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Die theologische Lesbarkeit von Literatur im 20. Jahrhundert Studien zu einer verdrängten Hermeneutik Zugl.: Luzern, Univ., Diss., 2007
Die theologische Lesbarkeit von Literatur im 20. Jahrhundert
Studien zu einer verdrängten Hermeneutik


Zugl.: Luzern, Univ., Diss., 2007

Rolf Bossart

Königshausen & Neumann Verlag
EAN: 9783826041693 (ISBN: 3-8260-4169-0)
216 Seiten, paperback, 16 x 24cm, 2009

EUR 39,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Wer einen Text deutet, trägt sein Begehren an ihn heran. Die Methoden der Literaturwissenschaft haben dieses Begehren im 20. Jahrhundert zunehmend als ideologisch oder subjektivistisch verdrängt. Aber das Verdrängte kehrt wieder, und zwar mit Vorliebe in den Grenzbereichen der herrschenden Vernunft. Zum Beispiel, so die These dieser Untersuchung, als Theologie. In der Tat ist festzustellen, dass Autoren wie Walter Benjamin, Ernst Bloch und auch Sigmund Freud auf theologisch geprägte Deutungstraditionen zurückgreifen, um die Texte, mit denen sie arbeiten, umfassend zum Reden zu bringen. Diese Deutungen sind zu lesen als Protest gegen die Unzulänglichkeiten der aufgeklärten Vernunft. Aber gleichzeitig sind sie die Suche nach Bündnismöglichkeiten mit den verdrängten Stoffen der Aufklärung, im Namen von Aufklärung und im Interesse der durch unzureichende Aufklärung beschädigten Subjekte. Der Begriff der theologischen Lesbarkeit fragt nach dieser Art von Bündnisfähigkeit in den Texten.
Rezension
Diese Luzerner Dissertation geht davon aus, dass im 20. Jahrhundert Autoren wie Walter Benjamin, Ernst Bloch und auch Sigmund Freud auf theologisches Sprachmaterial und theologisch geprägte Deutungstraditionen zurückgreifen. Das zeigt nach Ansicht des Verfassers, dass literarische Texte nicht allein mit Aufklärung und Vernunft zu behandeln sind, sondern von Begehren geprägt sind. "Die theologische Lesbarkeit von Literatur im 20. Jahrhundert" (Titel!) gilt es mithin zurückzugewinnen als eine "verdrängte Hermeneutik" (Untertitel!). Das exemplifiziert der Autor an Ernst Bloch, Walter Benjamin, Reinhold Schneider, Sigmund Freud und Jürgen Ebach.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Als Folge des Zerfalls der einheitlichen Sinnsysteme im 20. Jahrhundert hat auch die Literaturwissenschaft ihre Sinn-Ansprüche schrittweise reduziert. Ihre Glaubwürdigkeit als auslegende Wissenschaft erhoffte sie sich zu erhalten, indem sie ihre Ergebnisse auf vergleichbare, quantifizierbare und jedermann einsichtige Aussagen abstützte. Das hat sie in die Sackgasse einer im Ergebnis inhaltsleeren Sinnskepsis getrieben. Auch ist es üblich, das eigene Begehren oder die eigene Faszination, die man bestimmten Texten gegenüber hat, nur als biographische Fussnote zu verraten. Es ist zu vermuten, dass damit zentrale Potentiale der Texte verdrängt werden. Aber das Verdrängte kehrt wieder, und zwar mit Vorliebe an den Unorten und in den Grenzbereichen der herrschenden Vernunft. Zum Beispiel, so die These dieser Untersuchung, als Theologie. In der Tat ist festzustellen, dass im 20. Jahrhundert Autoren wie Walter Benjamin, Ernst Bloch und auch Sigmund Freud auf theologisches Sprachmaterial und theologisch geprägte Deutungstraditionen zurückgreifen. Diese theologischen Deutungen sind zu lesen als Protest gegen die Unzulänglichkeiten und Beschränkungen der aufgeklärten Vernunft. Aber gleichzeitig sind sie die Suche nach Bündnismöglichkeiten mit den verdrängten Stoffen der Aufklärung, im Namen von Aufklärung. Der Begriff der theologischen Lesbarkeit fragt nach dieser Art von Bündnisfähigkeit in den Texten. Der Autor Rolf Bossart studierte in Freiburg i.Ue. Theologie, Geschichte und Pädagogik und promovierte in Luzern. Er ist Redakteur der Monatsschrift Neue Wege und lebt als Lehrer und Publizist in St.Gallen.
Inhaltsverzeichnis
Prolog über Anschauung und Deutung 8

