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Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus  Edition Akzente Hanser
Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus


Edition Akzente Hanser

Jan Assmann

Carl Hanser Verlag
EAN: 9783446203679 (ISBN: 3-446-20367-2)
286 Seiten, kartoniert, 12 x 20cm, 2003

EUR 19,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Vor etwa 3000 Jahren ereignete sich eine Wende, die entscheidender als alle politschen Veränderungen die Menschheitsgeschichte und die Welt bestimmt hat, in der wir heute leben: die Wende von 'polytheistischen' zu den 'monotheistischen' Religionen, von kulturspezifischen Religionen zu Weltreligionen. Diese Wende hat nicht nur einen theologischen Sinn als Wandlung der Gottesvorstellung. Im Sinne einer Wandlung von kulturspezifischen zu Weltreligionen hat sie auch einen politischen Aspekt. Jan Assmann nennt diese universelle Wende 'Mosaische Unterscheidung'. Nicht die Ablösung der vielen Götter durch den Einen Gott ist demzufolge das Entscheidende, sondern die Unterscheidung zwischen wahr und falsch in der Religion, zwischen dem wahren Gott und den falschen Göttern, der wahren Lehre und den Irrlehren, zwischen Wissen und Unwissenheit, Glaube und Unglaube. Daß der Monotheismus hier auch als Schoß für Intoleranz und Gewalt, für Haß und Ausgrenzung des Anderen ins Visier genommen wird, macht diesen Essay zu einer Provokation in der aktuellen Debatte um religiösen Fundamentalismus.



Ob Christ, Jude oder Moslem, ob aufgeklärt-tolerant, orthodox-fundamentalistisch oder militatn-aggressiv - alle monotheistischen Weltreligionen sind Kinder einer menschheitsgeschichtlichen Revolution, die sich vor etwa 3000 Jahren zugetragen hat: die Ablösung der vielen Götter durch einen alleinigen, absoluten Gott. Der Kultur- und Religionstheoretiker Jan Assmann nennt diese Umwälzung die 'Mosaische Unterscheidung'. Er beschreibt und erklärt die fundamentalen Veränderungen, die der Monotheismus für unsere Vorstellung von der Welt, für unser Menschenbild und für unsere Ethik mit sich gebracht hat.



Jan Assmann, geboren 1938, lehrt Ägyptologie an der Universität Heidelberg. Im Carl Hanser Verlag erschienen: Ägypten. Eine Sinngeschichte (1996), Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur (1998), Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Ägypten, Israel und Europa (2000).
Rezension
"Die 'mosaische Unterscheidung' ist das Kampfwort dieser Streitschrift Assmanns, die wie seine übrigen Bücher sprachlich kreativ, positionell insinuativ und intellektuell bestechend ist." (210)

Assmanns Buch hier vorgestelltes Buch wie obige Einschätzung Erich Zengers beziehen sich auf sein vieldiskutiertes Werk 'Moses der Ägypter' (1998). Die 'Mosaische Unterscheidung' kann aber auch unabhängig davon gelesen werden, da die sich die zentralen Thesen aus 'Moses der Ägypter' hier wiederfinden und im Blick auf Einwendungen und Kritik erläutert und präzisiert werden. Außerdem enthält der Anhang zusätzlich fünf Aufsätze anderer Autoren, die Assmanns Standpunkt kritisch beleuchten und greifbar machen, in welch vielfältiger Hinsicht seine Thesen fruchtbar geworden sind.

Von zentralem Interesse für den Religionsunterricht ist das Buch u.a. deshalb, weil es sich mit der Frage nach der Wahrheit und dem Wahrheitsanspruch von Religionen und Weltanschauungen auseinandersetzt und damit in einem zeitgeschichtlichen Horizont, in dem 'Heiliger Krieg' und 'Märtyrertum' wieder zu gängigen Begriffen geworden sind, zur Klärung und Orientierung beitragen kann. Es ist laut Zenger vor allem auch "eine radikale Anfrage an die Bibel und an eine sich biblisch legitimierende Theologie." (209)

Im Zusammenhang einer 'Semantik der Gewalt' fragt Assmann danach, wieweit die monotheistischen Religionen mit ihren Unterscheidungen zwischen wahr und falsch, sei es durch Selbstabgrenzung wie das Judentum oder durch die Bestimmung eines 'ungläubigen' Außen wie in Christentum und Islam Gewalt generieren und Intoleranz in die Welt bringen. Zwar sagt Assmann "An der Unterscheidung zwischen wahr und falsch, an klaren Begriffen dessen, was wir mit unseren Überzeugungen als unvereinbar empfinden, werden wir festhalten müssen, wenn anders diese Überzeugungen irgendeine Kraft und Tiefe besitzen sollen." (165), fährt dann aber fort: "Nur werden wir diese Unterscheidung nicht mehr auf ein für allemal festgeschriebene Offenbarungen gründen können." (165). Zweifellos liegt hier ein Problem und ein Widerspruch, denn man kommt so oder so zur Frage nach den Grenzen von Toleranz und dem Problem der Begründung der eigenen Position.

