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Ich weiß, ich war`s
Ich weiß, ich war`s




Aino Laberenz (Hrsg.), Christoph Schlingensief

Kiepenheuer und Witsch
EAN: 9783462042429 (ISBN: 3-462-04242-4)
304 Seiten, hardcover, 13 x 21cm, Oktober, 2012

EUR 19,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
«Ich bin nicht der geworden, der ich sein wollte.» Christoph Schlingensief

Seine Vision für ein »Operndorf Afrika« wird in Burkina Faso gerade Wirklichkeit – ein beeindruckendes Zeichen dafür, wie lebendig die Kunst Christoph Schlingensiefs auch nach seinem viel zu frühen Tod ist. Die Lücke, die dieser Ausnahmekünstler hinterlassen hat, ist groß. Seine autobiographischen Skizzen und Gedanken, die nun posthum erscheinen, machen dies auf eindringliche Weise deutlich – und helfen zugleich, diese Lücke ein Stück weit zu schließen.

»Die Bilder verschwinden automatisch und übermalen sich so oder so! Erinnern heißt: vergessen! (Da können wir ruhig unbedingt auch mal schlafen!)« Mit diesen Worten überschrieb Christoph Schlingensief den letzten Eintrag in seinem »Schlingenblog«. Erinnern – das war für Schlingensief kein sentimentaler Vorgang, sondern ein Akt der Befreiung, um Platz für Neues zu schaffen. Und so setzte er nach der Veröffentlichung von »So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein«, dem vielgelesenen und vieldiskutierten Tagebuch einer Krebserkrankung, das Prinzip fort, seine Gedanken zur Kunst, seine Selbstbefragungen und Erinnerungen auf Tonband festzuhalten. Nicht um sich zurückzuziehen oder um Abschied zu nehmen, sondern um sich zurück ins Leben zu katapultieren.

In »Ich weiß, ich war’s« erinnert er sich an seine Kindheit in Oberhausen und seine Anfänge als Filmemacher, an schwierige und an erfüllende Stationen seines Künstlerlebens in Berlin, Wien, auf dem afrikanischen Kontinent – sowie nicht zuletzt an seine Erlebnisse auf dem grünen Hügel Bayreuths. Und »Ich weiß, ich war’s« zeigt einen Christoph Schlingensief, der voller Tatendrang am Leben teilnimmt, mal humorvoll, mal selbstkritisch, immer aber leidenschaftlich und mit Blick nach vorn.



Christoph Schlingensief

geboren 1960 in Oberhausen; Filmemacher, Theater- und Opernregisseur, Aktionskünstler, Buch- und Hörspielautor. Zwischen 1984 und 1996 dreht er neun Langfilme, darunter "Menu Total", "Egomania" und "100 Jahre Adolf Hitler". Ab 1993 Theaterarbeit an der Berliner Volksbühne "Rocky Dutschke `68"), am Burgtheater Wien ("Bambiland") u. a., ab 1997 Kunstaktionen auch außerhalb des Theaterraums (z. B. »Chance 2000«, »Bitte liebt Österreich«). 2004 inszenierte er in Bayreuth »Parsifal«, damit zugleich seine erste von zwei Wagner-Opern. Mit dem Projekt "Der Animatograph" (2005/2006) gelingt ihm ein Übergang in den Bereich der installativen bzw. bildenden Kunst. 2007 folgt die Ausstellung "18 Bilder pro Sekunde" im Haus der Kunst in München. Seine Krebserkrankung thematisiert er 2008 in dem Tagebuch »So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein« Zeitgleich arbeitet er an seiner Idee Für das "Operndorf Afrika", an dessen Grundsteinlegung im Februar 2010 er noch teilnimmt. Seine letzte Theaterarbeit »Via Intolleranza II« verwirklichte er zusammen mit einem deutsch-burkinischem Ensemble. Christoph Schlingensief stirbt am 21. August 2010 in Berlin.



Aino Labarenz

geboren 1981 in Turku/Finnland, seit 2009 mit Christoph Schlingensief verheiratet, arbeitet als Kostüm- und Bühnenbildnerin an zahlreichen deutschen Theatern und Opernhäusern. Seit Herbst 2010 Geschäftsführerin der Festspielhaus Afrika GmbH.




Rezension
Christoph Schlingensief ist tot, aber er lebt … wenigstens erscheint es dem Leser seines neuesten Buches so. Denn Christoph Schlingensief kommt hier selbst, ganz authentisch und unverblümt zu Wort. Zu verdanken haben wir diese ungewöhnliche Autobiographie aber letztlich Aino Laberenz, Schlingensiefs Witwe, die seine Absicht, ein Buch über seine „Erinnerungen und Erwartungen“ zusammenzustellen und zu veröffentlichen, nach seinem Tod vollendete und dabei sehr zurückhaltend vorgegangen ist.
Manche Passagen wünschte man sich allerdings gestrafft und auf den Punkt gebracht, manche Formulierung überarbeitet. Wahrscheinlich wäre das alles passiert, wenn Schlingensief sein eigenes Werk überlebt hätte und seine Gedankenflüsse von einem Lektoren fein zurechtgestutzt worden wären. So aber hat seine Frau in ihrer großen Wertschätzung des Werkes Ihres Mannes darauf geachtet, ihn so zu uns sprechen zu lassen, wie es aus ihm (oftmals ins Tonband) „herausgeflossen“ ist: unverblümt ehrlich, manchmal naiv, manchmal voller Zweifel und Emotionen, jedenfalls so ganz und gar nicht im biographisch-abgeklärten Stil eines reflektierten Lebensfazits.
Was bleibt nun von all den Projekten, die Schlingensief in seiner Rückschau wieder aufleben lässt, von dem engagierten Künstler mit seinen politischen und provozierenden Aktionen, seinen ungewöhnlichen Filmen und Inszenierungen, von seinem Engagement für Behinderte, Arbeitslose, Asylanten und schließlich für die so genannte „Dritte Welt“?
Schlingensief wollte nicht ohne ein weit in die Zukunft reichendes Projekt gehen, so heiratete er noch wenige Monate bevor er starb und begann das Opernprojekt in Afrika (Burkina Faso). Von seiner Krebserkrankung ließ er sich dabei weniger bremsen als anspornen. Er wollte nach all den vergänglichen Aktionen und viel verpuffter Energie endlich etwas Bleibendes schaffen.
Dieses Leben voller Inspirationen, ungewöhnlicher Eingebungen, spektakulärer Aktionen und aufrührender Provokationen lässt niemanden kalt. Ein guter Schriftsteller ist Schlingensief zwar nicht, aber in diesem Buch geht es um mehr als um gute Formulierungen und ausgefeilte Texte, hier geht es um ein Leben - ein provozierendes Leben - und einen Menschen, der dieses Leben gelebt hat.

