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Dissidentisches Denken Reisen zu den Zeugen eines Zeitalters
Dissidentisches Denken
Reisen zu den Zeugen eines Zeitalters




Marko Martin

Die andere Bibliothek
EAN: 9783847704157 (ISBN: 3-8477-0415-X)
540 Seiten, hardcover, 13 x 22cm, Juli, 2019

EUR 42,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Der Kampf gegen die Macht ist der Kampf des Gedächtnisses gegen das Vergessen.

Milan Kundera

Marko Martin nimmt uns mit auf eine Reise zu dissidentischen Zeugen der Totalitarismen des vergangenen Jahrhunderts: Raisa Orlowa-Kopelew, Mariana Frenk-Westheim, Jürgen Fuchs, Manés Sperber, Arthur Koestler, Hans Sahl, Czesław Miłosz, Milan Kundera, Pavel Kohut, Edgar Hilsenrath, Tomas Venclova, Horst Bienek und viele mehr – ihr Denken kann uns helfen gegen die Erinnerungslosigkeit.

Die Schicksale der Autoren und Autorinnen, mit denen Mirko Martin spricht oder die er einfühlsam porträtiert, sind eigentümlich miteinander verflochten: als Emigranten aus NS-Deutschland oder als Renegaten des parteikommunistischen Denkens – mitunter verbindet sich beides – haben sie geschichtliche Brüche an ihrer eigenen Existenz erfahren. In ihrer illusionslosen Kritik an den Regimen und Ideologien haben sie ein feines Gespür für Gefährdungen entwickelt, die uns auch heute, autokratisch oder nationalistisch beunruhigen.
Rezension
Manés Sperber, Arthur Koestler, Horst Bienek, Jürgen Fuchs, Milan Kundera und Pavel Kohut. Was verbindet diese Schriftsteller miteinander? Sie waren bzw. sind Dissidenten. Das Wort „Dissident“ lässt sich etymologisch auf das lateinische Verb „dissidere“ zurückführen, das die Bedeutung „auseinander sitzen“, „nicht übereinstimmen“ besitzt. Das Wort „dissen“, welches zum Sprachgebrauch heutiger Jugendlichen zählt, erinnert auch an diese Wortbedeutung. Als Dissidenten bezeichnet man gemeinhin Personen, die nicht mit der Politik von Diktaturen oder autoritären Regimen übereinstimmen, aufgrund ihrer Kritik an den Herrschenden vielfach in Gefängnissen oder Arbeitslagern saßen und oftmals aus ihrem Land emigrieren mussten.
Die Schicksale von 22 Dissidenten – davon fünf Frauen – werden in dem Buch „Dissidentisches Denken. Reisen zu den Zeugen eines Zeitalters“ von Marko Martin (*1970) prägnant porträtiert. Bekanntheit erlangte der Schriftsteller und Publizist durch seine Erzählbände „Schlafende Hunde“(2009) und „Die Nacht von San Salvador“(2013) sowie seinen Essayband „Treffpunkt `89“(2014). Wiederkehrendes Thema seiner Arbeiten ist die Auseinandersetzung mit Fremdheitserfahrungen, so auch in seinem 2019 publizierten Buch „Dissidentisches Denken“. Erschienen ist es als 415. Band in der auf bibliophile Bücher spezialisierten Reihe „Die Andere Bibliothek“. Die von Martin getroffene Auswahl an Dissidenten überzeugt, es finden sich unter ihnen weltbekannte und weniger bekannte, Opfer des Nationalsozialismus und Opfer kommunistischer Diktaturen. Sie alle dienen als „Zeitzeugen“ des 20. Jahrhunderts. Martins Ausführungen, die zum Teil auf persönlichen Gesprächen mit den Dissidenten basieren, sind eine gelungene Mischung aus verschiedenen Textsorten: Reportage, biographische Skizze und Essay. Mit seinem Werk beleuchtet Martin differenziert die Sozialfigur des Dissidenten mit seinen biographischen Brüchen. Lehrkräfte der Fächer Geschichte, Deutsch und Literatur werden durch das auch ästhetisch ansprechend gestaltete Buch motiviert, sich in ihrem Fachunterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt mit Leben und Werk von Dissidenten problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Der Band „Dissidentischen Denken“ von Marko Martin leistet einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Gedächtnis an Dissidenten.