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Gemeinsinn Der sechste, soziale Sinn
Gemeinsinn
Der sechste, soziale Sinn




Aleida Assmann, Jan Assmann

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406821868 (ISBN: 3-406-82186-3)
262 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, September, 2024

EUR 25,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Dass Menschen mitfühlend und solidarisch sein können, bestätigen uns inzwischen die Neurowissenschaften. Dieser sechste, soziale Sinn braucht allerdings auch die Stütze einer entsprechenden «politischen Kultur». In ihrem glänzend geschriebenen Buch zeigen Aleida und Jan Assmann kulturelle Rahmenbedingungen für Gemeinsinn auf und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie.

„Die resiliente Demokratie braucht kein Feindbild, aber einen starken sozialen Sinn für das, was Menschen miteinander verbindet und zusammenhält.“


Rezension
Klimakrise, Kapitalismuskrise, globale Armutskrise, Krise internationaler Politik, Migrationspolitikkrise, Psychokrisen, Krise der digitalen Öffentlichkeit, Wahrheitskrise und Fortschrittskrise sowie Demokratiekrise. Zur Bearbeitung dieser Polykrise werden in Wissenschaft und Politik verschiedene Antworten vorgeschlagen, zum Beispiel Ökosozialismus und radikaler Universalismus.
Einen anderen Weg zum Umgang mit den oben genannten Krisen, insbesondere mit der Demokratiekrise, schlagen die emeritierte Anglistikprofessorin Aleida Assmann (*1947) und der 2024 verstorbene Professor für Ägyptologie Jan Assmann (1938-2024) in ihrem neuen Buch vor, nämlich eine Reaktualisierung von „Gemeinsinn“. Der Untertitel des bei C.H. Beck erschienenen Bandes trägt den Titel „Der sechste, soziale Sinn“. In dem Werk gibt das Wissenschaftlerehepaar einen Überblick über die Sprach- und Begriffsgeschichte dieser Haltung, konkretisiert diese durch Verweis auf Werte wie Solidarität und Brüderlichkeit, zeigt die Bedeutung von Gemeinsinn für die Demokratie auf und verweist auf Protagonist:innen des Gemeinsinns aus Geschichte und Gegenwart. Zurecht erinnert das Ehepaar an die Bedeutung von Gemeinsinn in der deontologischen Ethik Immanuel Kants und in Karl Löwiths Sozialanthropologie. Gegenüber einem Freund-Feind-Denken setzen die Wissenschaftler:innen auf Empathie und auf die Universalität der Menschenrechte. Kritisch anzufragen bleibt, ob zur Bewältigung der Kapitalismuskrise und der Polykrise nicht grundlegende gesellschaftliche Transformationsprozesse notwendig sind. Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik und Politik werden durch den vorliegenden Band jedenfalls motiviert, sich intensiv in ihrem Fachunterricht oder in einem Seminarkurs mit der Thematik „Polykrise“ problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Aleida Assmann und Jan Assmann haben mit ihrem Buch „Gemeinsinn“ ein überzeugendes Plädoyer für die Notwendigkeit dieser Haltung in Zeiten der Polykrise vorgelegt.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Assmann, Aleida / Assmann, Jan
Gemeinsinn
Der sechste, soziale Sinn.
"Die resiliente Demokratie braucht kein Feindbild, aber einen starken Sinn für das, was Menschen miteinander verbindet und zusammenhält."
Dass Menschen mitfühlend und solidarisch sein können, bestätigen uns inzwischen die Neurowissenschaften. Dieser sechste, soziale Sinn braucht allerdings auch die Stütze einer entsprechenden «politischen Kultur». In ihrem glänzend geschriebenen Buch zeigen Aleida und Jan Assmann kulturelle Rahmenbedingungen für Gemeinsinn auf und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie.
