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Die Enkelin
Roman
Bernhard Schlink
Diogenes Verlag
EAN: 9783257071818 (ISBN: 3-257-07181-7)
368 Seiten, hardcover, 12 x 18cm, Oktober, 2021
EUR 25,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Fliehen, sich finden, sich verlieren – Liebe in einem zerrissenen Land
Birgit ist zu Kaspar in den Westen geflohen, für die Liebe und die Freiheit. Erst nach ihrem Tod entdeckt er, welchen Preis sie dafür bezahlt hat. Er spürt ihrem Geheimnis nach, begegnet im Osten den Menschen, die für sie zählten, erlebt ihre Bedrückung und ihren Eigensinn. Seine Suche führt ihn zu einer völkischen Gemeinschaft auf dem Land – und zu einem jungen Mädchen, das in ihm den Großvater und in dem er die Enkelin sieht. Ihre Welten könnten nicht fremder sein. Er ringt um sie.
„Er hatte sie in sein Herz geschlossen – nur unter dem Vorbehalt, dass sie ihrer Welt abschwören und in seine finden würde?“
BERNHARD SCHLINK, geboren 1944 bei Bielefeld, ist Jurist und lebt in Berlin und New York. Der 1995 erschienene Roman „Der Vorleser“ begründete seinen schriftstellerischen Weltruhm.
Rezension
„Die Enkelin“ lautet der Titel des neuen Romans von Bernhard Schlink (*1944). Bekanntheit erlangte der emeritierte Berliner Jura-Professor und Schriftsteller durch seinen Weltbestsellerroman „Der Vorleser“(1995). Krimifreund:innen kennen seine Trilogie um den Kommissar „Selbs“. Ein Schwerpunkt von Schlinks Romanen wie denen „Das Wochenende“(2008), „Die Frau auf der Treppe“(2014) oder „Olga“(2018) bildet die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, insbesondere mit (historischer) Schuld und Verantwortung. Die deutsch-deutsche Geschichte von den 1960er Jahren bis zur Gegenwart steht im Zentrum seines neuen Werks, das zurecht wieder in den Bestsellerlisten auftaucht.
Protagonist des Romans ist der 71jährige Buchhändler Kaspar Wettner, der erst nach dem Tod seiner alkoholkranken Frau Birgit aus ihren autobiografischen Aufzeichnungen von ihrem eigentlichen Leben erfährt. Während des Studiums hatte er sie im Mai 1964 in Ost-Berlin während des Deutschlandtreffens der Jugend kennengelernt und ihr zur Flucht nach West-Berlin verholfen und von da an mit ihr kinderlos zusammengelebt. Das Geheimnis seiner Frau ist, dass diese eine Tochter zur Welt brachte, dessen Vater der SED-Funktionär Leo Weise war und von dem sie sich getrennt hatte, weil sie ihm und seiner Frau Irma das Kind nicht geben wollte. Dieses überreichte sie nach der Geburt ihrer Freundin Paula zur Abgabe in ein Waisenhaus. Paula aber brachte das Neugeborene ohne Einverständnis von Birgit zu Leo und seiner Frau, wo es auch aufwuchs.
Birgit weiß nichts davon und möchte – so schreibt sie in ihren Aufzeichnungen – sich endlich auf die Suche nach ihrer Tochter begeben. Doch der Tod ereilt sie zuvor. Das Kind Birgits, Sventja, wurde von ihrem Vater mehrfach wegen Erziehungsschwierigkeiten ins Heim Torgau eingewiesen. Sie fand nach der Wende in der Skinhead-Szene Freunde, randalierte und wurde drogenabhängig. Björn Renger, ein „Mann aus Niedersachen“ holte sie schließlich von der Straße, zieht mit ihr in eine „völkische Siedlung“ um Güstrow, heiratet sie und zeugt mit ihr eine Tochter namens Sigrun, die im fremdenfeindlichen Milieu sozialisiert wird.
Dort findet Kaspar nach Recherchen Sventja. Er fingiert nun ein angebliches Testament für seine Enkelin Sigrun, was ziemlich konstruiert wirkt. Dieses erlaubt es ihm gegen jährliche Geldzahlungen die 14jährige für einzelne Wochen im Jahr zu sich nach Berlin zu holen, mit dem Ziel ihr eine demokratische und weltoffene Gegenwelt zu bieten, um sie aus den Fängen der „völkischen“ Eltern zu befreien. Ob dem überaus toleranten Kaspar dieses Experiment durch sein Bildungsprogramm (Oper, Museen, Literatur, wissenschaftliche Werke, Klavierunterricht) gelingt, sei an dieser Stelle nicht verraten. Schlink liefert in seinem Buch jedenfalls ein intelligentes Panorama deutsch-deutscher Geschichte der letzten 50 Jahre. Zugleich gibt er Einblicke in Lebensformen rechtsradikaler Kreise, die sich auf dem Dorf festgesetzt und sich dort ihre eigene Parallelwelt konstruiert haben.
Fazit: Schlinks neuer gut lesbarer Roman „Die Enkelin“ unterstreicht die Notwendigkeit, einer politischen und zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit „rechten Bedrohungsallianzen“(Heitmeyer/Freiheit/Sitzer) auf dem Lande.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die Enkelin
Birgit ist zu Kaspar in den Westen geflohen, für die Liebe und die Freiheit. Erst nach ihrem Tod entdeckt er, welchen Preis sie dafür bezahlt hat. Er spürt ihrem Geheimnis nach, begegnet im Osten den Menschen, die für sie zählten, erlebt ihre Bedrückung und ihren Eigensinn. Seine Suche führt ihn zu einer völkischen Gemeinschaft auf dem Land – und zu einem jungen Mädchen, das in ihm den Großvater und in dem er die Enkelin sieht. Ihre Welten könnten nicht fremder sein. Er ringt um sie.
Im Sommer 1964 verlieben sich eine Studentin aus dem Osten und ein Student aus dem Westen ineinander. Er verhilft ihr zur Flucht. Erst nach ihrem Tod entdeckt der Siebzigjährige, was seine Frau ihm ein Leben lang verschwiegen hat: Sie hatte damals eine Tochter zurückgelassen. Er tut, was sie immer wollte, aber nicht schaffte, er sucht nach ihr. Die Suche wird zu einer Reise in die Vergangenheit und einer Begegnung mit den Wunden und Narben, die DDR, Wende und Anpassung des Ostens an den Westen hinterlassen haben. Als er die Tochter findet, lebt sie verheiratet in einer völkischen Gemeinschaft auf dem Land. Ihre vierzehnjährige Tochter freut sich, dass auf einmal ein Großvater in ihr Leben tritt, wie er sich über eine Enkelin freut. Aber seine Welt ist ihr so fremd wie ihm die ihre. Kann er sie erreichen? |
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