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Die Welten des Mittelalters Globalgeschichte eines Jahrtausends
Die Welten des Mittelalters
Globalgeschichte eines Jahrtausends




Michael Borgholte

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406784460 (ISBN: 3-406-78446-1)
1102 Seiten, hardcover, 17 x 25cm, März, 2022

EUR 48,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die globalisierte Welt der Gegenwart mit ihren Orientierungskrisen erfordert eine Neubestimmung auch des Mittelalters jenseits eurozentrischer Blickverengungen. Michael Borgolte zeigt in seiner magistralen Darstellung, dass Europa zwar stets ein Teil der größten «Welt» von drei Kontinenten – Europa, Asien und Afrika – war, aber sich erst in einem langanhaltenden historischen Prozess aus seiner globalen Randposition befreien und zur eigenständigen Gestaltungsmacht werden konnte. Der bedeutende Mediävist legt damit nichts Geringeres vor als die erste Globalgeschichte der mittelalterlichen Welt.
Rezension
Lässt sich die Epoche des Mittelalters als ausschließlich europäisches und christliches Zeitalter begreifen? Nein, diesen eurozentrischen Mythos widerlegt Michael Borgholte (*1948) eindrücklich in seinem monumentalen Werk „Die Welten des Mittelalters. Globalgeschichte des Jahrtausends“, erschienen bei C.H. Beck. Bekanntheit erlangte der emeritierte Professor für mittelalterliche Geschichte an der Humboldt-Universität (Berlin) u.a. durch seine Bände „Die mittelalterliche Kirche“(1992/2. Aufl. 2004), „Europa entdeckt seine Vielfalt 1050-1250“(2002), „Christen, Juden, Muselmanen. Die Erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes 300 bis 1400 n. Chr.“(2006) und „Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte. Von 3000 v.u.Z. bis 1500 u.Z.“(2017).
Dass der renommierte Wissenschaftler ein exzellenter Kenner mittelalterlicher Geschichte ist und sein umfangreiches Fachwissen hervorragend zu neuen Erkenntnissen verknüpfen kann, demonstriert er überzeugend in seinem Buch zur „Globalgeschichte des Mittelalters“. Wie der Titel zeigt, hält Borgholte - im Unterschied zu manchem Mediävisten und Islamwissenschaftler - an der Epochenbezeichnung „Mittelalter“ für den Zeitraum zwischen 500 und 1500 u.Z. fest. Der von ihm gewählte Begriff „Globalgeschichte“ – in Abgrenzung zum Begriff „Universalgeschichte“ – verdeutlicht, dass es in dem Werk des Historikers nicht um eine Darstellung der ganzen Weltgeschichte während des Mittelalters geht, sondern um die Geschichte miteinander vernetzter Kommunikationsräume. Als solche identifiziert er die „trikontinentale Ökumene“, die Welten der drei Kontinente Europa, Afrika und Asien. Für diese globalisierten Räume prägte Borgholte schon in früheren Publikationen den Neologismus „Eufrasien“. Dabei kann er sich auf die menschliche Selbstwahrnehmung der Welt als dreigeteilte berufen, wie sie in antiken und mittelalterlichen Karten zum Ausdruck kommt.
Den kulturellen Austausch, die religiösen Beziehungsnetze und die Wirtschaftsbeziehungen in Eufrasien zeigt Borgholte in seiner neuen Studie fachlich fundiert auf, unter Heranziehung einer immensen Fachliteratur. Dadurch gelingt es ihm, in der Öffentlichkeit bisher wenig bekannte historische Zusammenhänge aufzuzeigen und einen Beitrag zur Erweiterung des historischen Horizonts zu leisten. Kulturelle Vernetzung gehört zur Signatur von Geschichte, das wird durch Borgholtes Buch erneut belegt. Zudem zeichnet es sich durch sehr gute Lesbarkeit aus. Lehrkräfte der Fächer Geschichte und Religion werden durch die Lektüre der Monographie geradezu eingeladen, die vielfältigen kulturellen, religiösen und ökonomischen Beziehungen Eufrasiens in ihrem Unterricht zu beleuchten und zu problematisieren.
