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Handbuch Promotion Forschung - Förderung - Finanzierung
Handbuch Promotion
Forschung - Förderung - Finanzierung




Ansgar Nünning, Roy Sommer (Hrsg.)

Verlag J. B. Metzler
EAN: 9783476020116 (ISBN: 3-476-02011-8)
432 Seiten, hardcover, 18 x 25cm, 2007, 16 s/w Abb., 8 Tabellen

EUR 24,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Das »Handbuch Promotion« bietet Promovierenden und Promotionsinteressenten vielfältige Entscheidungs- und Orientierungshilfen, Fakten zu Finanzierungsmöglichkeiten, Anregungen für ein effektives Projekt- und Zeitmanagement, Hinweise zur professionellen Textproduktion und Perspektiven für die weitere Karriereplanung. Es enthält Informationen zu Schlüsselkompetenzen und Anforderungsprofilen, Stipendien und Stiftungen, Promotionsordnungen und -verfahren sowie zu den Rechten und Pflichten aller am Promotionsprozess Beteiligten.

Ein unverzichtbares Nachschlagewerk, das in der Debatte um die Reform der Doktorandenausbildung Akzente setzt.
Rezension
Wer sich auf eine Promotion einläßt, der/die investiert Jahre des eigenen Lebens in ein wissenschaftliches Projekt, dessen Ausgang ungewiss ist und dessen Durchführung mit allerlei Unwägbarkeiten verknüpft ist. Inmitten des Gewirrs verschiedenster Promotionsordnungen, Finanzierungsmöglichkeiten und Karriereempfehlungen bietet dieses "Handbuch Promotion" eine seriöse, grundlegende Information zum Thema diesseits aller Fach- und Detailspezifica. Das Buch kann wirklich jedem Promovenden nur möglichst frühzeitig empfohlen werden; es bewahrt sowohl vor Irrtümern wie auch vor langen Umwegen, gibt unglaublich viele nützliche Tipps und Adressen und bietet hilfreiche Pfade im Dschungel zur eigenen Promotion.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Orientierungshilfe aus erster Hand
Zu Finanzierung, Job, Networking, Berufsperspektiven u.v.m.
Inkl. ausführlichem Adressverzeichnis
Unverzichtbar für Doktoranden

Alle Fakten zur Promotion – jetzt systematisch zusammengestellt. Welchen Anforderungen müssen Doktoranden gerecht werden? Auf welche Schlüsselkompetenzen kommt es an? Welche Möglichkeiten der Finanzierung eröffnen sich? Die Experten zum Thema Graduiertenförderung geben ausführliche Antworten. Viele Praxishinweise zu effektivem Projekt- und Zeitmanagement und zu Stichworten wie "Juniorprofessur" und "Druckkostenzuschuss" machen das Handbuch zu einer wertvollen Entscheidungs- und Arbeitsrichtschnur.

Ansgar Nünning (geb. 1959) ist Professor für Anglistik und Amerikanistik an der Universität Gießen und Gründungsdirektor des "Gießener Graduiertenzentrums Kulturwissenschaften" (GGK) sowie des Gießener "International Graduate Centre for the Study of Culture" (GCSC).

Roy Sommer (geb. 1969), ehemaliger Geschäftsführer des "Gießener Graduiertenzentrums Kulturwissenschaften" (GGK), ist Professor für Anglistische Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft an der Universität Wuppertal.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Promovieren mit System und Perspektive 1

I. Hintergründe, Debatten, Standpunkte 7

1. Promovieren mit System: Was heißt »optimale Promotionsbedingungen«
in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften?
(Ansgar Nünning und Roy Sommer) 9
2. Interessenvertretungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs
(Roy Sommer) 19
3. Promotion als Forschungsgebiet: Aktuelle Studien zur
Doktorandenausbildung (Sandra Heinen) 23
4. Die Internationalisierung der Doktorandenausbildung
(Marion Gymnich) 33
5. Promovieren in Deutschland und in den USA: Ein Vergleich
(Astrid Erll und Sara B. Young) 42

II. Von der Promotionsentscheidung zur Finanzierung 53

1. Warum promovieren? Kriterien zur Entscheidungsfindung
(Dilek Gürsoy und Sandra Heinen) 55
2. Promotionsordnungen: Formale Rahmenbedingungen der
Promotionsphase (Kathrin Ruhl) 61
3. Doktorandenbetreuung: Betreuungsmodelle und Qualitätskriterien
(Marion Gymnich und Gesa Stedman) 78
4. Externe Beratungsangebote für Promovierende:
Forschungssupervision und Promotionscoaching (Janine Hauthal) 92
5. Finanzierung der Promotionsphase: Vor- und Nachteile verschiedener
Finanzierungsmöglichkeiten (Kathrin Ruhl) 106
6. Institutionen und Programme im Bereich der Graduiertenförderung
(Dorothee Birke und Stella Butter) 123
7. Erfolgreich bewerben: Anforderungen an Bewerbungen auf Stipendien
und Stellen (Vera Nünning und Ansgar Nünning) 142

