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Indikation psychoanalytischer Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen Diagnostisch-therapeutisches Vorgehen und Fallbeispiele
Indikation psychoanalytischer Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen
Diagnostisch-therapeutisches Vorgehen und Fallbeispiele




Dieter Bürgin, Barbara Steck

Klett-Cotta
EAN: 9783608948295 (ISBN: 3-608-94829-5)
399 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 16 x 23cm, 2013, gebunden mit 90 vierfarbigen Abbildungen

EUR 54,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Keine gute Therapie ohne gute Indikation

Eine gute Indikation ist »die halbe Miete« für eine erfolgreiche Therapie. Das Buch liefert deshalb grundlegende Informationen und Überlegungen für die oftmals schwierige Interpretation der erhobenen Befunde. Es unterstützt den Therapeuten damit bei deren Integration in ein stimmiges, transparentes und nachprüfbares Behandlungskonzept.

Eine sorgfältige Indikationsstellung wird von vielen Therapeuten eher als »lästig« empfunden, sie wird häufig auf die Schnelle gemacht und im späteren Verlauf der Therapie wenig reflektiert. Die Autoren zeigen, welche diagnostischen Schritte in Form einer Grob- und Feinuntersuchung durchgeführt werden können und wie in einem weiteren Schritt die Vielzahl der erhobenen Befunde so zu integrieren ist, dass eine gesicherte Indikationsstellung erfolgen kann. Das geschilderte Vorgehen sorgt für Transparenz und veranschaulicht, dass eine Indikationsstellung für eine psychoanalytische Psychotherapie eine komplexe Arbeit darstellt und dass keine Beliebigkeit herrschen darf. Und: Gute Indikation spart Geld!

Dieses Buch richtet sich an:

- PsychoanalytikerInnen

- Eklektisch arbeitende Therapeuten

- Psychoanalytisch orientierte Sozialarbeiter und Heimpersonal

Das Buch liefert die fachliche Basis, das Hintergrundverständnis für eine gute Indikationsstellung, sieht sich aber nicht als Anleitung für die Antragstellung bei den Krankenkassen (in Deutschland) respektive den Vertrauensärzten (in der Schweiz), die letztendlich darüber entscheiden, ob eine Psychotherapie genehmigt wird und mit welcher Stundenzahl. Es geht dabei im wesentlichen um die Frage: Sollen wir mit dem Kind oder Jugendlichen eine Psychotherapie machen? Mit dem Patienten erfolgt eine Grob- und eine Feinuntersuchung, die sich in vier Schritte aufgliedert:

1. Anamnese

2. Tests (diese Tests sind entgegen der langläufigen Meinung und vielleicht im Gegensatz zu anderen Therapiemethoden nicht der ausschlaggebende Faktor; der oftmals durchgeführte Squiggle-Test beispielsweise dient stärker zur Kontaktaufnahme mit dem gehemmten Kind, seine Ergebnisse liefern lediglich Hinweise und Anstöße zu weiteren diagnostischen Maßnahmen)

3. Der Dialog mit dem Kind (Das ist der wichtigste Teil im gesamten Verfahren. Es geht um die Frage, wie komme ich in einen Kontakt mit dem Kind und welche Schlüsse kann ich aus dem gemeinsamen Tun oder Dialog ziehen)

4. Berücksichtigung des Umfelds des Kindes (Familiensituation etc.)

Im nächsten Schritt gilt es, die Ergebnisse dieser vier Schritte zu interpretieren und aus dem komplexen Gesamtgefüge eine Entscheidung zu treffen.