Der Isenheimer Altar, Betrachtungen über Tod und Auferstehung, eine Bilddeutung 8

Einleitung 14

Erster Teil: Versuche über Zumutungen und Zumutbarkeiten der theologischen Lesung von Literatur 23


1. Über die Voraussetzungen der Literaturkritik im 20. Jahrhundert. Sieben Thesen über die ästhetische Lesbarkeit der Welt 25

2. Sechs theoretische Versuche zu einer unverstümmelten Hermeneutik im Spannungsfeld von Literaturwissenschaft und Theologie 41

2.1 Theologie als Anmassung. Auszug aus der Wissenschaft? 41
2.2 Eine neue Verkündigung? 44
2.3 Zum Ziel einer theologischen Lesung 48
2.4 Zum Material einer theologischen Lesung 51
2.5 Zur Sprache einer theologischen Lesung 58
2.6 Zum Problem einer theologischen Hermeneutik 63

Zweiter Teil: Einzelstudien zum Begriff der theologischen Lesbarkeit 78

1. Ernst Bloch: Theorie der gegenläufigen Tendenz 79

Ansätze: Hoffnung als Erwartung 79
Thema: Die Erfahrung beugt sich der Erwartung 83
Durchführung: „Nichts wird zur Enttäuschung und zur Psychologie" 88
Zusätze: Die Unabgeschlossenheit der Vergangenheit als Zukunft 91

2. Walter Benjamin: Im theologischen Glutkern von Kunst 95

Ansätze: Theologie wird nicht von Benjamin betrieben, sondern Benjamin von der Theologie 95
Thema: Abstieg und Erkenntnis 101
Durchführung: Wahrheit des Scheins 107
Zusätze: Rettung des Stofflichen durch Herausschlagen aus der Zeit 112

3. Reinhold Schneider: Gegen das Schwinden des Tragischen 116

Ansätze: „Die Vision reisst alles an sich" 116
Thema: Macht als Verzicht auf Macht 119
Durchführung: Humanisierung als bleibender Kampf 123
Zusätze: Wahrheit als Widerspruch ist Prophetie 127

4. Sigmund Freud: Sich selber fürwahr nehmen 133

Ansätze: Symptomatisches, nicht symbolisches Lesen 133
Thema: Dialektik von Dogma und Spaltung, Unterweltfahrt und Aufklärung 142
Durchführung: Zitat und Affekt 147
Zusätze: Objekte des Begehrens 159

5. Jürgen Ebach: Gegen die Macht des Schicksals 163

Ansätze: Erzählen ist Zeugenschaft des Entrinnens 163
Thema: Vielfalt ohne Beliebigkeit 168
Durchführung: Ein einzelnes Wort trägt den Sinn der ganzen Tora 174
Zusätze: Predigen heisst Zitieren 183


Abschluss und Zusammenfassung: Was beinhaltet eine theologische Lesung? 186

A Erste allgemeine Konkretion 186
B Zwei allgemeine Voraussetzungen für eine theologische Lesung 188
C Einzelne Themen und Vorgehensweisen 195
D Kurze Spekulationen zum notwendigen Ort der Theologie 201
Literaturverzeichnis 204