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Das wahre Leben der Heiligen
Zwölf historische Porträts von Kaiserin Helena bis Franz von Assisi
Friedrich Prinz
Verlag C. H. Beck oHG
, C.H.Beck
EAN: 9783406502231 (ISBN: 3-406-50223-7)
320 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 15 x 22cm, 2003
EUR 24,90 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Der renommierte Historiker Friedrich Prinz erzählt in diesem höchst lesbaren Buch das Leben von zwölf Heiligen aus Antike und Mittelalter. Die Grundlage bilden dabei nicht die zahlreichen frommen Legenden, sondern historische Quellen, aus denen sich das wahre Leben der Heiligen mit seinen hellen, aber auch seinen abgründigen und teils skurrilen Seiten rekonstruieren läßt.
Viele Heilige sind uns heute nur noch dem Namen nach oder — wie der heilige Nikolaus und Sankt Martin — durch Feiertage bekannt. In Kunstwerken früherer Jahrhunderte werden uns die frommen Heiligenlegenden vergegenwärtigt. Wie aber lebten die Heiligen wirklich? Wodurch wurden sie zu Heiligen? Und vor allem: Gab es nicht auch ganz unheilige Seiten ihres Lebens? Diesen Fragen geht Friedrich Prinz in zwölf brillanten historischen Miniaturen nach. Er beschreibt die Kaiserin Helena, die, aus fragwürdigem Milieu kommend, zur Heiligen wurde, den heiligen Martin, der uns durch die Mantelteilung bekannt ist, die Kirchenväter Hieronymus und Augustinus, die heilige Radegunde, die in ihrem Kloster strengste Askese mit liebenswerter Weltoffenheit verband, die Bischöfe Wilfrid von York und Willibald von Eichstätt, Kaiser Heinrich II., der trotz seiner tiefen Frömmigkeit zielbewußte Machtpolitik betrieb, den Kreuzzugsprediger und Mystiker Bernhard von Clairvaux, die Prophetin und Wissenschaftlerin Hildegard von Binden, die schöne, barmherzige Elisabeth von Thüringen und schließlich Franz von Assisi, den leuchtenden Stern am Heiligenhimmel des Mittelalters.
Friedrich Prinz, geb. 1928, ist Professor em. für Mittelalterliche Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte an der Universität München und Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Akademien. Bei C.H.Beck erschienen von ihm u.a. «Szenenwechsel. Eine Jugend in Böhmen und Bayern» (1995) sowie «Grundlagen und Anfänge. Deutschland bis 1056» (2. Aufl. 1993).
Rezension
Heiligenlegenden gibt es viele - und mancher Religionspädagoge übernimmt sie ungebrochen. Einige der in diesem Buch behandelten Heiligen haben religionspädagogisch einige Konjunktur: Franz von Assisi, Elisabeth von Thüringen, Hildegard von Bingen ... - Dieses unterhaltsam geschriebene Werk vermittelt die notwendige Historizität inmitten des gesellschaftlichen Kontexts hinter all den Heiligenlegenden.
Thomas Bernhard für lehrerbibliothek.de
"(...) des Autors wunderbare Sachkompetenz macht es möglich, hinter den von der Textgattung Legende vorgegebnen Übermalungen das wahre, das objektive Bild zu erkennen: Der Schleier, der den Blick auf den Heiligen als Person seiner Zeit verhüllte, lüftet sich."
Norbert H. Ott, Die Zeit, 16. Oktober 2003
"Friedrich Prinz gelingt es auf unterhaltsame (...) Art, den alten Wein der Heiligenlegenden in die etwas neueren Schläuche der historischen Forschung zu gießen. Etwas vorzeitig erschienen eignen sich die zwölf Porträts vortrefflich für den weihnachtlichen Gabentisch."
Alexander Kissler, Süddeutsche Zeitung, 16. Mai 2003
"Das Buch gewinnt dadurch an Vielfalt, dass sein methodischer Ansatz immer neu in Frage gestellt wird - gestellt werden soll; denn durch eine weniger sorglose Auswahl hätte sich der Autor dieser Prüfung entziehen können. Es spricht für ihn, dass er es nicht getan hat."
Hg, Neue Zürcher Zeitung, 3. Mai 2003
"Der Mittelalter-Historiker Friedrich Prinz wirft in seinem neuen Buch einen Blick hinter den Kitsch der Heiligkeit und die offizielle Hagiografie und erzählt den historischen Kern der Lebensgeschichten einiger mittelalterlicher Heiliger nach. (...)