Simone Wenderoth

Verlagsinfo
Pressestimmen

»Die Monologe, die er auf den Podien hielt, gingen in Ich weiß, ich war’s ein, auch Schulaufsätze und E-Mails münden in den Erzählstrom. Ein Mann betrachtet sein Lebenswerk, umarmt seine wichtigsten Menschen, würdigt seine Toten, aber er tut es nicht, weil er Abschied nimmt, sondern weil er noch viel vorhat und weil das Neue geplant werden muss. In diesem hellen Ton ist das Buch geschrieben. [...] Schlingensief mag nicht der geworden sein, der er sein wollte, aber er war auf dem Weg. Als er starb, zählten die Nachrufe auf, was dieser Mann den Deutschen gebracht habe und was nun unwiederbringlich verloren sei: Wagemut, Zorn, Frechheit, produktiver Wahnsinn. Das mag alles verloren sein. Aber Schlingensiefs Grinsen schwebt noch über uns. Wer dieses Buch liest, spürt es.«, Die Zeit, 04.10.2012

»Schlingensief rückt vieles zurecht, setzt seine Sicht der Dinge entgegen. Und lässt dabei einen Menschen sichtbar werden, der trotz aller Egomanie, Selbstliebe und Krawallfreude, trotz aller Selbstzweifel und Missverständnisse beharrlich auf der Suche nach einem inneren Frieden ist. Es ist ein schönes, berührendes und manchmal auch sehr lustiges Buch.«, stern.de, 07.10.2012

»Zudem müsste dieses Buch eigentlich mit einem Überdruckventil versehen sein, so konzentriert ist das „chaotische“ Geschichten- und Gedankengeflecht, das zwischen Performance, Beichte [...] und Bewusstseinsstrom mäandert. Die Überfülle an Stoff, den der Künstler loswerden wollte, wirkt in ihrer explosiven Ballung so energiegeladen wie alles, was Schlingensief anpackte. Dazu trägt wesentlich bei, dass die Herausgeberin, seine Witwe Aino Laberenz, sich bemühte, den Duktus der mündlichen Rede zu erhalten, der Schlingensiefs überschäumendes, bei aller gelegentlichen Melancholie elektrisierend vitales Wesen für den Leser erstaunlich vergegenwärtigt.«, Merkur Online, 07.10.2012

»In dem Buch sind viele seiner Energieteilchen aufgefangen. Man spürt Schlingensiefs Sprachduktus, die meisten der Texte hat er in ein Mikrofon gesprochen. Beim Lesen glaubt man seine Stimme zu hören.«, ZDF aspekte, 05.10.2012

»Entstanden ist [...] ein letzter großer und sehr Schlingensief-typischer Künstlermonolog: sprunghaft und fragmentarisch, ausufernd und mäandernd, sich selbst bezweifelnd und befragend, bissig und komisch und immer wieder auch voll Pathos predigend. Man merkt, dass es um ein Vermächtnis geht, dass Schlingensief hier noch einmal die Kontrolle über sich selbst, seine Kunst und ihre Deutung beansprucht. [...] Ungeachtet der verschieden Genres, Institutionen und Medien, durch die Schlingensief sich ausdrückte, vermittelt Ich weiß, ich war’s den Eindruck eines geschlossenen Werks.«, Deutschlandradio Kultur, 04.10.2012

»Das ist alles so dicht dran, immer noch, am Leben – traurig, wütend und schön; ein schlauer-machendes Buch!«, BuchMarkt, 11/2012
Inhaltsverzeichnis
11 Vorwort
17 Zwischenstand der Dinge I
32 Unsterblichkeit kann töten
42 Meine Urszene
50 Der Mensch besteht aus ganz viel Sehnsucht
57 Das Unsichtbare sichtbar machen
69 Ein Loch aus Angst und Ekel
89 Ich bezweifle, dass die Leute tatsächlich schreiben, was sie wollen
95 Politik durchspielen
111 »Dieses Gesellschaftssystem ist in sieben Jahren komplett zerstört«
119 Authentisches Theater
130 »Zum Raum wird hier die Zeit«
164 Ein Opernhaus in Afrika
193 Oberhausen
208 München
215 Zurück im Ruhrgebiet
226 Ich kann nicht nur an das Gute glauben
249 Grundsteinlegung in Burkina Faso
257 Via Intolleranza II
266 Zwischenstand der Dinge II
274 Kunst (Das Wesen der … )
283 Biografie
289 Danksagung
290 Bildnachweis