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Erinnerungsethik  Susanne Möbuß
Erinnerungsethik


Susanne Möbuß
Schwabe Basel
EAN: 9783796551543 (ISBN: 3-7965-5154-8)
264 Seiten, hardcover, 16 x 23cm, Juni, 2024

EUR 52,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Siehe Verlagsinformation.
Rezension
Innerhalb der Geschichtswissenschaft und in der Öffentlichkeit gibt es Kontroversen über die Formen und die Denkmäler des Erinnerns. Rechtspopulistische und -extreme Parteien fordern gar eine erinnerungspolitische Wende und betreiben eine Relativierung des Nationalsozialismus und des Holocaust. Erinnern ist also Gegenstand gegenwärtiger Geschichtspolitik. Bisher wurde allerdings kaum erkannt, dass den gegenwärtigen Debatten eine ethische Dimension zukommt.
Umso verdienstvoller ist es daher anzusehen, wenn diese identifiziert und Erinnern philosophisch analysiert wird. Dieses macht Susanne Möbuß (*1963) in ihrem neuen Buch, das den bezeichnenden Titel „Erinnerungsethik“ trägt. Erschienen ist die Monographie der außerplanmäßigen Professorin für Philosophie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg im Schwabe Verlag. Die Wissenschaftlerin kann gute Gründe für die Legitimität einer Auseinandersetzung mit einem eigenen Teilgebiet „Erinnerungsethik“ anführen. Ziel ihrer Abhandlung ist die Entwicklung eines „eigens entworfenen Konzeptes memorialer Ethik“(S. 8). Dazu untersucht sie u.a. das Verhältnis der Begriffe „Erinnern“, „Schuld“ und „Verantwortung“. Bezug nimmt sie dabei auf Immanuel Kants Aufklärungsaufsatz, Theodor W. Adornos Radiovortrag „Erziehung nach Auschwitz“ und auf Bücher von Aleida Assmann und Jan Assmann zum kulturellen Gedächtnis, insbesondere aber auf die Dialogphilosophie Franz Rosenzweigs, Arbeiten zur politischen Philosophie von Hannah Arendt, auf die Existenzphilosophie von Karl Jaspers, den Existenzialismus Jean-Paul Sartres und die Alteritätsphilosophie von Emmanuel Lévinas. Dabei vermisst man eine Referenz auf die Schriften von Paul Ricɶur zu Erinnern und Vergessen.
Möbuß elaboriert in ihrer Monographie die handlungstheoretische Bedeutung der Praxis des Erinnerns. Ihre Erkenntnis fasst sie in dem abschließenden Satz ihres Werks folgendermaßen zusammen: „Der Mensch, der erinnert, überlässt für Augenblicke die Stätte seiner raum-zeitlichen Präsenz dem Anderen, damit dieser aus der Abwesenheit wirken könne.“(S. 253) Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik und Geschichte werden durch den vorliegenden Band motiviert, sich in ihrem Fachunterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt, mit der Thematik „Erinnern und Ethik“ problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Susanne Möbuß leistet mit ihrem Buch „Erinnerungsethik“ einen wichtigen philosophischen Beitrag zum Erinnern und zu geschichtspolitischen Debatten. Zugleich unterstreichen ihre Ausführungen die Aktualität der Existenz- und Alteritätsphilosophie angesichts der Gefahr historisch-kultureller Amnesie.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Das Erinnern an den Holocaust und an andere Genozide ist immer wieder und auch aktuell Gegenstand heftiger Diskussionen. Diese werden jedoch nicht selten im Sinne politischer oder ideologischer Interessen geführt; das Erinnern wird zum Spielball tagespolitischer Auseinandersetzungen. Doch Erinnern ist Ausdruck existentieller Verantwortung. Dieser Einsicht entsprechend wird in diesem Band die ethische Bedeutung des Erinnerns philosophisch reflektiert und eine Ethik des Erinnerns erarbeitet. Die Grundlage hierfür bildet eine kritische Auseinandersetzung mit den Mitteln der Existenzphilosophie.
Autor/in
Susanne Möbuß studierte Philosophie und Geschichte und lehrt an den Universitäten Oldenburg und Hannover. In ihren Veröffentlichungen beschäftigt sie sich mit Existenzphilosophie und Jüdischer Philosophie. Bei Schwabe erschien zuletzt Gelingendes Sein. Existenzphilosophie im 21. Jahrhundert (2023).
Inhaltsverzeichnis
vorangestellte Bemerkung 7
I. Rückblick 9
Im Geist der Aufklärung 14
Kollektivierungen 37
Zur Schuldfrage 42
Existenzphilosophische Orientierung 55
Gegenüberstellung 60
II. Vorausschau 81
«Der Katechismus der Deutschen» 85
Erinnern 96
Handeln 104
Auf Welt bezogen 118
Was Wert sei 124
Die Übernahme 131
Befreit zu sich selbst 158
Verantwortung 168
Das Verbindende 173
Der Wert des Seins 180
Das Schützen 188
Existenz 195
Arbeit am Sein 203
Wahrheit 216
Präsenz in Abwesenheit 222
Die Einwilligung 231
Raum geben 238
Symmetrische Relationalität 244
Literatur 255
Philosophie 255
Ergänzende Texte 257
Internetquellen 258
Dank 261