Sein ebenso reichhaltiges wie zurückhaltendes Buch ist nicht von der Art vieler gegenwärtiger zuckersüß-flapsiger Sachbücher, sondern ein festes Stück Lesestoff."
Manuela Lenzen, Literaturen, Mai 2003
"Friedrich Prinz ist aber nicht nur engagiert und fromm, er ist in gleichem Maße ein hochgelehrter Forscher und vor allem ein brillanter Erzähler."
Michael Borgolte, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. März 2003
"Die Stärken des Buches liegen darin, dass der Autor die Biografien in ihrem jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontext beschreibt und eine umfangreiche Faktenkenntnis einbringt. So ist die Lektüre informativ und kurzweilig."
Hans-Georg Ziebertz, Psychologie heute, 10. März 2003
Verlagsinfo
Heilige ohne Legende
Der renommierte Historiker Friedrich Prinz erzählt in diesem höchst lesbaren Buch das Leben von zwölf Heiligen aus Antike und Mittelalter. Die Grundlage bilden dabei nicht die zahlreichen frommen Legenden, sondern historische Quellen, aus denen er das wahre Leben der Heiligen mit seinen hellen, aber auch seinen abgründigen und teils skurrilen Seiten rekonstruiert.
Viele Heilige sind uns heute nur noch dem Namen nach oder – wie der heilige Nikolaus und Sankt Martin – durch Feiertage bekannt. In Kunstwerken früherer Jahrhunderte werden uns die frommen Heiligenlegenden vergegenwärtigt. Wie aber lebten die Heiligen wirklich? Wodurch wurden sie zu Heiligen? Und vor allem: Gab es nicht auch ganz unheilige Seiten ihres Lebens? Diesen Fragen geht Friedrich Prinz in zwölf brillanten historischen Miniaturen nach. Er beschreibt die Kaiserin Helena, die, aus fragwürdigem Milieu kommend, zur Heiligen wurde, den heiligen Martin, der uns durch die Mantelteilung bekannt ist, die Kirchenväter Hieronymus und Augustinus, die heilige Radegunde, die in ihrem Kloster strengste Askese mit liebenswerter Weltoffenheit verband, die Bischöfe Wilfrid von York und Willibald von Eichstätt, Kaiser Heinrich II., der trotz seiner tiefen Frömmigkeit zielbewußte Machtpolitik betrieb, den Kreuzzugsprediger und Mystiker Bernhard von Clairvaux, die Prophetin und Wissenschaftlerin Hildegard von Bingen, die schöne, barmherzige Elisabeth von Thüringen und schließlich Franz von Assisi, den leuchtenden Stern am Heiligenhimmel des Mittelalters.
Friedrich Prinz , geb. 1928, ist Professor em. für Mittelalterliche Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte an der Universität München und Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Akademien. Bei C.H.Beck erschienen von ihm u.a. Szenenwechsel. Eine Jugend in Böhmen und Bayern (1995) und Grundlagen und Anfänge. Deutschland bis 1056 (21993).
