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Evolution des Gewissens Strategien zwischen Egoismus und Gehorsam
Evolution des Gewissens
Strategien zwischen Egoismus und Gehorsam




Eckart Voland, Renate Voland

Hirzel
EAN: 9783777623764 (ISBN: 3-7776-2376-8)
248 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 13 x 21cm, 2014, 8 s/w Abb., 4 farb. Tab.

EUR 32,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Wie alle Lebewesen wurde der Mensch in langen Ausleseprozessen geformt. Damit hat auch sein Gewissen einen biologischen Ursprung; dies scheint der Evolutionstheorie zu widersprechen, denn das Gewissen bremst rücksichtslosen Ellenbogen-Egoismus aus. Eine solche „Schwäche“ produziert aber keine Sieger. Oder doch?

Warum also hat sich beim Menschen ein Gewissen entwickelt? Ist es eine strategisch operierende Instanz zur Balance egoistischer und altruistischer Verhaltenstendenzen angesichts gesellschaftlicher Kooperation – wie landläufig vermutet wird? Oder liegt seine Funktion in der Intimität des sozialen Nahbereichs? Vieles weist darauf hin, dass die menschliche Moralfähigkeit entstanden ist, als unsere Vorfahren zu gemeinschaftlicher Betreuung der Kinder übergingen und in den Familien neuartige Konflikte, so genannte „Helfer-Konflikte“ entstanden. Wenn diese Hypothese zutreffen sollte, stellt sich die keineswegs triviale Frage, wem eigentlich – in einem evolutionären Sinn – das Gewissen nützt: seinem Inhaber oder denjenigen, die es formen?

Prof. Dr. Eckart Voland lehrt Philosophie der Biowissenschaften an der Universität Gießen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören verschiedene Felder der evolutionären Anthropologie, insbesondere Soziobiologie, evolutionäre Ethik und evolutionäre Ästhetik. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen, von denen einige auch in andere Sprachen übersetzt wurden.

Renate Voland ist Psychologin und Leiterin einer Grundschule. Zusammen mit ihrem Mann Eckart Voland hat sie zu psychologischen Fragen publiziert, wobei es ihr vor allem um die evolutionären Hintergründe ontogenetisch früher Entwicklungen im menschlichen Verhalten geht und damit letztlich um ein verbessertes Verständnis von Lern- und Erziehungsprozessen.
Rezension
Dieses interessante Buch geht einer grundlegenden Frage der Anthropologie und Soziobiologie nach: Wie ist das menschliche Gewissen entstanden bzw. warum und ab wann hat die menschliche Evolution so etwas wie das Gewissen ausgebracht? Denn in die Darwinsche Evolutionsbiologie scheint das Gewissen nicht wirklich sich gut einzufügen, weil das Gewissen doch den Egoismus, das Überleben-Wollen und -Sichern und die Durchsetzung des survival of the fittest (auf den ersten Blick) zu hindern scheint. Das Gewissen bremst rücksichtslosen Ellenbogen-Egoismus scheinbar aus. Deshalb muss auch die Frage gestellt werden, wem das Gute bzw. das Gewissen nützt (vgl. Kap. 4). Im Gegensatz zur viel vertretenen These, das Gewissen balanciere egoistische und altruistische Verhaltenstendenzen strategisch sinnvoll und damit überlebens-fördernd aus vertreten die Autoren die These, das Gewissen sei in der Intimität des sozialen Nahbereichs entstanden, als unsere Vorfahren zu gemeinschaftlicher Betreuung der Kinder übergingen.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1. Evolution macht vergessen 1

Amnesie der Gründe 1
Gewissensfreier Altruismus 5
Die Erklärungslücke 11

2. Was ist und was macht das Gewissen? 15

Menschsein heißt, ein Gewissen zu haben (mit nur wenigen Ausnahmen) 15
Das moralische Barometer mit nur zwei Anzeigen: Schuld oder Scham 19
Die acht konstitutiven Merkmale des Gewissens 28
a. Asymmetrisches Bewertungssystem 28
b. Eine zweite Perspektive 31
c. Unbestimmte Inhalte 34
d. Potenzial für Nonkonformität 35
e. Egozentrik 39
f. Motivationsdruck 40
g. Non-Kognitivismus 42
h. Non-Konsequezialismus 45

3. Wo ist der Ort des Gewissens in einer darwinischen Theorie? 49

So viel Egoismus wie möglich, so viel Altruismus wie nötig? 49
Kann man zugleich ein guter Altruist und ein Moralist sein? 56
Von der Regel, die Folgen einer Regel nicht zu beachten 63
Zwei Moralsysteme? 67

4. Wem nützt das Gute? 73

Gewissensgenese im Spannungsfeld des Eltern/Kind-Konflikts 78
Das frühe Ende des prä-konventionellen Kindes 78
Spontane Prosozialität und reagierende Eltern 85
Übersteuerte Moral, pathologischer Altruismus, Schuld und Depression 89
Geborgenheit durch Gehorsam 91
Der genetische Eltern/Kind-Konflikt 97
Arithmetik der Abstammung 97
Meine Gene, deine Gene 102
Die Eskalation des Eltern/Kind-Konflikts I: der zeitlich begrenzte Helfer-Konflikt 108
Innerfamiliäre Ressourcenströme 108
Kinderarbeit oder: die evolutionäre Erfindung des Pay-back-Prinzips 115
Was kooperative Fortpflanzung bewirkt 118
La famiglia oder: Angebote, die man nicht ausschlagen kann 120
Die Eskalation des Eltern/Kind-Konflikts II: der lebenslange Helfer-Konflikt 129
Der Zölibat 129
Das „Sklaven-Szenario“ 141
Das „Steuer-Szenario“ 149

5. Die Perspektive der Kinder oder: die Unwahrscheinlichkeit von Ungehorsam 159

Kosten der Gelehrigkeit 161
Was kostet die Schule des Lebens? 161
Vertrauen ist gut, Kontrolle nicht möglich 169
Gehorsam sein und überleben 177
Vor- und Nachteile kooperativer Fortpflanzung 177
Die evolutionäre Kapitulation im Eltern/Kind-Konflikt 189

6. Der evolutionäre Ursprung der Gewissensmoral 197

Ausblick 204
Literatur 209
Quellennachweis 225
Sach- und Personenregister 228