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Das kluge Unbewusste
Denken mit Gefühl und Intuition
Mit einem Vorwort von Gerhard Roth.
Aus dem Niederländischen von Hildegard Höhr
Ap Dijksterhuis
Klett-Cotta
EAN: 9783608945607 (ISBN: 3-608-94560-1)
252 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 13 x 21cm, 2010, gebunden mit Schutzumschlag, mit 20 Abbildungen
EUR 19,90 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Ap Dijksterhuis, Prof. Dr., Professor für Sozialpsychologie an der Radboud Universität Nijmegen in Holland. Er war Research Fellow der Royal Dutch Academy of Arts and Science in Amsterdam und ist Herausgeber des European Journal of Social Psychology. Berühmt wurden seine Forschungen über die Rolle des Unbewussten bei Entscheidungsprozessen, der sogenannten Theorie des unbewussten Nachdenkens.
DAS UNBEWUSSTE SPIELT IN UNSEREM ALLTAG EINE GRÖSSERE ROLLE, ALS SIE DENKEN!
• Warum geben wir Kellner A mehr Trinkgeld als Kellner B - obwohl uns beide gleich gut bedienen?
• Was passiert bei sogenannten Aha-Effekten?
• Wann ist ein bloßes Aufschieben von Entscheidungen besser als gründliches Nachdenken?
• Wie können wir manipuliert werden, ohne es zu merken?
Gehören auch Sie zu den Menschen, die jede Entscheidung vernünftig abwägen und sich
dadurch auf der sicheren Seite wähnen?
Ap Dijksterhuis zeigt uns, wie das menschliche Hirn tatsächlich arbeitet und warum es gut sein kann,
wenn das Unbewusste für uns entscheidet.
Rezension
Die Bedeutung des Unbewußten ist im 20. Jhdt. aufgedeckt worden (Sigmund Freud) und bildet damit einen Gegenpol gegen die Aufklärung und die Rolle des Denkens seit René Descartes (cogito ergo sum), - dennoch wird sie zu wenig beachtet und tun wir auch im 21. Jhdt. immer noch so, als würden wir eindeutig rational gesteuert: das ist ein Trugschluß! Der Autor unterscheidet aber das moderne Unbewusste vom Freudschen Unbewussten; denn das Unbewusste ist kein Sammelbecken für infantile Triebe und traumatische Erinnerungen. Der Autor rät dazu, dass wir bei wichtigen Entscheidungen stärker auf das Unbewusste und weniger auf das Bewusstsein vertrauen sollten. Der Mensch verfügt über eine unbewusste Wahrnehmung unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Bewusstseins (subliminale Wahrnehmung), die uns viel mehr Informationen verarbeiten läßt als das Bewußtsein.
Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Überlassen Sie schwierige Entscheidungen Ihrem Unbewussten.
Das Unbewusste spielt in unserem Alltag eine größere Rolle, als Sie denken!
- Warum geben wir Kellner A mehr Trinkgeld als Kellner B - obwohl uns beide gleich gut bedienen?
- Wann ist das Aufschieben von Entscheidungen besser als gründliches Nachdenken?
- Wie können wir manipuliert werden, ohne es zu merken?
Überlassen Sie schwierige Entscheidungen Ihrem Unbewussten.
Das Unbewusste spielt in unserem Alltag eine größere Rolle, als Sie denken!
- Warum geben wir Kellner A mehr Trinkgeld als Kellner B - obwohl uns beide gleich gut bedienen?
- Wann ist das Aufschieben von Entscheidungen besser als gründliches Nachdenken?
- Wie können wir manipuliert werden, ohne es zu merken?
Die Ergebnisse sind verblüffend: Schüler wissen nach wenigen Sekunden, ob ein Lehrer einen guten Unterricht halten wird. Speed-Dating-Parties sind höchst erfolgreich. Ganze Scharen von Psychologen, Verhaltens- und Hirnforschern machen sich daran, das Unbewusste der Menschen zu verstehen. Ap Dijksterhuis zeigt uns, wie das menschliche Hirn arbeitet:
- Warum und wann kann es gut sein, wenn das Unbewusste für uns entscheidet?