Inhaltsverzeichnis
Formen asketischen Lebens
Die Grundergestalten des Orients - Die Anfänge des westlichen Mönchtums - Adelsheiligkeit und Ordensheiligkeit - Cluny und Citeaux
Kaiserin Helena (249/50 - 328/29)
Eine Kaiserin und heilige aus der Tiefe der Gesellschaft
Helenas Verklärung - Gründe ihres Kultes
Martin von Tours (um 336 - 397)
Soldat, Athleta Christi, Mönch und Bischof
Martins Lebensweg - Vom Heiden zum Christen - Wanderjahre - Der Bischof und Klostergründer - Martin und die christliche Gemeinschaft der Priscillianer oder Die verfolgte Kirche
Hieronymus (um 347 - 420)
Gelehrter, Asket und Kirchenvater
Profil einer Persönlichkeit - Der lange Kampf mit dem klassischen Erbe - Vom jungen Mann der Erudition zum Asketen - Rom als Kampfplatz der Geister - Hieronymus als Theologe
Augustinus (354 - 430)
Ein schwer erkämpfter Weg zu Christus
Der sensualistische Ästhet vor Gott - Sexualität als ein Lebensproblem - Ein Wanderer durch die spätantike Geisteswelt: Platonismus, Manichäismus - Der rückfallreiche Weg zu Christus: Monnica und ihr Sohn - Antikes Erbe und christlicher Weg - Die manichäische Phase - Ambrosius von Mailand-das große Vorbild - Die endliche Bekehrung - Der Bischof und Kirchenpolitiker - Die Frage des gerechten Krieges - Gesellschaftliche Probleme - Augustinus und der strenge Gott seiner Gnadenlehre - Ein realistischer Heiliger
Radegunde (518 - 587)
Das Drama ihres Lebens und dessen burleskes Nachspiel
Ein tragisches Schicksal - Das Kloster als Trost und Schutz - Literarisches Klosterleben - Die Burleske
Wilfried von York (ca. 634 - 709)
Ein frühmittelalterlicher, germanischer Adelsheiliger
Ein krisenreiches Leben - Die gefahrvolle Rückkehr - Das glorreiche Ende
Willibald von Eichstätt (ca. 700 - 787)
Religiöser Tourist, Bischof und Missionar
Angelsachsen auf dem Kontinent - Das gottgefällige Wanderleben - Der Fortgang der abenteuerlichen Reise - Der realistische Blick
Kaiser Heinrich II. (973 - 1024)
Frömmigkeit und Macht
Der politische Pragmatiker - Die Gründung Bambergs: Diplomatie und Frömmigkeit - Heinrichs königliche Bischofsherrschaft: Frömmigkeit und Macht - Heinrich als "Bruder der Mönche"
Bernhard von Clairvaux (1090 - 1153)
Kämpfer, Organisator, Mystiker
Eine Vorüberlegung - Spuren einer Biographie - Kämpferische Jahre: Papsttum, Kaisertum und Theologie - Bernhard und Petrus Abaelard: Die Konfrontation zweier Theologien - Bernhard und der Zweite Kreuzzug (1147 - 1149) - Der Thaumaturg - Der Mystiker
Hildegard von Bingen (1098 - 1179)
Adelsheilige, Prophetin und Wissenschaftlerin
Skizze einer religiösen Existenz - Ein Leben zwischen Adelsstolz und Frömmigkeit, Ratio und mystischer Leidenschaft - Der Briefwechsel - Reise und Predigt - Askese und Humanität - Vision und Prophetie: Lebenserfüllung und Wagnis
Elisabeth von Thüringen (1207 - 1231)
Ein geprügelter Engel
Die Fürstin und das landgräfliche Haus - Elisabeth und Konrad von Marburg - Abschied von der Wartburg - Konrad und der Kampf um Elisabeths Erbe - Das Marburger Hospital - Epilog
Franz von Assisi (1182 - 1226)
Der demütige Nachfolger Christi
Schwierige Anfänge einer charismatischen Gemeinschaft - Das Armutsideal und seine Folgen - Der Orden zu Franziskus' Zeiten - Probleme der späten Jahre - Assisi und Paris: Glaube und Vernunft - Der Sonnengesang: Gott und Natur - Epilog
Anhang
Literatur
Abbildungsnachweise
Personenregister
Leseprobe:
MARTIN VON TOURS (um 336-397)
Soldat, Athleta Christi, Mönch und Bischof
Sieht man sich in der Kirchengeschichte nach einem rundum volkstümlichen Heiligen des Mittelalters um, dann fällt einem sicher der heilige Martin ein, der wackere, barmherzige Reitersmann, der mit seinem halbierten Militärmantel einst einen Bettler beschenkt hat - eine Szene, die hundertfach aus der bildenden Kunst bekannt ist. Es ist jener Heilige, den am 11. November im Rheinland und anderswo die Kinder mit ihren bunten Lampions singend feiern. Betrachtet man aber Martins Leben genauer, so stellt man bald fest, daß der populäre, barmherzige Reiter nur eine Facette einer bestürzend aktuellen und in mancher Hinsicht auch tragischen Persönlichkeit an der Epochenscheide zwischen heidnischer und christlicher Spätantike gewesen ist, deren Leben als Soldat und Asket in mehr als einer Hinsicht vorbildlich wurde. Von diesem ganz anderen heiligen Martin, der hinter den Formen seines kultischen Gedenkens nur zu oft zu verschwinden droht, soll nachfolgend die Rede sein.