Die gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Debatten sind von schroffen Alternativen geprägt: Brauchen wir universale Werte, oder müssen die Eigenarten unterschiedlicher Nationen und Kulturen anerkannt werden? Ist die Linderung von Not eine Sache des zivilgesellschaftlichen Engagements, oder befestigt man damit ungerechte Strukturen, die nur der Staat ändern kann? Aleida und Jan Assmann zeigen, dass solche Fragen falsch gestellt sind. Denn wir brauchen beides: universale Werte und den Respekt vor kollektiven Identitäten. Und zivilgesellschaftliches Engagement ist sehr wohl in der Lage, Strukturen zu verändern. Auf der Spur von Schlüsselbegriffen wie Solidarität, Brüderlichkeit, Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe, Empathie und Respekt und in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Menschenbildern und Beziehungsstrukturen innerhalb und außerhalb Europas bestimmen sie neu, was Gemeinsinn sein kann. Sie fragen nach den Grundlagen einer demokratischen politischen Kultur und zeigen die Wirkungskraft von Gemeinsinn konkret an ermutigenden Beispielen von Schwimmbädern und Stolpersteinen bis hin zu Aufräumaktionen und Tafeln.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9
Einleitung 11
Gemeinsinn und Demokratie 11
Die Fragestellung 14
Zur Forschungsdiskussion 18
1.Gemeinsinn:
Zur Sprach- und Begriffsgeschichte 23
Sensus communis 23
Gemein, Gemeinwohl und Gemeinsinn 26
Gemeinschaft und Gesellschaft 29
Christian Thomasius, der deutsche Erfinder
des Gemeinsinns 31
2. Solidarität 35
Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Gemeinsinn,
Solidarität 35
Neue Impulse für Solidarität 39
Empirische Perspektiven 41
Zwei Solidaritätskritiker 44
«Solidarität-mit» und «Solidarität-gegen» 46
«Sprechen-für»: Ein neuer Begriff des Politischen 48
«Sprechen-als»: Identitätspolitische Einsprüche 51
3. Brüderlichkeit 55
Die dritte Farbe der Trikolore 55
Zwischen Rechtsbruch und Bürgerpflicht:
Der Fall Cédric Herrou 57
Die Rolle der politischen Kultur 60
4. Menschenbilder zwischen Partikularismus
und Universalismus 63
Ist der Mensch gut oder böse? Anthropologische
Perspektiven 64
Mann und Frau, Erziehung und Gleichstellung 67
Staatstheorien und ihre anthropologischen
Grundlagen 70
Carl Schmitts Kampf gegen die
«jüdische Demokratie»› 73
Die Entstehung des Individuums 83
Kant: Gemeinsinn und kategorischer Imperativ 86
Karl Löwith: Der Mensch in der Rolle des
Mitmenschen 94
5. Beziehungsgrammatiken:
Feindbilder und Freundbilder – 103 –
Bedrohungsbewusstsein durch Freund-Feind-
Denken 105
Populismus um 1900 und um 2000 112
Praktischer Universalismus: Grenzüberwindende
Nächstenliebe 120
Neue Perspektiven der Empathieforschung 133
René Rhinow: Mitfühlender Liberalismus 135
Joachim Bauer: Von der Psychosomatik zur
Soziosomatik 137
Michèle Lamont:
Würdigung und Stigmatisierung 141
Der Osten schreibt zurück:
Zu einer innenpolitischen Schieflage 145
6. Grundsätze demokratischer politischer Kultur 151
Schnelles und langsames Denken 151
Vier Formen von Respekt 155
Möglichkeiten und Grenzen des Respekts 163
Identitätspolitiken zwischen Universalismus
und Partikularismus 167
Religio duplex: Universalismus und
Kosmopolitismus 171
Moral und Menschheit 176
Gleiche Rechte für Ungleiche 181
Menschenrechte und Menschenpflichten 186
7. Helden und Heldinnen des Gemeinsinns 197
Japanische Fußballfans in Qatar 197
Versehrte Städte 198
Zweitzeugen und Stolpersteine 201
Ein Denkmal für Flucht und Migration in Kassel 205
Tafeln in Deutschland 209
Miteinander reden in Ostritz 210
Menschenrechtsstädte 212
Ein Menschenrecht auf Zukunft: «Black Quantum
Futurism» 214
Althengstett und Ostelsheim 218
Epilog oder:
Was wir von den Finnen lernen können 223
Anhang
Anmerkungen 231
Literatur 245
Bildnachweis 258
Personenregister 259