(Es geht bei dem Buch nicht um die Frage, ob eine Verhaltenstherapie, eine psychoanalytische oder eine Familientherapie indiziert ist. Diese Frage stellt sich laut Bürgin und Steck nur in ganz seltenen Fällen, da die Therapierichtung in der Regel von der Institution respektive der Ausbildung des Therapeuten vorgegeben ist.)
Rezension
Das Grundcredo dieses Buchs lautet: "Keine gute Therapie ohne gute Indikation." Eine gute Indikation ist »die halbe Miete« für eine erfolgreiche Therapie. Die Literatur zur Indikation einer Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen ist hingegen dürftig; denn die Evaluation einer psychischen Störung verschiebt sich von rein klinisch-symptomatischen auf entwicklungspsychologische Aspekte. Das in einen Theorie- und einen Fallbeispiel-Teil gegliederte Buch liefert deshalb grundlegende Informationen und Überlegungen für die oftmals schwierige Interpretation der erhobenen Befunde. Es unterstützt den Therapeuten damit bei deren Integration in ein stimmiges, transparentes und nachprüfbares Behandlungskonzept. Die erfassbaren Informationen eines diagnostisch-therapeutischen Prozesses stammen aus verschiedenen Quellen und bedürfen einer abschließenden Koordination und Integration.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Dieter Bürgin, Prof. em. Dr. med., emeritierter Ordinarius der Universität Basel und langjähriger Chefarzt der kinder- und jugendpsychiatrischen Universitätsklinik und Poliklinik Basel. Ausbildungsanalytiker der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse (SGPsa/IPA). Er arbeitet in eigener psychoanalytischer Praxis.

Barbara Steck, Priv. Doz. Dr. med., war viele Jahre an den kinder- und jugendpsychiatrischen Universitätskliniken von Lausanne und Basel tätig und führte auch eine private Praxis. Sie verfügt über eine psychoanalytische und familientherapeutische Ausbildung.
Inhaltsverzeichnis
I Allgemeiner Teil 11

1. Einführung 13

1.1 Anmerkungen zum Evaluationsprozess 13
(Erfassbare Information. Integration der Befunde. Diagnostische Untersuchung. Diagnostisch-therapeutische und/oder psychopathologische Wertigkeit. Konzeptualisierungskontext. Arbeitsbündnis)
1.2 Die Gesamteinschätzung der Information und der Bereitschaft zu psychischer Arbeit 17
(Leidensfaktor. Funktionsstörung. Störung der Gesamtentwicklung)
1.3 Ist ein psychoanalytisches Verfahren, sei dies nieder- oder hochfrequent,
in dieser Situation die bestmögliche Behandlungsmethode? 18

2. Anmerkungen zur Entwicklung des Kindes bzw. des Jugendlichen 22

2.1 Zur biologisch-genetischen Entwicklung 22
(Epigenetik)
2.2 Zur psychischen Entwicklung 23
(Entwicklung des Selbst. Affect attunement. Social referencing. Emotionale Spiegelung. Kognitive Integration. Verlusterleben. Pubertät)
2.3 Frühestes postnatales Leben 27
2.4 Zur psychosexuellen Entwicklung aus psychoanalytischer Sicht 29
2.4.1 Bedürfnis – Begehren – Verlangen 30
2.4.2 Körper – Körperöffnungen – erogene Zonen 31
2.4.3 Phantasiebildung – halluzinatorische Wunscherfüllung – Zärtlichkeit – Liebe 33
2.4.4 Geschlechtsunterschiede – ödipale Situation 35
2.4.5 Primäre Betreuungspersonen – Sexualität der Eltern 37
2.4.6 Das infantil Sexuelle 39
2.5 Wechselwirkungen von Psyche und Körper 40
2.6 Zur Kommunikation 43
2.6.1 Kommunikationsmotive 44
2.6.2 Kommunikationskonventionen 45
2.6.3 Gesten 46
2.6.4 Soziale Interaktionen: Protokonversationen 48
2.6.5 Identifikation 49
2.6.6 Spiel und Imitation 50
2.7 Anmerkungen zur Sprache 51
2.7.1 Spracherwerb 52
2.7.2 Die Sprachlernfähigkeit 53
2.7.3 Die Entwicklung des Spracherwerbs 53
2.7.4 Spätere Sprachleistung 55
2.7.5 Sprachliches Bedeutungserleben 56
2.8 Zur Entwicklung der Selbstrepräsentanzen und der eines »falschen Selbst« 59