Martins Lebensweg
Es ist viel Stimmiges und Beispielhaftes in der Gestalt des großen gallischen Heiligen, und dies hat sicher zu seiner Popularität bis heute beigetragen. Auch hatte Martin Glück mit seinem Schüler und Biographen Sulpicius Severus (gestorben nach 406), einem gebildeten Schriftsteller, den ein Zeitgenosse als adelig durch Geburt und Bildung bezeichnet. Dessen «Vita sancti Martini», die 396/97 entstand, wurde wegen ihrer hohen sprachlichen Qualität und bewußt schlichten Klarheit, die der rhetorischen Bildung des Autors zu verdanken ist, ein großes Muster für die mittelalterliche Hagiographie und damit ein paradigmatischer Text für alle folgenden Heiligenleben. Sie ist eine leidenschaftliche, vom Herzen kommende Verteidigungsschrift für einen, wie zu zeigen sein wird, durchaus umstrittenen Heiligen, dessen Vorbild den reichen Aristokraten Sulpicius Severus veranlaßte, seine Güter zu veräußern oder der Kirche zu schenken, um mit dem Rest seines Vermögens ein Kloster im Geist seines Lehrers Martin zu gründen, den er mehrmals in dessen Hauptkloster Marmoutier bei Tours besuchte. Daß der Heilige einer Verteidigungsschrift bedurfte, kam nicht von ungefähr, denn es gehörte zum unverwechselbaren Charakter des realen Lebens Martins, daß er auf jeweils verschiedene Weise mit kirchlichen und weltlichen Autoritäten in Konflikt geriet. Der tapfere Reitersmann und Mantelteiler war alles andere als ein gemütvoller Asket und Eremit, der sich von der Welt in stille Beschaulichkeit zurückgezogen hatte.Folgen wir also nach dem Text seiner Lebensbeschreibung den Spuren seiner Existenz und hier vor allen jenen, die im späteren Kultbild verlorengegangen sind.
Vom Heiden zum Christen
Als Sohn eines Berufssoldaten, der es bis zum Militärtribun gebracht hatte, kam Martin um 336 zur Welt. Seine Eltern waren Heiden, wenn auch, wie der Autor bemerkt, «von nicht geringem Rang». Sie stammten aus Sabaria, dem heutigen Szombathely/Stein-am-Anger in Ungarn, doch wuchs Martin als Soldatenkind in Italien auf, nämlich in Ticinum, dem späteren Pavia. Der Jüngling schlug, wie dies im Heer üblich und erwünscht war, ebenfalls die militärische Laufbahn ein und diente unter den Kaisern Constantius II. und Julian «Apostata» - dem vom christlichen Glauben Abtrünnigen - in einer berittenen Elite-Einheit. Sulpicius Severus spielte zwar den Waffendienst Martins mit der Bemerkung herunter, er habe dies «nicht aus eigenem Antrieb getan», doch wird man bezweifeln dürfen, daß der junge Mann ohne eigene Initiative in eine militärische Spezialeinheit kommen konnte, ganz gleich ob mit oder ohne väterliche Protektion. Da trotz gravierender Bedenken strenger Kirchenväter und Laien viele Christen im römischen Heer waren, ist es aber durchaus möglich, daß Martin, wie sein Biograph berichtet, schon als Kind und gegen den elterlichen Willen Kirchen besuchte und die Aufnahme in die Christengemeinde erstrebte. Wenn die Vita erzählt, daß der junge Martin festgenommen, gefesselt und zum Fahneneid gezwungen wurde, dann dürfte dies hagiographische Übertreibung sein, da im gleichen Atemzug lobend berichtet wird, daß er sich nur mit einem Diener zufriedengab, also, ungeachtet seiner höheren Position, bereits die christliche Tugend der «humilitas», der Demut und Bescheidenheit, übte und sich damit die Hochachtung seiner Kameraden erwarb. Dies ging so weit, daß er als Offizier sogar seinem Leibburschen die Stiefel putzte. «Obwohl er noch nicht in Christus wiedergeboren war, ließ sein edles Wirken doch darauf schließen, daß er kurz vor der Taufe stehe», so resümiert sein Biograph die heidnische Vorgeschichte Martins.