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Im Gedenkjahr an die Wende(n) des Jahres 1989: die geistigen Vorarbeiter, dissidentischen Denker und Wortführer der Kritik an den Regimen und Ideologien
Marko Martins essayistisch-erzählerische Spurensuche nimmt uns mit auf eine europäische (mitunter auch außereuropäische) Reise zu Orten, zu Büchern und vor allem zu Menschen, deren Denken uns gegen die Erinnerungslosigkeit helfen kann: Die meisten sind Überlebende einer Zeit, die wir bereits hinter uns glaubten und die totalitär oder nationalistisch gerade heute wieder beunruhigende Schatten wirft.
Die Autoren, die Marko Martin trifft oder erinnert, mit denen er spricht oder die er porträtiert, mehr oder weniger berühmt oder vergessen, und deren Schicksale eigentümlich miteinander verflochten sind, haben uns allen etwas voraus: die existenzielle Erfahrung geschichtlicher Brüche, die das Individuum bedrohen. Es sind dissidentische Jahrhundertzeugen in Ost und West.
2019, im Jahr des Erinnerns an die Epochenzäsur von 1989, ist es sinnvoll, uns zu vergegenwärtigen, dass diese Umwälzungen eine Vorgeschichte haben, die die Geschichte erst zu einer ganzen Geschichte werden lässt.
Czesław Miłosz, aus Polen geflüchtet, wird zum Freund von Albert Camus, Max Brod rettet sich aus Prag nach Tel Aviv, wo er Edgar Hilsenrath erste literarische Impulse gibt, Jean Améry traf in Auschwitz auf Primo Levi. Vom Charta-77-Mitbegründer Jan Patocka führt eine Spur zu Meisterdenker André Glucksmann in Paris, vom Brecht-Schüler Horst Bienek zum Romancier und Menschenkenner Julien Green. In Prag trifft Marko Martin den 68er-Romancier Pavel Kohout, der sich wieder illusionslos gegen die autoritäre Politik engagiert.
Aus Besuchen, Reisen und Porträts entsteht ein dichtes geistiges Gewebe, in dem neben anderen Václav Havel und Milan Kundera, André Gorz oder Josef Skovrecky, Ahron Appelfeld oder Jürgen Fuchs in der DDR mitwirken.
Inhaltsverzeichnis
Vorrede
Ein Geflecht wird entziffert 10
Raissa Orlowa-Kopelew
Nachrichten aus Freundesland 30
Jürgen Fuchs
Utopia ist hier 44
Manés Sperber
Wider den Meinungssuff 76
Hans Sahl
„Als wär ich nie gewesen oder kaum“ 100
Melvin J. Lasky
Schicksalsort Berlin 124
Pavel Kohout
Skeptisch an der Moldau 150
Josef Škvorecký
Bohemia Forever 165
Milan Kundera
Verrat aus Freiheitsliebe? 194
Horst Bienek
Das Leid der Anderen 202
Jezy Giedroyc und Zofia Hertz
Die kleine Villa bei Paris 218
Tomas Venclova
„Wenn selbst die Fremden keine Fremden sind …“ 242
Czesław Miłosz
Ewiges Staunen 74
Arthur Koestler
Ein Mann springt in die Tiefe 306
François Fejtö
Zwischen Budapest und Paris 340
František Listopad
„Lieber nicht“, sagte Herr L. und verschwand 356
Elisabeth Fisher-Spanjer
„Bei mir war immer Mauerfall!“ 380
Robert Schopflocher
Martin Buber und die jüdische Gemeinde 402
Edgar Hilsenrath
„Da irrte Max Brod“ 426
Alexander Spiegelblatt
Schatten klopfen ans Fenster 454
Aharon Appelfeld
Vom Finden der Wörter 466
Anne Ranasinghe
Rilke in Columbo 478
Mariana Frenk-Westheim
„Welten von Verben kommen über mich“ 494
Literaturverzeichnis 537