III. Die Promotion als Qualifizierungsphase 155

1. Kompetent promovieren: Schlüsselkompetenzen für Promotion und
Karriere aneignen, trainieren und anwenden (Ansgar Nünning) 157
2. Projekt- und Zeitmanagement in der Promotionsphase
(Gerald Echterhoff und Birgit Neumann) 172
3. Wissenschaftliche ›Zusatzqualifikationen‹: Aufsatzpublikation, Vortrag,
Tagungsorganisation (Gerald Echterhoff, Sandra Heinen und
Birgit Neumann) 196
4. Die Rezension als Einstieg ins wissenschaftliche Schreiben und
Publizieren (Janine Hauthal) 205
5. Lehren lernen: Didaktische Kompetenzen an der Hochschule
(Wolfgang Hallet) 211

IV. Dissertation und mündliche Prüfung 229

1. Die Themenfindung als Einstieg in den Promotionsprozess:
Selektionskriterien, Voraussetzungen, Orientierungen
(Janine Hauthal und Sandra Heinen) 231
2. Synergieeffekte nutzen: Promovieren im Rahmen von
Forschungsprogrammen (Wolfgang Hallet und Birgit Neumann) 234
3. Wissenschaftliche Anforderungen und eigene Ansprüche:
Was Dissertationen leisten sollen (Roy Sommer) 240
4. Das Exposé: Projektskizze, Arbeits- und Zeitplan (Roy Sommer) 246
5. Forschungsdesign: Wie man eine Doktorarbeit konzipiert (Roy Sommer) 254
6. Textproduktion: Gattungskonventionen, Argumentationsstrategien und
die Dramaturgie wissenschaftlicher Texte (Roy Sommer) 268
7. Softwaregestützte Literaturverwaltung (Sandra Heinen) 286
8. Krisen im Promotionsprozess: Formen, Ursachen, Handlungsoptionen
(Janine Hauthal) 290
9. Die Vorbereitung auf die mündliche Prüfung (Sandra Heinen) 298

V. Promotion und Karriere 303

1. Berufsperspektiven für Promovierende (Irene Lamberz und
Roy Sommer) 305
2. Wie Ehemalige die Promotion bewerten: Ergebnisse einer Absolventenbefragung
an der JLU Gießen (Irene Lamberz) 315
3. Qualifizierungswege in der Postdoc-Phase (Sandra Heinen) 331

VI. Anstelle eines Fazits: 100 Tipps für (angehende) Promovierende 339

VII. Anhang 349

1. Institutionalisierte Graduiertenförderung im geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen
Bereich an deutschen Hochschulen im Überblick 351
2. DFG-Graduiertenkollegs in den Geistes-, Kultur- und
Sozialwissenschaften (ab Förderbeginn 2001) 398
3. Adressen der Begabtenförderungswerke 411
4. Auswahlbibliografie 416
5. Die Autorinnen und Autoren 419
6. Register 422