Fazit: Michael Borgholte ist mit seinem augenöffnenden Buch „Die Welten des Mittelalters“ ein historisches Standardwerk gelungen, das von allen an der Geschichte – insbesondere an der Globalgeschichte - Interessierten verdient gelesen zu werden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Borgolte, Michael
Die Welten des Mittelalters
GLOBALGESCHICHTE EINES JAHRTAUSENDS
Die globalisierte Welt der Gegenwart mit ihren Orientierungskrisen erfordert eine Neubestimmung auch des Mittelalters jenseits eurozentrischer Blickverengungen. Michael Borgolte zeigt in seiner magistralen Darstellung, dass Europa zwar stets ein Teil der größten «Welt» von drei Kontinenten – Europa, Asien und Afrika – war, aber sich erst in einem langanhaltenden historischen Prozess aus seiner globalen Randposition befreien und zur eigenständigen Gestaltungsmacht werden konnte. Der bedeutende Mediävist legt damit nichts Geringeres vor als die erste Globalgeschichte der mittelalterlichen Welt.
Anders als heute war die mittelalterliche Welt noch nicht global vernetzt. Sie war geprägt von zahlreichen Lebenswelten, die sich inselartig über den Globus verteilten, von Amerika bis China, im Nordmeer und Pazifik, unterschiedlich verdichtet in Europa und Afrika. Doch diese Inseln waren nicht alle isoliert. Es entstanden zahlreiche wirtschaftliche, kulturelle und religiöse Verbindungen von einer Intensität und Weite, die der Antike noch unbekannt waren. Mit stupender Gelehrsamkeit entfaltet Michael Borgolte in seinem Buch ein Panorama dieser Welten des Mittelalters und verknüpft sie zu einer Globalgeschichte, wie sie – auch international – noch nie geschrieben worden ist.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung – Die Traditionen der dreigeteilten Welt und
die Imaginationen der Fremde 13
II. Die Wirklichkeiten der Fremde 33
1. DIE BEIDEN AMERIKAS 34
a) Der Norden 38
b) Mesoamerika 43
c) Der Süden 53
2. DIE WELTEN DES PAZIFIKS 59
3. DIE FREMDE DER EUROPÄISCH-AFRIKANISCH-ASIATISCHEN ÖKUMENE 75
III. Eufrasien: Verknüpfungen in der trikontinentalen Menschenwelt 77
1. ZWISCHEN DEN LOSEN ENDEN DES NETZES: SCHWARZAFRIKA UND ARKTISCHE KÜSTENLÄNDER 79
2. REICHE ALS KOMMUNIKATIONSRÄUME 92
a) Afrika 93
Am Rand der antiken Ökumene 93
Politische Neuordnungen durch islamische Eroberung 106
‹Friedliche› Muslime als Paten binnenafrikanischer Reiche 127
b) Asien 134
Ein politischer Spannungsbogen zwischen Mittelmeer und Gelbem Meer im Altertum 137
Mittelalterliche Reiche als Kettenglieder der Kommunikation 158
Von der Mandschurei bis Arabien 158 – Indien 167 – Südostasien 177 –
China und seine ‹Fremdvölker› 187 – ‹Weltherrschaft› der Dschingisiden
und ihr Erbe 195 – Korea und Japan 201 – Das Reich der Osmanen: Brücke
nach Europa 204
Reiche in Asien: Verdichtung und Erweiterung des antiken Erbes 208
c) Europa 209
Das Erbe eines trikontinentalen Reiches 211
Das großfränkische und das römisch-deutsche Reich 219
Byzanz: Kaiserreich und Hegemon 237
Dynamiken an den Rändern 252
Spanien 253 – Skandinavien 256 – Keltische Reiche, Frankreich und
