblicken
von der Präsidentenlimousine einzuschlagenden Route.
Für die Menschen, die in Dallas John F. Kennedy und seiner
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Frau zujubelten, bestand wenig Zweifel: Sie hatten es mit einem
außergewöhnlichen Staatsmann zu tun. Die zahlreichen Kritiker
des Präsidenten waren hier nur in sehr geringer Zahl vertreten.
Mit 46 Jahren war Kennedy immer noch ungewöhnlich
jung (sein Vorgänger Eisenhower war mit beinahe 71 Jahren aus
dem Amt geschieden). Kennedys persönliche Geschichte, seine
Herkunft aus einer illustren, wenn auch nicht unumstrittenen
Familie, waren ebenso weithin bekannt wie Details aus seinem
Privatleben, die wohldosiert an die Öffentlichkeit gegeben wurden:
ein sportiver und dabei geistreicher Politiker mit einer bildschönen,
stilsicheren Frau und zwei entzückenden Kindern.
Mehr noch indes waren die Menschen – in Dallas und anderen
Teilen der Nation – vom Charisma Kennedys begeistert, von seiner
Fähigkeiten, andere in seinen Bann zu schlagen und (so ähnlich
hatte es schon Abraham Lincoln formuliert) an die besseren
Instinkte in ihrem Wesen zu appellieren.
Die eintausend Tage der Präsidentschaft des John Fitzgerald
Kennedy waren bewegt wie nur wenige andere vergleichbare
Zeitspannen: eine Abfolge von Krisen und Herausforderungen,
im eigenen Land, unweit der Küste zur Karibik und in fernen
Teilen der Welt wie in Berlin und in Vietnam. Doch gleichzeitig
wies der Präsident immer wieder auf den Weg in eine Zukunft,
die ähnlich verheißungsvoll sein könnte wie dieser strahlende
Freitagmittag, auf eine Welt, die dank des Ausgleichs mit dem
Rivalen Sowjetunion nicht länger unter dem Damoklesschwert
der atomaren Vernichtung leben würde. Eine Welt, in der regionale
Krisen nicht automatisch zu langwierigen, die Großmächte
hineinziehenden Konfl ikten ausarten müssten.
Und am Horizont schien sich ein Amerika abzuzeichnen, das
Gerechtigkeit für alle versprach, den amerikanischen Traum
leben zu können – unabhängig von der Hautfarbe, ein Amerika,
das den unterentwickelten Ländern und den Schwachen auf
dem Globus die Hand reicht, das in Wissenschaft und Forschung
zum Schrittmacher wird und das selbstbewusst zu the
next frontier, zur nächsten von seinem Pioniergeist zu erschließenden
Grenze, vorstößt: in das Weltall. Nur ein Amerika, würde
er in der Trade Mart sagen, das bei sozialer Gerechtigkeit und bei
gleichen Rechten das praktiziert, was es predigt, wird von jenen
respektiert werden, deren Entscheidungen die Zukunft aller
beeinfl ussen. »Möge man«, so stand es in seinem vorbereiteten
Manuskript, »in unserer Zeit und für alle Zeit die alte Vision
Wirklichkeit werden zu lassen: Peace on Earth, good will toward
men.«
Es war – bis zu diesem 22. November 1963 – ein Zeitalter, in
dem alles möglich schien.