Leseprobe:
1. Promovieren mit System:
Was heißt »optimale Promotionsbedingungen«
in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften?
Seit der Ausschreibungstext zur »Förderlinie Graduiertenschulen« im Rahmen der
Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder die antragstellenden Universitäten
im Jahr 2005 explizit aufforderte, »optimale Promotionsbedingungen« zu skizzieren,
ist zumindest eines klar: Der Status quo ist alles andere als optimal. Aus internationaler
Sicht besteht in vielen Bereichen dringender Nachholbedarf, um die
Attraktivität Deutschlands als Wissenschaftsstandort auch für exzellente Nachwuchswissenschaftler/
innen zu sichern, etwa hinsichtlich der Etablierung von
Betreuungsstrukturen und der Einbindung von Promovierenden in die Forschungsaktivitäten
der Fächer und Fachbereiche.
Auch national hat sich durch die Exzellenzinitiative einiges bewegt: Die Kompetenzen
von Bund und Ländern in der Bildungspolitik wurden neu geordnet, das
traditionelle, auf Solidarität der Stärkeren mit den Schwächeren abzielende Gießkannenprinzip
bei der Verteilung von Fördermitteln wurde durch das Prinzip der
Bestenauslese abgelöst, das die Bildung von Eliten zum Ziel und zur Folge hat,
und die Rolle der Universitäten bei der Reform der Doktorandenausbildung
wurde neu definiert: Es reicht nicht mehr, DFG-Mittel für Graduiertenkollegs einzuwerben,
sondern von den Universitäten wird erwartet, dass sie selbst, etwa
durch die Einrichtung von Graduiertenzentren, Anstrengungen unternehmen, um
– unabhängig von Drittmittelprojekten – alle Aktivitäten in diesem Bereich bündeln
und verstetigen. Bevor wir darauf eingehen, worin nun die geforderten »optimalen
Promotionsbedingungen« bestehen (können), soll im Folgenden überblicksartig
die Vorgeschichte der aktuellen Reformbestrebungen rekapituliert werden.
Kritik an den Defiziten der deutschen Doktorandenausbildung in
den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften: Die 1990er Jahre
In den 1990er Jahren wurde die bis dahin übliche Praxis der Doktorandenausbildung
von unterschiedlicher Seite grundsätzlich in Frage gestellt. Die ironische
Diagnose von den »promotionalen Infekten« und der »chronischen Doktoritis«,
mit der Thomas Meuser in seinem 1994 erstmals erschienenen Ratgeber Promo-
Viren auf grundlegende Mängel verwies, wurde vom deutschen Wissenschaftsrat
bestätigt. Dessen »Empfehlungen zur Neustrukturierung der Doktorandenausbildung
und -förderung« vom Mai 1995 kritisierten explizit die strukturellen Defizite
der Doktorandenausbildung an deutschen Hochschulen. Bemängelt wurden insbesondere
10 I. Hintergründe, Debatten, Standpunkte
■ die im internationalen Vergleich zu langen Promotionszeiten,
■ das entsprechend zu hohe durchschnittliche Alter der Promovierenden,
■ die unstrukturierte Form der Doktorandenausbildung,
■ der weitgehende Mangel an zielgruppenspezifischen Lehrangeboten für Doktorandinnen
und Doktoranden,
■ das Fehlen einer institutionalisierten Kommunikations- und Infrastruktur für
Promovierende zum Austausch über ihre Dissertationsprojekte sowie
■ Defizite in der Mobilität und im Ausbildungsprofil von Nachwuchswissenschaftlerinnen
und -wissenschaftlern.
Zudem wurde darauf hingewiesen, dass »Doktoranden vielfach, vor allem in
nicht-experimentellen sowie geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern, isoliert
und ohne angemessene Betreuung arbeiten und nur unzureichend in die wissenschaftliche
und forschungsbezogene Arbeit der Fachbereiche eingebunden sind«
(Wissenschaftsrat 1997, S. 38).
Der Kritik des Wissenschaftsrats an der unstrukturierten Praxis der Doktorandenausbildung
schloss sich die Hochschulrektorenkonferenz an. In den Dokumenten
zur Hochschulreform (113/1996) wurden folgende sechs Probleme und ihre
Konsequenzen benannt:
■ Es fehlt ein dem Studentenstatus entsprechender Doktorandenstatus. Die Folge
sind ein unklarer Beginn des Promotionsvorhabens sowie eine unzureichende
Absprache der Themenvergabe und Betreuungsverpflichtung.
■ Die Konzentration auf randständige Teilaufgaben innerhalb größerer Forschungsprojekte
birgt die Gefahr der Überspezialisierung der Promovierenden.
■ In den wenig drittmittelintensiven Fächern, insbesondere in den Kulturwissenschaften,
arbeiten die Promovierenden vielfach isoliert und bei unzureichender
Betreuung. Dies kann verstärkt zur Verfehlung der Themenstellung, zur Wahl
unangemessener Forschungsmethoden und zur unprofessionellen Darstellung
der Ergebnisse führen.
■ Klassische Formen der Betreuung (Doktorandenkolloquien und Oberseminare)
werden häufig zu unverbindlich und unstrukturiert angeboten und fördern die
fächerübergreifende und interdisziplinäre Forschung in nur unzureichendem
Maße.
■ Der Umfang der von Doktorandinnen und Doktoranden zu erbringenden
