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Die Flüsterer Leben in Stalins Russland
Die Flüsterer
Leben in Stalins Russland




Orlando Figes (Hrsg.)

Berlin Verlag, Berlin
EAN: 9783827007452 (ISBN: 3-8270-0745-3)
1036 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, August, 2008

EUR 34,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Die Geschichte Russlands bzw. der Sowjetunion gehört zu den im Geschichtsunterricht sträflich vernachlässigten Themenfeldern, obwohl ohne Kenntnis der Russischen Revolution und der Diktatur Stalin die Entwicklungen im 20. Jahrhundert nicht adäquat erfasst werden können. Um die Erforschung der russischen Geschichte hat sich der britische Historiker Orlando Figes mit seinen Werken „Die Tragödie eines Volkes“(1998) und „Nataschas Tanz. Eine Kulturgeschichte Russlands“(2003) international anerkannte Verdienste erworben.
In seinem neuen, tausendseitigen Buch „Die Flüsterer“, untersucht der am Birkbeck College in London lehrende Wissenschaftler das Privatleben von Familien in Stalin Russlands. Damit werden erstmals in der Forschung die Auswirkungen des stalinistischen Terrors auf das Familienleben fundiert aufgezeigt. Figes untersucht u.a. folgende Fragen: „Welche Überlebensstrategien, stillen Übereinkünfte, Lügen, Freundschaften und Treuebrüche, moralischen Kompromisse und prägten Millionen Leben?“ (S. 28) Insgesamt waren 25 Millionen Menschen von 1928-1953 von Stalins Terror betroffen. „Ein Dreivierteljahrhundert lang machte das Sowjetregime seinen Einfluss auf die moralische Sphäre der Familie geltend; kein anderes totalitäres System hatte so tiefgreifende Auswirkungen auf das Privatleben seiner Untertanen“ (S. 36), betont Figes.
Eine am häufigsten anzutreffende Reaktion der Menschen auf die Repressionen war das Flüstern, sowohl als Mittel um sich vor Mithörern zu schützen als auch als Instrument der Denunziation. Aus dieser doppelten Bedeutung von Flüstern in der russischen Sprache leitet sich der Titel von Figes‘ Buches. Dazu hat der Historiker Hunderte von Interviews geführt mit Personen, deren Durchschnittsalter bei 80 Jahren liegt, und Familienarchive mit Briefen, Tagebüchern, Fotos ausgewertet. Unterstützt wurde Figes von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial. Die herangezogenen Materialien sind unter http://www.orlandofiges.com einsehbar. Außerdem wurde eine repräsentative Auswahl von Familien getroffen, aus verschiedenen sozialen Schichten und aus unterschiedlichsten Regionen Russlands.
Figes gelingt es in seinem Werk durch seine ausführlichen Familienporträts ein vielschichtiges Panaroma der russischen Gesellschaft während des Stalin Terrorherrschaft zu entfalten. Dem Historiker kommt das Verdienst zu, den Opfern des Stalinismus eine Stimme verliehen zu haben. Figes‘ Buch unterstreicht zudem die Fruchtbarkeit von oral history als Methode historischer Forschung.
Fazit: Das Buch „Die Flüsterer“ von Orlando Figes, erschienen im Berlin Verlag, ist ein historische bedeutsames Buch, das allen an der Geschichte Russlands interessierten Personen nur zur Lektüre empfohlen werden kann.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
In seinem meisterhaft komponierten neuen Buch erzählt der Historiker Orlando Figes ergreifende Lebensschicksale während der schlimmsten Jahre der sowjetischen Unterdrückung. Ein beispielloser Blick in die Innenwelt eines geschundenen Volkes.
»Klar, gründlich und unverzichtbar für das Verständnis der stalinistischen Gesellschaft.« Kirkus Reviews

»Die Bedeutung dieses Buches kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.« Antony Beevor, The Times

Viele Darstellungen behandeln die sichtbaren Aspekte der stalinistischen Diktatur: die Verhaftungen und Prozesse, die Versklavung und das Morden in den Gulags. Kein Buch hat jedoch bislang die Auswirkungen des Regimes auf das Privat- und Familienleben der Menschen untersucht, den „Stalinismus, der uns alle ergriff“, wie es ein russischer Historiker einmal formuliert hat. Auf der Basis von Hunderten Interviews mit Zeitzeugen und zahllosen bislang unbekannten Dokumenten liefert nun Orlando Figes in Die Flüsterer erstmals einen unmittelbaren Einblick in die Innenwelt gewöhnlicher Sowjetbürger und zeigt an zahlreichen eindringlichen Beispielen, wie Einzelne oder Familien in einem von Misstrauen, Angst, Kompromissen und Verrat beherrschten Alltag um ihr Überleben kämpften. Für die Zeit der Revolution von 1917 bis zu Stalins Tod und darüber hinaus rekonstruiert Figes das moralische Gespinst, in dem sich die allermeisten Russen gefangen sahen: Eine einzige falsche Bewegung konnte eine Familie zerstören oder am Ende wo - möglich deren Rettung bedeuten. Keiner konnte sich sicher fühlen, nicht einmal die überzeugtesten Anhänger des Regimes. Wahrheit und Wahn, Schuld und Unschuld waren in diesem Unterdrückungssystem immer wieder auf fatale Weise miteinander verquickt. Orlando Figes’ neues Meisterwerk — in seiner erzählerischen Wucht und Aufrichtigkeit vergleichbar mit Wassili Grossmans Jahrhundertroman Leben und Schicksal — ist das breit angelegte Porträt einer Gesellschaft, in der jeder nur noch flüstert — entweder um sich und andere zu schützen oder um zu verraten. Ein ebenso schonungsloser wie ergreifender Bericht davon, wie schwach — und wie unvorstellbar stark — Menschen in einer von Paranoia geprägten totalitären Gesellschaft werden können.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt

Anmerkung zu den Eigennamen 9
Karten 10
Stammbäume 17
Einleitung 23

1 Kinder von 1917 (1917-1928) 39
2 Der große Umschwung (1928-1932) 141
3 Das Streben nach Glück (1932-1936) 237
4 Die große Furcht (1937-1938) 341
5 Reste des Terrors (1938-1941) 463
6 „Wart auf mich“ (1941-1945) 545
7 Gewöhnliche Stalinisten (1945-1953) 647
8 Rückkehr (1953-1956) 755
9 Erinnerung (1956-2006) 837

Nachwort und Danksagung 917
Anmerkungen 929
Quellen 963
Bibliografie 975
Illustrationsverzeichnis 993
Register 997