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Der gescheiterte Staat
Der gescheiterte Staat




Noam Chomsky

Verlag Antje Kunstmann GmbH
EAN: 9783888974526 (ISBN: 3-88897-452-6)
400 Seiten, 14 x 21cm, August, 2006

EUR 24,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
"Gescheiterte Staaten" wieder auf den Weg von Freiheit, Recht und Demokratie zu bringen, ist das erklärte Ziel der Weltmacht USA. Doch ist die Supermacht Amerika nicht längst selbst ein "gescheiterter Staat", der die globale Sicherheit gefährdet? In seinem neuen Buch rührt Chomsky an die Grundlagen der aktuellen politischen Diskussion.

"Wohl der bedeutendste lebende Intellektuelle."

The New York Times
Rezension
Seit der Jahrhundertwende sind die USA bzw. die Regierung von George W. Bush Gegenstand politischer Analysen. Sie reichen von der Satire „Stupid White Men“ des amerikanischen Regisseurs Michael Moore hin zu einem „Nachruf auf die Weltmacht USA“ des französischen Demographen Emmanuel Todd. Zu Themen amerikanischer Politik schon seit den 1970er Jahren hat immer wieder Stellung der international anerkannte Linguist Noam Chomsky, Professor am Massachuetts Institute of Technology, Stellung genommen . Der „Verlag Antje Kunstmann“ legte im Jahre 2006 sein im gleichen Jahr erschienenes Buch „Failed Stats. The Abuse of Power and the Assault on Democracy“ in deutscher Übersetzung vor. In diesem Werk stellt der Wissenschaftler die These auf, dass die Vereinigten Staaten von Amerika, welche das politische Ziel propagier(t)en nicht-demokratischen Staaten Demokratie und Freiheit zu bringen, selbst ein „gescheiterter Staat“ sind. Signifikante Merkmale eines solcher Staatsform sind nach Chomsky: „Unfähigkeit oder mangelnde Bereitschaft, die eigenen Bürger vor Gewalt und womöglich sogar vor dem Untergang zu schützen, ein weiteres die Neigung, sich über die nationalen Gesetze und das Völkerrecht hinwegzusetzen und daraus die Ermächtigung für Aggression und Gewalt abzuleiten.“ (S. 8)
In seinem neuen Buch versucht der kritische Beobachter der USA seine These anhand fundierter Analysen zu belegen, was ihm in überzeugender Weise gelingt. Chomsky stützt sich dabei auf zahlreiche Bücher, Artikel aus politischen Zeitschriften und angesehenen Tageszeitungen. So deckt er auf, dass die USA in ihrer Außenpolitik sich nicht dem „Prinzip der Allgemeingültigkeit“ verpflichtet sehen, sondern für sich eine „Herrschermoral“ (S. 11) beanspruchen. Mit dem Begriff bezeichnet Chomsky, dass eine Macht zwar von anderen Staaten die Einhaltung bestimmter moralischer Grundsätze verlangt, sich selbst aber aufgrund des Herrscherstatus nicht zur Einhaltung dieser verpflichtet sieht. Als Beispiele aus der aktuellen Diskussion verweist der Intellektuelle auf die Forderung der USA nach Einstellung des iranischen Atomprogramms oder der Atomversuche Nord-Koreas, obwohl die USA über Atomwaffen verfügen und diese erproben. Chomsky arbeitet in seinem Buch ein breites Spektrum jüngster amerikanischer Geschichte auf: von der bewussten Täuschung der Öffentlichkeit über angebliche Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein, über die Folterskandale auf der US-Militärbasis Guantanamo bis hin zu dem durch das Völkerrecht nicht abgesicherten Nato-Einsatz im Kosovo. Auch die Rolle der USA im Palästina-Konflikt bleibt in dem Buch nicht unerwähnt (S. 219-266).
