In der deutschen Geschichtswissenschaft wurde in den letzten Jahrzehnten vehement darüber gestritten, wie die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart zu beurteilen bzw. zu charakterisieren ist. Verschiedene Deutungskategorien wie Nationalität, Internationalisierung, Modernisierung, Liberalisierung, Nachgeschichte des Dritten Reiches bestimmten den historischen Diskurs (vgl. S. 11-17). Keine dieser Ansätze konnte sich in der historischen Zunft bisher durchsetzen. Dieses könnte sich mit der von dem international anerkannten Zeithistoriker Edgar Wolfrum benutzten >Leitperspektive< für die deutsche Geschichte seit 1945 ändern. Sie lautet wie der Titel seines neuen Buches >Die geglückte Demokratie<. Der Heidelberger Geschichtsprofessor bekennt, dass sein Buch >von einer kritischen Sympathie für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland getragen< (S. 18) getragen ist.
Anstelle einer historistischen Erzählung der deutschen Nachkriegsgeschichte liefert Wolfrum die >erste moderne Gesamtdarstellung der Bundesrepublik<.
Er gliedert die 60 Jahre deutscher Geschichte chronologisch in verschiedene Abschnitte. Das Besondere seines Ansatzes liegt darin, dass jeder Zeitabschnitt wiederum in >drei systematische Kapitel< (S. 17) untergliedert ist, nämlich zur Innenpolitik, zur Außenpolitik und zur Sozialkultur, also zum >Zusammenhang von Gesellschaft und Kultur< (S. 17). Der Wissenschaftler entgeht mit seiner Trias einer Verengung von Geschichte auf politische Geschichte. Außerdem gelingt es ihm durch seinen Ansatz die deutsche in die europäische und internationale Geschichte einzubetten.
Wolfrums Darstellung der deutschen Geschichte zeugt von präziser Kenntnis des historischen Forschungsstands sowie von historischer Urteilskraft. Als Beispiel dafür sei nur seine Beurteilung der 68er-Bewegung angeführt. Wolfrum differenziert in Anlehnung an Friedrich Nietzsches drei Formen der Geschichtsbetrachtung zwischen einer monumentalischen und einer antiquarischer Sicht der 68er Bewegung (S. 270). Bei der Geschichte der RAF zeigt Wolfrum auf, wie ihre Mitglieder an ihrem Mythos arbeiteten (S. 343). Der Zeithistoriker unterlässt es bei seiner Darstellung und Deutung der 1970er Jahre auch nicht, an die rechtsradikale Zirkel dieser Zeit zu erinnern (S. 344).
Das Buch des Wissenschaftlers zur Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zeichnet sich nicht nur durch hervorragende Lesbarkeit aus, sondern auch durch eine exzellente Bildauswahl. Das Photo zur Ölkrise, auf dem Hotelgäste mit einem von Pferden gezogenen VW-Bulli vom Bahnhof abgeholt werden (Abb.50, S. 336), ist dafür nur einer von vielen Belegen. Wolfrum gelingt es in seinem Werk in geradezu didaktisch vorbildlicher Weise historische Zusammenhänge anhand einzelner historischer Details zu verdeutlichen. Hilfreich für den Geschichtslehrer sind auch die Zeittafel, die Tabellen und Karten sowie das ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis.
Fazit: Wolfrums Buch >Die geglückte Demokratie< ist ein 'Muss‘ für jeden Geschichtslehrer und gehört in jede gute Schülerbibliothek.

Dr. Marcel Remme, lehrerbibliothek.de

Edgar Wolfrum bietet eine lebendig erzählte, multiperspektivische Geschichte der Bundesrepublik für unsere Zeit: gleichgewichtig behandelt er Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Mentalitäten.
Zugleich bettet er die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in die europäische und internationale Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein.

Nach all den Katastrophen der deutschen Geschichte ist die Bundesrepublik ein Glücksfall. Ihre Geschichte handelt nicht von einem dramatischen Niedergang, sondern von einem erstaunlichen Aufstieg. Die Bundesrepublik wurde im Kalten Krieg zu einem Anker der Stabilität, sie entfaltete seit den sechziger Jahren eine neue Dynamik hin zu einer weltoffenen Gesellschaft, garantierte Wohlstand und meisterte ab Mitte der siebziger Jahre viele Krisen besser als andere westliche Staaten.

Diese moderne Gesamtdarstellung der Bundesrepublik erzählt gleichgewichtig auf drei Ebenen: Innenpolitik, Außenpolitik, Sozialkultur. So entsteht ein faszinierendes Bild sowohl der Strukturen und Ereignisse als auch der handelnden Personen und der bundesdeutschen Gesellschaft.

Die unverhoffte Wiedervereinigung 1990 rundet den Glücksfall ab. Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert steht die deutsche Demokratie vor neuen Herausforderungen. Im Rückblick erkennen wir, wie wir wurden, was wir sind. Doch die Zukunft ist offen.

Behandelte Themen:
- Innenpolitik: die politischen und ökonomischen Konflikte, der demokratische Streit um Entscheidungen, Regierungshandeln und Regierungswechsel im föderalen Staat.

- Außenpolitik: das Problem von zunehmender supranationaler Einbettung der Bundesrepublik einerseits und fortbestehender deutscher Teilung andererseits; die europäischen und weltweiten Verflechtungen und der Weltmarkt.

- Sozialkultur: das Gefüge von Gesellschaft und Kultur, die innere Demokratisierung und die neuen Belastungen, die sozialen Umformungen, der Wertewandel, die lebensweltlichen Umbrüche, die Lernprozesse und die Erfahrungen der Menschen.

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