England 265 – Ostmitteleuropa 279 – Rus’ 288 – Die Kreuzzüge:
Multiethnische Unternehmungen und die Bildung neuer Staaten und
Kolonien 294
d) Imperiale Bestrebungen im Mittelalter: Globalisierung als Gewaltgeschichte 302
3. BEZIEHUNGSNETZE DER RELIGIONEN 308
a) In den Grenzen von ‹Volk› und Land 310
Shintô: Eine mittelalterliche Hybrid-Religion Japans 310
Jainismus: Dispersion indischer Wandermönche und Laien im asiatischen Subkontinent 312
b) Im größten der Erdteile 318
Zoroastrismus: Eine persisch-indische Geschichte 318
Brahmanentum und hinduistische Religionen: Eine Diffusion indischer
Errungenschaften nach Südostasien 329
Buddhismus: Von der Erleuchtung eines Einzelnen zur panasiatischen
Religion 333
Indische Ursprünge 333 – Verbreitung übers Meer 342 – Auf Landwegen
nach Norden und Osten 345
Konfuzianismus und Daoismus: Zwei Lehren Chinas und der
bescheidene Radius ihrer Strahlkraft 357
c) In der trikontinentalen Welt 375
Judentum: Universelle Insularität einer ‹Nationalreligion› 375
Frühe Migrationen und die Wahrung des jüdischen Zusammenhangs 376 –
In Asien 385 – In Afrika 395 – Im Reich von Byzanz und in Italien 400 – Im
westlichen Europa 405
Drei Christenheiten und dezentrale Sonderkirchen 422
Die Alte Kirche und die Stiftung trikontinentaler Kohärenz 423 – Die
ostsyrisch-persische ‹Kirche des Ostens› 427 – ‹Nestorianer› und römische
Katholiken in Ostasien 442 – Die ‹Orthodoxen Kirchen der Drei
Konzilien› 456 – Von der römischen Reichskirche zur Kirche von
Byzanz 466 – Die eufrasische Gemeinschaft orthodoxer Kirchen in ihrem
asiatischen und afrikanischen Spannungsfeld 473 – Historische Sonderfälle:
Georgier und Maroniten 480 – Die byzantinische Orthodoxie in Relation
zur lateinischen Kirche in Osteuropa 482 – Griechisches Christentum in
Italien 499 – Zwischen Eurozentrismus und Universalität: Die römisch-katholische Kirche 511
Eine restringierte Universalreligion: Der Manichäismus 554
Islam: Religion des eufrasischen Mittelalters 564
d) Christen und Muslime des Mittelalters als religiöse Pioniere der
Globalisierung 585
4. DER FERNHANDEL 593
a) Abreißende Bindungen am Beginn? 593
b) West-östlicher Handel über das Meer: Erneuerungen und Erweiterungen im
frühen Mittelalter (7. bis 11. Jahrhundert) 620
Die Erschließung der nördlichen Meere 620
Das multipolare Mittelmeer 640
Die ‹nassen Seidenstraßen› 677
c) Unterbrechung der maritimen Transversale und Bildung interagierender
Netzwerke (ca. 1100–1350) 695
Das Mittelmeer als Meer des Westens 696
Formierung und Beitritt Europas hinter den Bergen 723
Verkettung ökonomischer Kreise in Eufrasien 764
d) Zwischen regionaler Selbstbeschränkung und globaler Entgrenzung:
Die eufrasische Welt im späten Mittelalter (ca. 1350–1500) 813
Der gefesselte Riese: Asiatischer Fernhandel unter chinesischer
Dominanz 813
Retardierte und expansive Handelskreise zwischen Wolga und Nil 830
Westeuropäische Durchbrüche 853
e) Fernhandel auf tausend Wegen 862
IV. Eufrasien und die anderen Welten des Mittelalters 869
Anhang 875
ANMERKUNGEN 877
ABKÜRZUNGEN UND SIGLEN 988