Dienstleistungen ist häufig zu hoch, so dass sich die zusätzliche Arbeit promotionsverlängernd
auswirkt.
■ Die schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt schließlich führen zur Akkumulierung
von Stellen und Stipendien und vielfach zu umfangreichen Dissertationen
sowie zu einer weiteren Verlängerung der Promotionsdauer. Besonders
letzteres wirkt sich auf den Berufseinstieg negativ aus.
Die von der Hochschulrektorenkonferenz prognostizierte Verlängerung der Promotionsdauer
ist in den 1990er Jahren tatsächlich eingetreten. Die Anzahl der
erfolgreich abgeschlossenen Promotionen hat sich deutlich erhöht. Die Sprachund
Kulturwissenschaften hatten mit 2674 Promotionen, die in diesem Zeitraum
abgelegt wurden, einen Anteil von 10,4% und belegten damit nach den Rechts-,
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit 12,6%, der Mathematik und den Naturwissenschaften
mit knapp 30% sowie dem Spitzenreiter Medizin mit gut 30% den
Promovieren mit System: Was heißt »optimale Promotionsbedingungen«? 11
vierten Platz. Auch das durchschnittliche Promotionsalter ist kontinuierlich gestiegen.
Der Wissenschaftsrat nennt in seiner um die medizinischen Fächer bereinigten
Statistik Durchschnittswerte von 32,1 Jahren (1993) bzw. 33 Jahren (2000). Mit
einem erschreckend hohen Durchschnittsalter der Promovierten von 36,1 Jahren
(2000) lagen die Sprach- und Kulturwissenschaften dabei klar über dem Durchschnitt.
Das gestiegene Durchschnittsalter spiegelt sich auch in der gestiegenen
Promotionsdauer wieder, die in so gut wie allen Fächern erheblich über drei Jahren
liegt (vgl. Wissenschaftsrat 2002, S. 11).
Die Praxis steht damit in deutlichem Widerspruch zu der allseits geforderten
Verkürzung der Promotionsdauer auf drei Jahre. Einen wichtigen Grund für die
lange Dauer der Promotionsphase sieht der Wissenschaftsrat in der Dauer der
Übergangsphase vom Studium zur Promotion. Während dieser Zeit sind die
künftigen Promovierenden mit der Konzeption ihrer Forschungsfragen und dem
Erstellen von Exposés für die Bewerbung um Stipendien beschäftigt – in der Regel
ohne fachgerechte Betreuung, ohne jede geregelte Finanzierung und ohne Einbindung
in die institutionelle Forschungsarbeit.
Eine im Jahr 2002 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) durchgeführte
Befragung der Promovierenden in Graduiertenkollegs bestätigte diese Einschätzung.
Demnach vergeht in den Geistes- und Sozialwissenschaften zwischen
dem Studienabschluss und dem Beginn der Doktorarbeit in der Regel rund ein
Jahr. Diese vergleichsweise lange Zeit – in der Mathematik etwa dauert die Phase
bis zur Aufnahme der Arbeit an der Dissertation nur zwei Monate (vgl. Wissenschaftsrat
2002) – ist darauf zurückzuführen, dass in den Geistes- und Sozialwissenschaften
die Promovierenden ihr Thema und ihre Fragestellungen häufiger
selbst entwickeln: »Insbesondere in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Kollegs
haben die meisten Doktoranden das Thema ihrer Arbeit selbst bestimmt. In
der Chemie und Biologie werden sieben von zehn Dissertationsthemen von den
Betreuern festgelegt« (Stark 2002, S. 9). Auch wenn sich die Verhältnisse in den
Graduiertenkollegs, die nur ca. 10% aller Promovierenden fördern, nicht verallgemeinern
lassen, ist hinsichtlich der Eigenständigkeit bei der Themenwahl und der
damit verbundenen Dauer der Übergangsphase vom Studium zur Promotion doch
von einem allgemeinen Trend auszugehen. Obgleich diese Praxis sicher auch zu
der häufig als geisteswissenschaftliche Kernkompetenz gepriesenen Fähigkeit zu
eigenständigem konzeptionellen Arbeiten beiträgt, wird dabei nicht nur wertvolle
Zeit verschenkt, sondern auch dem oft beklagten isolierten Einzelkämpferdasein
Vorschub geleistet.
DFG-Graduiertenkollegs: Reformen seit den 1990er Jahren
Seit dem 1. Oktober 1990 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die
Einrichtung von Graduiertenkollegs. Diese Form der strukturierten Doktorandenausbildung
zeichnet sich durch ein interdisziplinäres Forschungsprogramm und
ein eigens auf das Kolleg zugeschnittenes Studienprogramm aus. Ursprünglich
war daran gedacht, die Doktoranden der Kollegs über Mitarbeiterstellen (damals
nach BAT II/2) zu finanzieren, aus Mobilitäts- und Kostengründen wurde jedoch
letztlich ein Stipendienprogramm eingeführt, das es jeweils 12 Promovierenden
und zwei Postdocs erlaubte, sich im Rahmen des Kollegs voll auf die Forschungs12
I. Hintergründe, Debatten, Standpunkte
arbeit zu konzentrieren. Bewilligt wurden Graduiertenkollegs jeweils für eine Förderphase
von drei Jahren (daran orientiert sich auch die Förderhöchstdauer der
Stipendiaten), die maximal um zwei weitere Förderphasen verlängert werden
konnten. Mit der Neustrukturierung des Programms im Jahr 2006 hat die DFG die
Aufteilung der Förderphasen geändert (eine Phase dauert nun 4,5 Jahre, und ein
