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Erzählend philosophieren - ein Lehr- und Lesebuch Annette Hilt, René Torkler, Anna Waczek (Hg.)
Erzählend philosophieren
- ein Lehr- und Lesebuch


Annette Hilt, René Torkler, Anna Waczek (Hg.)
Verlag Karl Alber
EAN: 9783495490914 (ISBN: 3-495-49091-4)
456 Seiten, hardcover, 13 x 21cm, Juli, 2020

EUR 39,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
„Die gewissermaßen menschlichste der Künste ist die Dichtkunst, deren Material die Sprache selbst ist und deren Produkt dem Denken, das es inspiriert, am nächsten bleibt.“ Hannah Arendt

„In der Tat ist ein Text keine in sich abgeschlossene Identität. Er zielt über sich selbst hinaus auf eine mögliche Welt ab, eine Welt, in der ich wohnen könnte.“ Paul Ricœur
Rezension
„Walden oder Leben in den Wäldern“ von Henry David Thoreau, „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil, „Ulysseus“ von James Joyce, „Solaris“ von Stanisław Lem und „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ von Janne Teller sind bekannte Werke der Weltliteratur. Diese Bücher verbindet aber noch mehr, sie exponieren nämlich philosophische bzw. ethische Probleme. Bestimmte Ausschnitte aus ihnen und aus weiteren 15 narrativen Texten, versehen mit einleitenden philosophischen Deutungen dieser Textpassagen, sind abgedruckt in dem Band „Erzählend philosophieren – ein Lehr- und Lesebuch“, erschienen im Verlag Karl Alber. Herausgegeben wird das Werk von Annette Hilt (*1975), Vertretungsprofessorin für Philosophie an der Cusanus-Hochschule in Bernkastel-Kues, René Torkler (*1977), Professor für Geschichte und Didaktik der Ethik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und Anna Waczek (*1982), Akademische Rätin am Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur an der KU Eichstätt-Ingolstadt.
Die Wissenschaftlerinnen und der Wissenschaftler haben für ihren Band 19 Personen gebeten, fast ausschließlich Professorinnen und Professoren oder Lehrende der Philosophie bzw. Philosophiedidaktik, einen für sie wichtigen literarischen Text mit philosophischen Implikationen oder einen philosophischen Text mit literarischem Anspruch auszuwählen und in einer Interpretation vorzustellen. Abgesehen von Auszügen aus Platons „Symposium“ und Friedrich Nietzsches Werk sind in dem Buch ausschließlich literarische Texte versammelt. Darunter finden sich bekannte Werke wie die oben genannten und solche, die in der Philosophiedidaktik bisher kaum oder gar nicht gewürdigt wurden. Bis auf Janne Tellers Werk, das sich produktiv in der Mittelstufe einsetzen lässt, sind die anderen Texte primär für den Oberstufenunterricht geeignet. Die vorliegende Textauswahl, an der kein philosophisch-systematischer Anspruch gestellt wurde, beleuchtet kaleidoskopartig die Vielfalt literarischer Texte, die produktiv im Philosophie- und Ethikunterricht herangezogen werden können. Zu manchem gewählten Autor fallen einem selbst andere Schriften ein, die es verdienen Gegenstand des Philosophie- und Ethikunterrichts zu werden. Genannt seien beispielsweise Voltaires berühmter Roman „Candide oder Die beste Welt“ oder Anton Čechovs Erzählung „Von der Liebe“. In der Anregung, seine eigene Lesebiographie nach philosophisch gehaltvollen, literarischen Schriften zu durchforsten, liegt ein weiterer Verdienst von „Erzählend philosophieren“.
Besondere Erwähnung verdient auch die Einleitung des Bands, liefern in ihr doch die Herausgeberinnen und der Herausgeber überzeugende Argumente – philosophische, philosophiedidaktische, bildungstheoretische und literaturdidaktische - für den Einsatz von philosophisch relevanter Literatur im Philosophie-, Ethik- und Deutschunterricht. Unter Verweis auf Paul Ricœurs Konzept der „narrativen Identität“ begreifen sie die „Arbeit an narrativen Texten“ als „Arbeit am Selbst und der eigenen Selbst- und Weltdeutung“, was konstitutiv für philosophische bzw. ethische Bildungsprozesse ist. Diese Einsicht kann man auch mittels der hermeneutischen Philosophie Wilhelm Diltheys gewinnen, dessen Begriff „Lebenszusammenhang“ zumindest in der Einleitung erwähnt wird. Literatur zählt für den Begründer der Geisteswissenschaften genauso wie Kunst, Musik, Religion oder Philosophie zu den „Objektivationen des Geistes“, also zu den Formen des Menschen, mit denen er versucht, sich in ein Selbst-, Sozial- und Weltverhältnis zu setzen, um die Welt und sein eigenes Leben zu verstehen.