Ein ebenso interessanter Strang in Assmanns Argumentation ist die Frage nach der Bedeutung des Monotheismus für die Entwicklung der Menschheit und ihrer Geschichte und deren kulturellen Ausprägungen überhaupt. Assmann lässt keinen Zweifel daran, dass der Monotheismus entscheidend zum 'Fortschritt in der Geistigkeit' (Freud) beigetragen hat und damit zur Entstehung des reflektierten Ich-Bewusstseins ('der Erfindung des inneren Menschen').

Die Reihe der Anregungen, weiter führenden Gedanken und bedenkenswerten Ansätzen ließe sich fortführen: die Bedeutung Ägyptens für das Abendland, Bilderverbot und Idolatrie, die politische Dimension des Bilderverbots, Ursprünge des Antisemitismus, Freud und der 'Mann Moses' usw. Gleichgültig, unter welcher Perspektive mit Assmann auseinandersetzt: man liest dieses Buch immer mit Gewinn.

Matthias Wörther

Weitere Rezensionen:

http://www.perlentaucher.de/buch/14660.html
http://www.litrix.de/buecher/sachbuecher/jahr/2004/mosaischeunterscheidung/deindex.htm
Verlagsinfo
Ob Christentum, Judentum oder Islam - alle monotheistischen Weltreligionen sind Kinder einer Revolution: die Ablösung der vielen Götter durch den alleinigen Gott. Diese Umwälzung brachte für unsere Vorstellung von der Welt, für unser Menschenbild und für unsere Ethik fundamentale Veränderungen mit sich. Dass der Kultur- und Religionstheoretiker Jan Assmann sie zugleich als Quelle von Intoleranz, Gewalt, Hass und Ausgrenzung sieht, macht seinen Essay zu einer explosiven Provokation.

Pressestimmen:
"ist sicher eines der intelligentesten Bücher."

Stephan Sattler, Focus, 05.01.04
Inhaltsverzeichnis
Einführung

ERSTES KAPITEL
Die Mosaische Unterscheidung und das Problem der Intoleranz

1. Wie viele Religionen stehen hinter dem Alten Testament? 19
2. Was ist Wahrheit? 23
3. Intoleranz, Gewalt und Ausgrenzung 28
4. Konstruktionen des Anderen: die Religionssatire 38

ZWEITES KAPITEL
Monotheismus - Gegenreligion wogegen?

1. Mono- versus Polytheismus 49
2. Echnaton und Mose: Ägyptischer und biblischer Monotheismus 54
3. Monotheismus als Anti-Kosmotheismus 59
4. Monotheismus als Politische Theologie: Ethik, Gerechtigkeit, Freiheit 64
5. Recht und Moral in der 'heidnischen' Welt und die Theologisierung der Gerechtigkeit im Monotheismus 71

DRITTES KAPITEL
Der Kampf der Erinnerungen. Zwischen Idolatrie und Ikonoklasmus

1. Die Legende der Äussätzigen und das ägyptische Amarnatrauma 83
2. Ikonoklasmus und Ikonolatrie 96
3. Theologia Prisca und die Aufhebung der Mosaischen Unterscheidung 107
4. Die Verschärfung der Mosaischen Unterscheidung und die Entstehung der Paganologie 112

VIERTES KAPITEL
Sigmund Freund und der Fortschritt in der Geistigkeit

1. Die jüdische und die griechische Option 121
2. Das Trauma des Monotheismus: Analytische Hermeneutik und Gedächtnisgeschichte 124
3. Das Bilderverbot als Fortschritt in der Geistigkeit 134

FÜNFTES KAPITEL
Die psychohistorischen Konsequenzen des Monotheismus

1. Der 'scriptural turn': vom Kult zum Buch 145
2. Krypta 151
3. Die Erfindung des inneren Menschen 154
4. Gegenreligion und der Begriff der Sünde 156

Schluß 161
Anmerkungen 167

ANHANG

Rolf Rendtorff: Ägypten und die 'Mosaische Unterscheidung' 193
Erich Zenger: Was ist der Preis des Monotheismus? 209
Klaus Koch: Monotheismus als Sündenbock? 221
Gerhard Kaiser: War der Exodus der Südenfall? 239
Karl-Josef Kuschel: Moses, Monotheismus und die Kultur der Moderne 273