Außerdem weist der Intellektuelle auf historische Vorläufer der Präemtivschlagsdoktrin in der amerikanischen Geschichte im 19. Jahrhundert hin (S. 119-127). Außerdem deckt Chomsky auf, wie die USA im 20. Jahrhundert permanent Demokratie und demokratische Bewegungen in mittel- und südamerikanischen Staaten, u.a. in Guatemala, Nicaragua, Honduras, El Salvador, Haiti, Chile bekämpft haben. Dabei finden sich bei dem Linguisten auch ironische Bemerkungen wie zum Beispiel:“ Viele indigene Völker sehen offenbar keinen Grund, warum ihr Leben, ihre Gemeinschaft und ihre Kultur zerrüttet oder ganz zerstört werden soll, damit die New Yorker mit ihren Geländewagen im Stau stehen können.“ (S. 337) Zwar stellen sich die USA, so Chomsky, nach außen hin als Demokratieförderer da, de facto aber orientieren sie sich an einem restringierten Demokratiebegriff:“ Demokratie gilt dann und nur dann als annehmbar, wenn sie mit strategischen und wirtschaftlichen Interessen der USA vereinbar ist.“ (S. 327) Bei seinen historischen Ausführungen hätte der Linguist auch auf Thomas Jeffersons politische Philosophie und den für amerikanische Geschichte zentralen Begriff „manifest destiny“ eingehen können.
Dass sich die pseudodemokratische Haltung der USA nicht nur in der Außenpolitik widerspiegelt, sondern auch in der Innenpolitik, zeigt Chomsky in dem Kapitel 6, in dem er die „Demokratieförderung im eigenen Land“ beleuchtet. Er deckt in diesem Abschnitt die „wachsende demokratische Defizit in den Vereinigten Staaten“ (S. 327) auf. Belege dafür sind für ihn beispielsweise die „Zersetzung der Demokratie“ (S. 267) durch den Neoliberalismus, „Täuschung und Unterdrückung der Öffentlichkeit“ (S. 285) durch Werbung bei den Präsidentenwahlen 2004 oder Versuche die akademische Freiheit an den Universitäten zu beschränken (S. 311). Der Wissenschaftler kommt aus seinen Erkenntnissen den Urteil, dass „die globale Vorherrschaft der USA nicht besonders stabil“ ist (S. 337), eine Aussage, die im Gegensatz zu dem amerikanischen Futorologen John Naisbitt steht. Zum Schluss seines Buches formuliert Chomsky noch „einfache Empfehlungen für die Vereinigten Staaten“ zur Lösung ‚ihrer‘ Probleme (S. 341). Seine Forderungen an die US-Regierung sind u.a. die Unterzeichnung der Kyoto-Protokolle, der Verzicht auf militärische Gewalt bei der Terrorismusbekämpfung und die Steigerung der Sozialausgaben.
Chomskys liefert mit seiner fulminanten, quellengestützten Kritik der Politik der USA keinen oberflächlichen Anti-Amerikanismus, sondern einen anregenden Beitrag zu aktuellen politischen Diskussionen. Angesichts von Forderungen aus der Geschichtsdidaktik, so von Holke Günther-Arndt, die Geschichte der USA intensiver im Geschichtsunterricht zu berücksichtigen, kann Chomskys neuestes im „Verlag Antje Kunstmann“ erschienenes Buch jedem Geschichts- und Politiklehrer, der sich historisches und politisches Hintergrundwissen zum Thema „USA“ aneignen möchte, nur zur Lektüre empfohlen werden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Ein Staat gilt als gescheitert, wenn er sich nicht um Völkerrecht und internationale Abkommen schert, die Sicherheit seiner Bewohner und ihre Bürgerrechte nicht mehr schützt, ja die Institutionen der Demokratie selbst unterminiert. Solche »Schurkenstaaten« wieder auf den Weg von Freiheit, Recht und Demokratie zu bringen ist seit Jahrzehnten das erklärte Ziel der USA. Doch was, wenn die Supermacht selbst unter die Definition eines »gescheiterten Staates« fällt? Mit verstörender Präzision zeichnet Noam Chomsky die Entwicklungslinien einer Politik nach, die lange vor Bush begann. Dass eine messianische Rhetorik eine Politik kaschiert, der es weniger um Frieden, Freiheit und Demokratie als um wirtschaftliche Dominanz und die Kontrolle von Energieressourcen geht, ist nicht neu. Wohl aber das Ausmaß der Bedrohung, die diese Politik der Supermacht Amerika heute für die globale Sicherheit bedeutet.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt


Vorwort 7

1. Drastisch, fruchtbar, unausweichlich 9
2. Gesetzlose Staaten 55
3. Illegal, aber legitim 107
4. Die Förderung der Demokratie weltweit 137
5. Ein weiterer Beweis: der Nahe Osten 219
6. Demokratieförderung im eigenen Land 267

Nachwort 327
Anmerkungen 344
Register 388