In diese vorchristliche Zeit fällt auch das berühmte Mantelwunder von Amiens, das zum bekanntesten Zeichen seiner Heiligkeit werden sollte. Sulpicius Severus schildert dieses Wunder, das sich eigentlich ganz in der Seele Martins vollzog und das den Achtzehnjährigen zur Taufe bewegte, in gebührender Ausführlichkeit:
«Einmal, er besaß schon nichts mehr als seine Waffen und ein einziges Soldatengewand, da begegnete ihm im Winter, der ungewöhnlich rauh war, so daß viele der eisigen Kälte erlagen, am Stadttor von Amiens ein notdürftig bekleideter Armer. Der flehte die Vorübergehenden um Erbarmen an. Aber alle gingen an dem Unglücklichen vorbei. Da erkannte der Mann voll des Geistes Gottes, daß jener für ihn vorbehalten sei, weil die andern kein Erbarmen übten. Doch was tun? Er besaß nichts als den Soldatenmantel, den er sich umgeworfen hatte, alles übrige hatte er ja für ähnliche Zwecke verwendet. So zog er das Schwert, mit dem er umgürtet war, schnitt den Mantel mitten durch und gab die eine Hälfte dem Armen, die andere legte er sich selbst wieder um. Da fingen manche der Umstehenden an zu lachen, weil er im halben Mantel ihnen verunstaltet vorkam. Viele aber, die mehr Einsicht besaßen, seufzten tief, daß sie es ihm nicht gleich getan und den Armen nicht bekleidet hatten, zumal sie bei ihrem Reichtum keine Blöße befürchten mußten. In der folgenden Nacht nun erschien Christus mit jenem Mantelstück, womit der Heilige den Armen bekleidet hatte, dem Martinus im Schlafe. Er wurde aufgefordert, den Herrn genau zu betrachten und das Gewand, das er verschenkt hatte, wiederzuerkennen. Dann hörte er Jesus laut zu der Engelschar, die ihn umgab, sagen: Eingedenk der Worte, die er einst gesprochen: , erklärte der Herr, und daß er - Christus - im Armen das Gewand bekommen habe. Um das Zeugnis eines so guten Werkes zu bekräftigen, würdigte er sich, in dem Gewande, das der Arme empfangen hatte, zu erscheinen.»
Daß Martin auch nach der Taufe noch zwei Jahre im Heer Kaiser Julians diente, glaubt der Autor damit erklären zu müssen, daß der Heilige dies wegen eines befreundeten Tribuns tat, den er nach dem Ablauf von dessen Dienstzeit für das asketische Leben zu gewinnen hoffte.
Als 356 Germanen, nämlich Alamannen, in Gallien einfielen und sie der Kaiser bei Worms zum Kampf stellen wollte, kam für Martin die entscheidende Stunde. Er provozierte Julian, der vor der geplanten Abwehrschlacht seine Soldaten durch Geschenke anfeuern wollte, indem er diesen Sondersold mit folgenden Worten ablehnte: «Bis heute habe ich dir [d.h. dem Kaiser] gedient; erlaube nun, daß ich jetzt Gott diene. Dein Geschenk mag in Empfang nehmen, wer in die Schlacht ziehen will». Der Kaiser beschuldigte ihn deshalb der Feigheit, worauf sich Martin erbot, sich ohne Waffen vor die Schlachtreihe, ohne Schild und Helm, zu stellen «und im Namen des Herrn Jesus mit dem Zeichen des Kreuzes die feindlichen Reihen zu durchbrechen». Kaiser Julian, der hier als «wutschnaubender Tyrann» dargestellt wird, nahm ihn beim Wort und ließ ihn fesseln, damit er am morgigen Schlachttag seinen Mut beweisen konnte. Durch göttliche Gnade schickten aber die Alamannen am nächsten Tag Gesandte und ergaben sich ohne Kampf «mit Hab und Gut». Der Autor fühlte sich hier bemüßigt, Gott selbst für dieses nicht vollzogene Martyrium in Anspruch zu nehmen, jedenfalls fügt er eine eher spitzfindige Erklärung dieses «Nicht-Martyriums» bei, das so offensichtlich hagiographischer Folgerichtigkeit zuwiderlief. Da Sulpicius Severus auf die zu erwartende Pointe, den Sieg des Heeres durch Martins waffenlosen Vorangang, verzichtete, kann man diese Szene als realistisch ansehen.
(...)
Quelle: S. 33-37; Verlag C.H.BECK oHG
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