Kolleg endet spätestens nach der zweiten Förderphase), doch dies ändert weder an
der Förderhöchstdauer der Kollegs (neun Jahre) etwas noch an der Laufzeit der
Stipendien (maximal drei Jahre).
Eine umfassende Darstellung des Profils des Programms ›Graduiertenkollegs‹
findet sich – wie weitere einschlägige Informationen und Dokumente – auf den
Webseiten der DFG (www.dfg.de), so dass hier nur einige zentrale Punkte kurz
zusammengefasst werden. Die Kollegs zielen erstens darauf ab, besonders qualifizierten
Doktorandinnen und Doktoranden die Möglichkeit zu geben, ihre Dissertationen
in einem anspruchsvollen, von Zusammenarbeit geprägten Forschungsumfeld
anzufertigen. Zweitens verstehen sich Graduiertenkollegs als ein Beitrag zur
Reform und Weiterentwicklung der Promotionsphase, da sie für die (an der Einwerbung
von Drittmitteln interessierten) Hochschulen Anreize zur Neustrukturierung
der Nachwuchsförderung geben. Drittens fördern insbesondere die Internationalen
Graduiertenkollegs Kooperationen im Bereich der Doktorandenausbildung
und sollen dazu beitragen, deutsche Universitäten für ausländische Promovierende
attraktiver zu machen. Weitere Ziele sind die Begrenzung der Promotionsdauer,
die Senkung des durchschnittlichen Promotionsalters und die Stärkung
der frühen wissenschaftlichen Selbstständigkeit Promovierender. Zudem sollen
Strukturen geschaffen werden, die einen Verbleib von Frauen in der wissenschaftlichen
Laufbahn begünstigen.
Graduiertenkollegs stellen finanzielle Mittel für folgende Zwecke bereit:
■ Stipendien für Doktorandinnen und Doktoranden
■ Stipendien für Postdoktorandinnen und Postdoktoranden
■ Forschungsmaterial im notwendigen Umfang
■ Mittel für Gastwissenschaftler/innen, kleinere Tagungen und Forschungsreisen
der Kollegiatinnen und Kollegiaten
■ Mittel für Forschungssemester der beteiligten Hochschullehrer/innen
■ Mittel für Forschungsstudierende
■ Mittel für die Koordination der Arbeit des Kollegs
■ Mittel für notwendige Auslandsreisen der Hochschullehrer/innen (bei internationalen
Kollegs)
Der Bericht der DFG über »Strukturelle Auswirkungen des Programms zur Förderung
von Graduiertenkollegs« vom Oktober 2000 zog eine erste Bilanz. Die Graduiertenkollegs
hätten Maßstäbe für Doktorandenbetreuung und interdisziplinäre
Forschung gesetzt und dadurch die Promotionskultur in Deutschland verändert.
Zudem sei es gelungen, die Kollegs als Instrument zur Förderung wissenschaftlicher
Exzellenz zu etablieren und zudem die internationale Attraktivität deutscher
Universitäten zu erhöhen. Graduiertenkollegs hätten auch zur Änderung von Promotionsordnungen
geführt oder die Einführung neuer Studiengänge zur Folge
gehabt. Das Programm, so das insgesamt positive Fazit, sei als Modell für die
Reform der Promotionsphase erfolgreich.
Promovieren mit System: Was heißt »optimale Promotionsbedingungen«? 13
Dennoch wurde auch Kritik geäußert, die auf die mangelnde Ausstrahlung der
Kollegs in der Breite abzielte. Das Programm werde als Instrument der Elitenförderung
wahrgenommen und habe nicht dazu geführt, dass die Universitäten das
Konzept der strukturierten Doktorandenausbildung bei geringerer Ausstattung
auf größere Doktorandenzahlen ausgedehnt hätten. Zudem gebe es zu geringe
Anreize für Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, sich an dem arbeitsintensiven
Veranstaltungs- und Betreuungsangebot der Kollegs zu beteiligen. Die
vom Präsidium der DFG eingesetzte Arbeitsgruppe »Wissenschaftlicher Nachwuchs
« habe empfohlen, dass auch in Sonderforschungsbereichen, die eine größere
Anzahl von Promovierenden beschäftigten, Zentren für Doktorandenstudien
eingerichtet werden sollten – ein Vorschlag, der die spätere Ausschreibung der
»Förderlinie Graduiertenschulen« im Rahmen der Exzellenzinitiative antizipiert
(s. u.).
Kritisiert wurde das Konzept der Graduiertenkollegs trotz seiner unbestrittenen
Erfolge aber auch von den Geförderten selbst, die im Jahr 2002 in einer von der
DFG durchgeführten »Befragung der Doktorandinnen und Doktoranden der Graduiertenkollegs
zur Qualität der Förderung« zu Wort kamen. Angaben zur Datenerhebung
und -auswertung sowie die Ergebnisse sind in dem gleichnamigen
Dokument auf den Webseiten der DFG nachzulesen (vgl. Stark 2002). Das Feedback
der Promovierenden ist zwar in vielen Bereichen positiv, zeigt aber auch
deutlich die Schwächen des Programms aus der Sicht des Nachwuchses. So gaben
nur 52% der Befragten an, Unterstützung hinsichtlich der Methodik ihrer Arbeit
erhalten zu haben, und im Durchschnitt jede/r zweite Kollegiat/in wurde von den
Betreuern dazu angehalten, an Kongressen teilzunehmen und zu publizieren (vgl.
ebd., S. 8). Auch mit der Betreuung selbst zeigten sich die Befragten nicht immer
zufrieden: »60% der Kollegiaten sagen beispielsweise, dass ihr Betreuer immer