3. Psychisches Trauma und pathologische Entwicklung 66

3.1 Ausbleiben der Befriedigung im frühesten Kindesalter 66
3.2 Psychisches Trauma 69
3.2.1 Allgemeines 69
(Frühkindliches Trauma. Aufgaben des analytisch-psychotherapeutischen Diagnostikers und Therapeuten. Kryptenbildungen)
3.2.2 Posttraumatische Folgen 70
(Komplexe dynamische Wechselwirkungen. Rolle später erfolgenden Stresses)

4. Trauer

(Kindertrauer. Pathologische Trauer. Familiengeheimnisse. Transgenerationalität) 73
4.1 Der Trauerprozess 73
4.2 Transgenerationalität 75

5. Indikationskategorien 77

5.1 Grobkategorien bei der Indikationsstellung 77
(Therapiebedürftigkeit, Therapiemotivation und Therapiefähigkeit)
5.2 Evaluationskriterien 78
5.2.1 Einschätzungskriterien für diagnostisch-therapeutische Gespräche 79
5.3 Operationalisierte psychodynamische Diagnostik im Kindesund Jugendalter (OPD-KJ) 84

6. Allgemeines zur Indikation 85

6.1 Unterschiede bei der Indikationsstellung für eine psychoanalytische Psychotherapie zwischen Kindern/Jugendlichen und Erwachsenen 85
(Das diagnostisch-therapeutische Gespräch. Patient als Kooperationspartner)
6.2 Setting und Rahmen 87
6.3 Psychische Untersuchung 88
(Diagnostiker als beteiligter Interaktionspartner)
6.4 Squiggle-Zeichnungen 88
(Subjektives Objekt)

7. Anmerkungen zum diagnostisch-therapeutischen Prozess 90

7.1 Erstinterview 90
(Technik. Gegenübertragungsfragen. Innere Haltung. Prozessorientierte Fragen. Denk-, Erlebnis- und Deutungsarbeit)
7.2 Intersubjektive Beziehungsrealität 93
(Intrapsychisch-interpersonal. Eigenverantwortung)
7.3 Symptomatologie 95
7.4 Arbeitsbündnis 95
(Aufgaben des Therapeuten. Diagnostisch-therapeutischer Prozess)
7.5 Supervision 98

8. Anmerkungen zum analytisch-psychotherapeutischen Prozess 99

8.1 Allgemeines 99
8.2 Woran soll sich der analytische Diagnostiker orientieren? 99
8.3 Anmerkungen zu einer »Theorie der Technik« 100
8.4 Vorstellungen des Patienten von »Therapie« 110
8.5 Der psychotherapeutische Stil 110
8.6 Das »desiderium sanandi« oder der »furor curandi« 111
(Projektive Identifizierung. Transformation von Bedeutungsinhalten. Plötzliche Veränderungen)
8.7 Der analytisch-therapeutische Prozess beim traumatisierten Kind 112
8.8 Der analytisch-therapeutische Prozess mit Adoleszenten 114

9. Anmerkungen zum »Dialog« im analytischtherapeutischen Prozess 117

9.1 Kinder und Jugendliche 117
(Vertrauensaufbau)
9.2 Therapeuten 118
9.3 Übertragung 119
(Amorphe Elemente. Spaltungen. Alphaelemente)
9.4 Intervention und Deutung 120
9.5 Träume 120
9.6 Spiel 121
(Ko-Kreation eines Dritten in einem Spielraum)
9.7 Narrative 122
(Persönliche, dialogische und kulturelle Aspekte)
9.8 Die »historische Wahrheit« 124
9.9 Temporalität: Gedächtnis, Nachträglichkeit 125

10. Unterschiedliche Haltungen einer rein medizinischen und einer rein psychoanalytisch-psychotherapeutischen Sicht 129
(Steigerung der Fähigkeit, Konflikte zu lösen. Ethik des Gebens und Nehmens)