- Wann ist das Aufschieben von Entscheidungen besser als gründliches Nachdenken? Warum wir getreu der alten Redensart über manche Entschlüsse eine Nacht schlafen sollten.
- Wie unterscheiden sich unsere Gefühlsurteile von den Verstandesurteilen?
- Welche Unterschiede gibt es zwischen der Bauchentscheidung und der Intuition, die sich erst dann einschaltet, wenn sie auf eine sinnvolle Lösung gestoßen ist?
- Wie können wir manipuliert werden, ohne es zu merken?
Geschrieben von einem der bedeutendsten Experten auf dem Gebiet des Unbewussten.
»Wohlfühlbotschaft: Unserer Intuition können wir vertrauen. Nicht immer, aber viel häufiger, als wir vermuten.«
Vital, 05/2010
»Dijksterhuis hat ein außerordentlich kluges und wichtiges Buch geschrieben, lebensnah, nützlich und zugleich eine atemberaubende Reise zu den Fragen des 21. Jahrhunderts: Handlungsfreiheit, Bewusstseinsmanipulation und Entscheidungsfindung. Und eines ist sicher, auch der Leser ist nach der Lektüre ein bisschen klüger geworden. Ob bewusst, oder unbewusst.«
Ariadne von Schirach, Deutschlandradio, 02.06.2010
»In seinem erhellenden Buch zeigt der niederländische Sozialpsychologe Ap Dijksterhuis, wie unser Unbewusstes das Bewusstsein übertrumpft: Es steuert unser Verhalten, unsere Wahrnehmung, Meinungen, Entscheidungen und die Kreativität. Das kluge Unbewusste ist ein erfrischend lebensnahes Buch über menschliches Verhalten und unmerkliche Manipulation.«
Jenni Roth, Die Welt, 12.06.2010
Inhaltsverzeichnis
Vorwort von Gerhard Roth 9
1. Das Bewusstsein: ein sinkender Stern 19
Das eingebildete Bewusstsein 19
Das anarchistische Gehirn 24
Der Computer und der Abakus 29
Die cartesische Katastrophe 35
2. Das Unbewusste 40
Das Unbewusste nach Descartes und vor Freud 40
Sigmund Freud und Hieronymus Bosch 46
Das moderne Unbewusste 51
Worum es in diesem Buch geht - und worum nicht 59
3. Die unbewusste Wahrnehmung 62
Was alles sehen wir? 62
Das sensible Unbewusste 65
Subliminale Wahrnehmung - Sinn und Unsinn 68
Merkwürdige Wahrnehmungslücken 87
4. Die unbewusste Meinung 90
Liebe auf einer Hängebrücke 92
Unbewusste Wahl 97
Wo wohnen Sie? 101
Archäologie oder Architektur? 105
Nach der unbewussten Meinung graben 108
5. Unbewusste Entscheidungen 116
Zum Beispiel Amsterdam 116
Entscheiden, entscheiden und noch einmal entscheiden 118
Drei Arten zu wählen 122
Denken oder nicht denken? 127
Dumme kleine Theorien 130
Der Psychiater und die Reißzwecke 136
Unbewusst denken 139
Das Gewichtungsproblem 147
Der Fußballtrainer, der nach Gefühl entscheidet 150
6. Unbewusste Kreativität 153
Über Newton und Einstein 153
Über Mozart und Eisschot 156
Das Aha-Erlebnis 160
Unbewusstes Denken oder nur ein »frischer Blick«? 164
Das eigensinnige Unbewusste 168
7. Unbewusste Aktivität - Teil l 175
Unser unordentliches Gehirn 175
Sehhandeln und Denkhandeln 178
Sozialer Sekundenkleber 185
Wie viele Sonnenbrillen tragen Sie? 191
Wie wir eine Partie Trivial Pursuit gewinnen 194
Unbewusst falschspielen 203
8. Unbewusste Aktivität - Teil 2 209
Das Paradox 209
Erst wägen, dann wagen 210
Das Libet-Experiment 212
Rettungsmanöver für das Bewusstsein 215
Im Theater 220