ausreichend Zeit für ihre Dissertation aufbringt, und 69% der Kollegiaten erhalten
kritische Rückmeldungen zum Leistungsstand der Dissertation« (ebd.). Da eine
intensive Betreuung zu den Eckpunkten des Programms zählt, sind diese Zahlen
ernüchternd, denn offenbar sind ca. 40% der Geförderten mit ihrer Betreuung
nicht zufrieden. Entsprechend überrascht wurde dieser Befund zur Kenntnis
genommen:
Nur rund die Hälfte der Kollegiaten hat den Eindruck, dass ihr Betreuer sich regelmäßig
mit ihnen zu Besprechungen trifft und aus eigener Initiative auf sie zukommt und nicht
wartet, bis die Doktoranden dies tun. Für Graduiertenkollegs haben wir einen im Durchschnitt
viel höheren Anteil an regelmäßigen und von den Betreuern ausgehenden Besprechungen
erwartet. (ebd., S. 33)
Der Wissenschaftsrat, der bereits mehrfach, insbesondere in seinen »Empfehlungen
zur Neustrukturierung der Doktorandenausbildung und -förderung« (1997) auf
den Reformbedarf hingewiesen hatte, lobte in seinen überarbeiteten Empfehlungen
von 2002 zwar das DFG-Programm ›Graduiertenkollegs‹ als »wichtiges Instrument
der Doktorandenförderung« (Wissenschaftsrat 2002, S. 6), weist aber auch
darauf hin, dass veränderte Kontextbedingungen und notwendige Akzentverschiebungen
in den wissenschaftspolitischen Zielsetzungen eine Reform des Förderprogramms
notwendig machten (ebd., S. 89). Die notwendigen Reformen gingen weit
über eine Neuformulierung der Aufgaben von Graduiertenkollegs hinaus: »Ziel
und zentrales Anliegen der Empfehlung ist es, die bereits vielfältig existierenden
14 I. Hintergründe, Debatten, Standpunkte
Ansätze einer strukturierten Graduiertenausbildung vor dem Hintergrund veränderter
Rahmenbedingungen auszubauen und in der Fläche zu etablieren« (ebd.,
S. 5; vgl. Nünning/Sommer 2003). Neben der flächendeckenden Erweiterung der
strukturierten Graduiertenausbildung über die Graduiertenkollegs hinaus forderte
der Wissenschaftsrat auch die verstärkte Vermittlung von Schlüsselqualifikationen,
die für eine wissenschaftliche Laufbahn von Bedeutung sind (ebd.,
S. 24). Außerdem wies der Wissenschaftsrat auf Schwierigkeiten hin, die aus der
Struktur der Graduiertenkollegs erwachsen:
Wegen der geringen Größe der Kollegs, der oft fehlenden Anrechenbarkeit auf das Lehrdeputat
sowie der Heterogenität der Interessen und Bedürfnisse der Kollegiaten ist es
nicht immer leicht, bei der Gestaltung des Studienprogramms den Bedürfnissen aller
beteiligten Promovierenden gerecht zu werden. Ein Kursangebot, aus dem die Teilnehmenden
Wahl- und Pflichtkurse auswählen können, wie es einige größere Graduiertenzentren
inzwischen anbieten, lässt sich im Rahmen eines Graduiertenkollegs aufgrund
der eher geringen Teilnehmerzahl kaum anbieten. (ebd., S. 23)
Trotz dieser Kritik kommt dem DFG-Programm ›Graduiertenkollegs‹ sicher das
Verdienst zu, die überfällige Reform der Doktorandenausbildung in die Wege
geleitet und erstmals Standards für exzellente Nachwuchsförderung etabliert zu
haben. Aus diesem Grund ist seine Fortsetzung unter leicht veränderten Vorzeichen
(u.a. wurden 2006 die Antragsmodalitäten durch Einführung eines zweistufigen
Verfahrens geändert) uneingeschränkt zu begrüßen, und man darf gespannt
sein, wie die neuen Graduiertenkollegs von den Vorgängern profitieren und welche
neuen Maßnahmen sie einführen. Angesichts der Anmerkungen des Wissenschaftsrats
zur Dimensionierung der Kollegs wird zudem besonders interessant
sein, wie sich die im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderten Graduiertenschulen
bewähren, die alle bisherigen Programme und Anstrengungen in den Schatten
stellen und schon alleine aufgrund ihrer Größenordnung eine neue Ära der strukturierten
Doktorandenausbildung an deutschen Universitäten einläuten.
Best-Practice-Modelle:
Die Graduiertenschulen der Exzellenzinitiative
Die im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderten Graduiertenschulen unterscheiden
sich in ihrer Konzeption und Dimension grundsätzlich von den DFGGraduiertenkollegs.
Während letztere ein fokussiertes Forschungsprogramm verfolgen,
durch die Förderhöchstdauer von 9 Jahren grundsätzlich befristet sind und
eine vergleichsweise kleine Zahl von Professoren und Promovierenden zusammenbringen,
dienen Graduiertenschulen der Profilbildung der Universitäten, sind –
trotz der derzeitigen Beschränkung der Exzellenzförderung auf maximal zehn
Jahre – prinzipiell auf Dauer angelegt und nehmen eine höhere Zahl von Promovierenden
auf (in den unten angeführten Beispielen werden zwischen zehn und
zwanzig Stipendien pro Jahr angeboten). Während die Graduiertenkollegs in der
Retrospektive als ein erster Schritt der DFG hin zu einer Neustrukturierung der
Nachwuchsförderung gesehen werden können, erscheint die »Förderlinie Graduiertenschulen