11. Übergeordnete Gesichtspunkte 131

11.1 Von der Primär-Untersuchung zum Therapieplan 131
(Vorgehen nach der Erstuntersuchung. Zusammenarbeit mit den Eltern/Bezugspersonen)
11.2 Therapiebedürftigkeit, Therapiemotivation und Therapiefähigkeit 135
(Allgemeiner Therapieplan)
11.3 Indikatoren für einen höher- oder niederfrequenteren psychoanalytischen Prozess 136
11.4 Wie werden die genannten Ziele erreicht? 137
(Woran sich orientieren?)
12. Praktisches Vorgehen nach der Indikationsstellung 138
(Fragen eines eventuellen Therapeutenwechsels zwischen Diagnostik und Therapie)

II Falldarstellungen 139

Anmerkungen zu den Falldarstellungen 141
Fallbeispiel Bea (4½ Jahre alt, schwere emotionale Deprivation mit ausgeprägter Mutter-Kind-Beziehungsstörung) 144
Fallbeispiel Isabelle (5½ Jahre alt, Entwicklungsrückstand) 162
Fallbeispiel Leandro (5½ Jahre alt, frühkindliche Deprivation und multiple Entwicklungsrückstände) 172
Fallbeispiel Zoe (6½ Jahre alt, Anorexie im Kindesalter, anaklitische Depression) 181
Fallbeispiel Irene (7 Jahre alt, tiefgehende frühkindliche Traumatisierung mit genereller Entwicklungsretardation) 191
Fallbeispiel Ulrike (8 Jahre alt, narzisstische Störung mit Verhaltensund Beziehungsproblemen) 202
Fallbeispiel Immanuel (8 Jahre alt, multiple frühkindliche Traumatisierungen; Tod der Mutter) 213
Fallbeispiel Christian (8 Jahre alt, schwere Bindungsstörung mit
Somatisierungen, Beziehungsproblemen und autoaggressivem Verhalten; Tod des Vaters) 224
Fallbeispiel Zenon (10 Jahre alt, hypochondrische Ängste und Identitätsproblematik) 236
Fallbeispiel Samuel (10 Jahre alt, neurotisch-depressive Störung mit Somatisierungen; Tod des Vaters) 245
Fallbeispiel Oskar (10 Jahre alt; frühkindliche Traumatisierung und schwere Beziehungsprobleme; narzisstisch-depressive Störung und diverse Verhaltensprobleme; Zustand nach Suizidversuch) 253
Fallbeispiel Luca (10¾ Jahre alt; dysharmonische, aggressiv-depressive Entwicklung mit einer schweren Selbstwertproblematik bei einem unter Adipositas und Pubertas präcox leidenden Jungen; Tod einer Schwester) 268
Fallbeispiel Theresa (11 Jahre alt, hysteriforme Persönlichkeitsstörung mit narzisstisch-depressiven Zügen) 278
Fallbeispiel Ruth (11½ Jahre alt, Borderline-Persönlichkeitsstörung) 290
Fallbeispiel Raphael (11½ Jahre alt, schwere narzisstische Störung mit
Beziehungsproblemen bei einem zu früh geborenen, kleinwüchsigen und entwicklungsretardierten Kind) 301
Fallbeispiel Renata (12 Jahre alt, Somatisierung und Selbsteinschränkung bei ausgeprägter Devitalisierungsneigung) 312
Fallbeispiel Konrad (12 Jahre alt, psychosexuelle Identitätsproblematik bei einem zu früh geborenen, behinderten Adoptivkind) 323
Fallbeispiel Margrit (13½ Jahre alt, Ermordung der Mutter durch den Vater. Migrationsproblematik) 338
Fallbeispiel Ivan (13½ Jahre alt, Borderline-Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, depressiven und regressiven Anteilen) 348
Fallbeispiel Chantal (14½ Jahre alt, chronische, paranoide Schizophrenie) 359
Fallbeispiel Nadja (17 Jahre alt, konversionsneurotische »Anfälle«) 372
Fallbeispiel Erich (17 Jahre alt, ausgeprägte narzisstische Störung mit Beziehungs- und Verhaltensproblemen; wahrscheinlich Residualzustand einer frühkindlichen Psychose 382

Literatur 393
Angaben zu den Autoren 399