„Erzählend philosophieren“ ist ein gelungenes Lesebuch, dass die Fruchtbarkeit des Konzepts „Narrativität“ in der Philosophiedidaktik unterstreicht. Von einem Lehrbuch hätte man allerdings noch methodische Hinweise zur Textarbeit erwartet, oder konkrete Aufgabenstellungen zu den ausgewählten Texten. Durch den Band werden jedenfalls Lehrkräfte der Fächer Philosophie und Ethik motiviert, in ihrem Unterricht narrative Texte philosophischen Gehalts einzusetzen, um Schülerinnen und Schülern in ihrer philosophischen Reflexionsfähigkeit bzw. in ihrer ethischen Urteilsbildung zu fördern.
Fazit: „Erzählend philosophieren – ein Lehr- und Lesebuch“ kann daher in der Philosophie- bzw. Ethik-Lehrerausbildung tätigen Personen sowie Referendarinnen und Referendaren und Lehrkräften der Fächer Philosophie und Ethik nur zur Anschaffung empfohlen werden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Verlagsinfo
Erzählend philosophieren – ein Lehr- und Lesebuch (Gebundene Ausgabe)
von Annette Hilt (Herausgeber/in), René Torkler (Herausgeber/in), Anna Waczek (Herausgeber/in)
Gegenseitige Erhellung von Literatur und Philosophie
Anstöße für Lehre und Unterricht
Verlag Karl Alber
1. Auflage 2020
Gebunden
456 Seiten
ISBN: 978-3-495-49091-4
Bestellnummer: P490912
Von Platon zu Ferdinand von Schirach
Der Band versammelt literarische Texte verschiedenster Art, die philosophische Probleme exponieren und von Philosophen und Literaturwissenschaftlern eingeleitet werden. Als philosophisch-literarisches Lesebuch führt er über die Auseinandersetzung mit literarischen Texten an philosophische Probleme und das Philosophieren heran. Über den erzählenden Zugang zum Philosophieren bietet das Buch nicht zuletzt Anregungen für Studierende und Lehrende in Philosophie, Ethik, Deutsch und Germanistik, um literarische Texte in einer philosophischen Perspektive zu thematisieren. Mit Texten von James Joyce, Franz Kafka, Alice Munro, Robert Musil, Friedrich Nietzsche, Patrick Roth, Stanislaw Lem, Adalbert Stifter, Martin Walser u.a.
Inhaltsverzeichnis
Annette Hilt, René Torkler und Anna Waczek
Erzählend Philosophieren – Überlegungen zum Verhältnis von Philosophie, Bildung und Literatur 11
1. Klaus-Dieter Eichler: Philosophie und Erzählung in
Platons Symposion 43
Platon: Symposion 52
2. Johannes Rohbeck: Gute Vorsätze – böse Erfahrungen.
Über die Grenzen des menschlichen Glücks 68
Voltaire: Memnon oder die menschliche Weisheit 75
3. Katharina Bauer: »Saubere Moral …« –
Wie ein Moralphilosoph moralisch scheitert 81
Jakob Michael Reinhold Lenz: Zerbin oder
die neuere Philosophie 87
4. Walter Schweidler: Das mitgeteilte Selbst. Symbol und
Spiegel in Goethes Novelle »Wer ist der Verräter?« 109
Johann Wolfgang von Goethe: Wer ist der Verräter? 117
5. Annika Schlitte: Mehr als ein Gedankenexperiment:
Vom Leben und Schreiben in und mit der Natur 143
Henry David Thoreau: Wo und wofür ich lebte 152
6. Eva-Maria Heinze: Ehrfurcht vor dem Leben:
Adalbert Stifter und die Ethik des täglichen Umgangs am
Beispiel der Pflanzen und Bäume 165
Adalbert Stifter: Der Nachsommer 171
7. Klaus-Dieter Eichler: Friedrich Nietzsche und die
Freundschaft 180
Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches VI:
der Mensch im Verkehr 189
Friedrich Nietzsche: »Also sprach Zarathustra« 191
8. Anne Burkard: Zur ästhetischen Form und ethischen Wirkung von Anton Tschechows Erzählung »Schlafen, nur
schlafen!« 195
Anton Tschechow: Schlafen, nur Schlafen! 201
9. Stephan Grätzel: Ein internationaler Mythos 207
James Joyce: Ulysses 215
10. Annette Hilt: Die Macht des Erzählens: Grenzsituationen
und Umgang mit Schuld in Stefan Zweigs »Der Amokläufer« 234
Stefan Zweig: Der Amokläufer 243
11. Monika Sänger: Identitätskonstruktionen 277
Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften 285
12. Philipp Richter und Boris Schwitzer: Das Problem der wissenschaftlichen Welterschließung in Stanisław Lems
»Solaris«. Perspektiven einer philosophischen Kritik des Szientismus 306
Stanisław Lem: Solaris 314
13. Anna Waczek: Willkür und Grausamkeit:
Shirley Jacksons »Die Lotterie« 331
Shirley Jackson: Die Lotterie 339
14. Ina Brendel-Perpina: Über den Sinn des Lebens nachdenken
mit Janne Tellers Roman »Nichts. Was im Leben wichtig ist« 348
Janne Teller: Nichts. Was im Leben wichtig ist. 353
15. Damaris Nübel: Identität als Bild, Erzählung und
Grenzerfahrung 361
Paula Fox: Ein Bild von Ivan 369
16. René Torkler: »Wir leben im Gericht der Sprache.«
Eine Kriminalgeschichte als Reflexionsraum ethischen
Urteilens 377
Ferdinand von Schirach: Fähner 386
17. Susanne Nordhofen: Walsers Messias 394
Martin Walser: Talkshow 401
18. Nicola Mitterer: Dichtung und Wahrheit –
Alice Munros Kurzgeschichte Kies und die
(Un-)Möglichkeiten des Erzählens und Erinnerns 412
Alice Munro: Kies 418
19. Holger Zaborowski: »Hoffen wider Wissen«.
Von der Würde der Barmherzigkeit 432
Patrick Roth: Abrahams Erbarmen 439
Die Beitragenden des Bandes 445
Textnachweise 449