« als ein grundlegender Einschnitt, der durch die Etablierung von
Best-Practice-Modellen de facto Promotionsstandards einführen und die KonzenPromovieren
mit System: Was heißt »optimale Promotionsbedingungen«? 15
tration von Fördermitteln auf eine begrenzte Zahl von Universitäten die Hochschullandschaft
vermutlich nachhaltig verändern wird.
Anders als bei anderen Förderprogrammen wurden hier die inhaltlichen Vorgaben
auf ein Minimum reduziert. Anstatt ein Schema vorzugeben, initiierten DFG
und Wissenschaftsrat einen offenen Ideenwettbewerb, der die beteiligten Wissenschaftler/
innen zu kreativem Denken aufforderte. Dies ist im Bereich der Drittmitteleinwerbung
mit seinen strengen Vorgaben leider so unüblich, dass Dr. Jörg
Schneider in seiner Präsentation für Antragsteller am 28. April 2006 im Wissenschaftszentrum
Bonn explizit dazu aufforderte, bei der Konzeption nicht damit zu
beginnen, bei der DFG nach Regeln zu suchen, die der Fantasie Grenzen setzen
würden. Anstatt also vorgefertigte Muster zu bedienen, sollte die offene Grundfrage
lauten: »Was muss am Standort passieren, damit er noch interessanter für die
besten Promotionswilligen aus der ganzen Welt wird? Oder anders gefragt: Wie
bietet der Standort möglichst optimale Forschungs- und Ausbildungsbedingungen
für Promovierende?«
Während die inhaltliche Antwort auf diese Fragen den Hochschulen überlassen
wurde, lassen die von der DFG zur Verfügung gestellten »Hinweise zur Erstellung
von Antragskizzen« bereits erkennen, in welchen Bereichen innovative Maßnahmen
zur Gewährleistung optimaler Promotionsbedingungen erwartet werden.
Kernbereiche sind Auswahl-, Qualifikations- und Betreuungskonzepte, die Einbindung
der Doktorandinnen und Doktoranden in die Forschung am Standort sowie
deren Stellung innerhalb der Graduiertenschule und der Universität, die Integration
ausländischer Doktorandinnen und Doktoranden sowie der Aufbau einer Promotionskultur
am Standort. Hinzu kommen Organisationsstrukturen und Maßnahmen
zur nationalen und internationalen Vernetzung und Ausrichtung der Graduiertenschule.
Diese Angaben werden in den Mustern für die Antragstellung
noch präzisiert. Hier werden für Graduiertenschulen neben umfangreichen programmatischen
Stellungnahmen, administrativen Details und statistischem Material
detaillierte Aussagen zur Qualifizierung und Betreuung von Promovierenden
und den Rahmenbedingungen gefordert. Zu klären sind u. a.
■ die Zulassungsvoraussetzungen,
■ die möglichen Abschlüsse (neben den ›Klassikern‹ wie dem Dr. phil. ist ja z. B.
auch die Verleihung des internationalen Ph.D. denkbar),
■ die Mehrsprachigkeit an der Graduiertenschule,
■ die Einführung verbindlicher Rechte und Pflichten aller Beteiligten,
■ die Zielsetzung und Struktur des Studienprogramms und anderer Qualifizierungsmaßnahmen,
■ die Einbindung von Postdocs,
■ die Gewährleistung zeitlicher Freiräume für eigenständige Forschung und die
Erstellung der Dissertationsschrift,
■ die Betreuungsstrukturen,
■ das Prozedere für die Zuweisung von Promovierenden und Betreuungspersonen,
■ ein effizientes Monitoring des Promotionsfortschritts,
■ die Gewährleistung der Eigenständigkeit der Promovierenden trotz der engen
Anbindung an die Graduiertenschule,
■ Frauenförderung sowie
■ Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils ausländischer Promovierender.
16 I. Hintergründe, Debatten, Standpunkte
Die offene Ausschreibung hat tatsächlich dazu geführt, dass sehr unterschiedliche
Konzepte eingereicht wurden. In der ersten Ausschreibungsrunde wurden folgende
drei Graduate Schools mit geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichem
Bezug bewilligt:
■ Berlin School of Mind and Brain (Humboldt-Universität, Berlin)
■ Graduate School of North American Studies (John F. Kennedy-Institut, Freie
Universität Berlin)
■ International Graduate Centre for the Study of Culture (Justus-Liebig-Universität,
Gießen)
Diese drei Graduate Schools streben die Etablierung einer transdisziplinären Plattform
für die Kommunikation zwischen den Geistes- und Sozialwissenschaften auf
der einen, sowie den Lebens- und Neurowissenschaften auf der anderen Seite an
(Berlin School of Mind and Brain), vereinen soziologische, literatur-, kultur-,
geschichts-, wirtschafts- und politikwissenschaftliche Zugänge zur Erforschung
des gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Wandels der nordamerikanischen
Gesellschaften zu Beginn des 21. Jahrhunderts (Graduate School of North
American Studies) oder stellen einen Rahmen für interdisziplinäre kulturwissenschaftliche
Forschungen bereit (International Graduate Centre for the Study of
Culture).
Die Unterschiede zwischen diesen drei Graduiertenschulen betreffen z. B. den
Grad der Formalisierung des Studienprogramms. In allen Fällen ist ein strukturiertes
Curriculum integraler Bestandteil der Ausbildung, doch die am Berliner John
F. Kennedy-Institut angesiedelte Graduate School of North American Studies geht
noch einen Schritt darüber hinaus und führt ein dem B.A./M.A.-Modell entsprechendes
credit point system ein, das für die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, den
Erwerb von Schlüsselqualifikationen, selbstständiges Unterrichten und das Abfassen
der Dissertation Leistungspunkte vergibt. Das Graduate Centre for the Study
of Culture an der Justus-Liebig-Universität Gießen zeichnet sich durch die enge
Einbindung in internationale Promotionsnetzwerke sowie eine holistische Konzeption
aus, die z. B. einen Career Service für Promovierende und ein Teaching Centre
einschließt (vgl. Hauthal/Nünning 2007). Die Berlin School of Mind and Brain
schließlich etabliert eine innovative Betreuungsstruktur, die verbindlich vorschreibt,
dass jede Promotion von jeweils einem natur- und geisteswissenschaftlichen
Mentor begleitet wird.
Diese drei Beispiele zeigen, dass der Begriff »optimale Promotionsbedingungen
« einen großen Auslegungsspielraum lässt. Auch wenn die fachliche Ausrichtung
und die interne Struktur der Graduiertenschulen stark variieren und hinsichtlich
der Umsetzung, Administration und Außendarstellung eigene Wege
gehen, lässt sich aber eine Reihe von übergreifenden Gemeinsamkeiten feststellen,
die das Promotionsstudium an Graduiertenschulen charakterisieren:
■ Die Doktorandenausbildung wird nicht mehr individuell den einzelnen Hochschullehrerinnen
und Hochschullehrern überlassen, sondern entsprechend den
anglo-amerikanischen Vorbildern als eigener Bereich innerhalb der Universität
konzipiert und organisiert.
■ Promovierende können sich in einem transparenten Auswahlverfahren um die
öffentlich ausgeschriebenen Plätze bewerben (anstatt darauf warten zu müssen,
dass ein Professor ihnen die Promotion anbietet), müssen aber auch in einem
Promovieren mit System: Was heißt »optimale Promotionsbedingungen«? 17
echten Wettbewerb mit internationalen Mitbewerbern um die begehrten Plätze
und Stipendien konkurrieren.
■ Durch Betreuungsverträge oder ähnlich formalisierte Übereinkünfte werden
die Rechte und Pflichten aller Beteiligten verbindlich geregelt. Ein erfolgreicher
Abschluss des Promotionsstudiums innerhalb von drei Jahren ist die Zielvorgabe.
■ Im Gegensatz zur klassischen Individualpromotion müssen weder promotionsferne
Leistungen für den Doktorvater bzw. die Doktormutter erbracht werden,
noch genügt es, lediglich eine Dissertationsschrift anzufertigen. Die Teilnahme
an den Veranstaltungen des Studienprogramms ist Voraussetzung für den
erfolgreichen Abschluss der Promotion.
■ Promovierende werden in einem international geprägten, forschungsorientierten
Umfeld systematisch auf eine Karriere innerhalb oder außerhalb der Wissenschaft
vorbereitet.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Promovierende, die in eine Graduate
School aufgenommen werden, wesentlich genauer einschätzen können, was
in welchem Zeitraum von ihnen erwartet wird, und dass die Wahrscheinlichkeit
steigt, das angestrebte Ziel innerhalb des vorgesehenen Zeitrahmens zu erreichen.
Obwohl die Graduiertenschulen größer dimensioniert sind als die DFG-Graduiertenkollegs,
wird nur ein Bruchteil aller Promovierenden in den Geistes-, Sozialund
Kulturwissenschaften Zugang zu optimalen Promotionsbedingungen erhalten.
In noch stärkerem Maße als die Graduiertenkollegs sind die Graduate Schools
dem Kriterium der wissenschaftlichen Exzellenz auf internationalem Niveau verpflichtet
und angesichts des großen öffentlichen Interesses unter Zugzwang: Elite
muss sich messen lassen.
Allerdings bedeutet diese Entwicklung nicht unbedingt, dass zugunsten der Elitenförderung
die Breitenwirkung zu kurz kommen muss. Die knapp vierzig Universitäten,
deren Graduate Schools im Rahmen der Exzellenzinitiative gefördert
werden, setzen für die Gestaltung der Doktorandenausbildung neue Standards,
die auch an anderen Universitäten künftig nicht ignoriert werden können, wenn
diese etwa Anträge für neue Graduiertenkollegs konzipieren. Die Existenz fester,
von den Universitäten selbst geschaffener und mit einer Grundausstattung versehener
Graduiertenzentren wird künftig die Erfolgsaussichten von Drittmittelanträgen
im Bereich der Nachwuchsförderung maßgeblich beeinflussen. Wenn dies
letztlich dazu führt, dass die Bedürfnisse der Promovierenden innerhalb der Universitäten
ernst genommen, entsprechende Investitionen getätigt und Forschung
und Förderung als Einheit aufgefasst werden, hat die Exzellenzinitiative bewirkt,
was seit den 1990er Jahren auf der hochschulpolitischen Agenda steht: eine nachhaltige
Strukturreform zur Verbesserung der Doktorandenausbildung.
Literatur
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