Die Illusion des freien Willens 223
Okkulte Phänomene? 22
9. Das nutzlose Bewusstsein? 233
Ein Wort zum Schluss 236
Anmerkungen 239
Abbildungsverzeichnis 252
LESEPROBE
Liebe auf einer Hängebrücke
Psychologen untersuchen schon lange, ob Menschen wirklich wissen, warum sie eine bestimmte Meinung haben und bestimmte Dinge tun. Das ist ein faszinierendes Thema. Wie schon erwähnt, fällt es uns nicht schwer, zu beschreiben, was wir von Sushi, van Gogh und den Grünen halten. Und meist können wir auch erklären, warum wir dieser Ansicht sind. Das ist für unser Bewusstsein kein Problem. Die Grünen machen gute Umweltpolitik, die Umwelt ist wichtig, also habe ich eine positive Meinung von den Grünen. Die Frage, ob uns das Warum unseres Tuns und Denkens wirklich klar ist, ist so faszinierend, weil sie im Grunde darauf zielt, wie gut wir uns selbst kennen. Weshalb esse ich gerne Sushi? Weshalb schaue ich mir gerne ein Gemälde van Goghs an? Unser Bewusstsein beantwortet solche Fragen meist mit einer plausiblen Begründung, aber ist eine Erklärung dieser Art wirklich zutreffend? Oder handelt es sich nur um eine Illusion, die das Bewusstsein hervorbringt?!
Einen Zipfel des Schleiers haben wir bereits in Kapitel 1 gelüftet. Wir wissen, dass unser Bewusstsein zwar ein guter Geschichtenerzähler ist (es wurde mit einem Pressesprecher verglichen), seine Geschichten aber oft reine Hirngespinste sind. Menschen, die an einem Aufnahmeritual teilnehmen, beispielsweise um Mitglied einer Studentenverbindung zu werden, sind nach der Aufnahme dieser Verbindung gegenüber oft sehr positiv eingestellt. Mehr noch: Je bizarrer und erniedrigender das Aufnahmeritual war, umso stolzer sind sie auf ihre Mitgliedschaft. Fragt man die Betreffenden, warum sie die Verbindung so sehr schätzen, erfindet ihr Bewusstsein eine nette Geschichte (»Die Mitglieder sind alle so sympathisch«), die mit dem wahren Grund der positiven Einstellung, dem Aufnahmeritual, nicht das Geringste zu tun hat. Ebenso verhielt es sich bei der Studie mit den vier Unterhosen. Versuchsteilnehmer, die unter vier Unterhosen eine auswählen sollten, bevorzugten meist die am weitesten rechts liegende, gaben für ihre Wahl aber völlig andere Gründe an, beispielsweise die Farbe oder Qualität der Hose. Doch das war völlig an den Haaren herbeigezogen, weil die Unterhosen absolut identisch waren.
Das Experiment mit den Unterhosen wurde von den bekannten Psychologen Dick Nisbett und Tim Wilson durchgeführt, die auch noch andere brisante Sachverhalte nachgewiesen haben. Es gibt eine ebenso nette wie erkenntnisfördernde Anekdote darüber, wie sie auf eine ihrer Untersuchungsideen kamen. Das Experiment mit den Unterhosen hatten sie zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Sie saßen in Nisbetts Büro und überlegten, mit welchem anderen Experiment sie ihre Hypothese – dass Menschen oft nicht wissen, warum sie bestimmte Entscheidungen treffen oder bestimmte Dinge tun – testen konnten. Anfangs verlief dieser Gedankenaustausch ziemlich frustrierend. Ihnen fiel einfach kein schönes, plausibles Experiment ein. Doch nach einer Weile glaubten sie zu wissen, weshalb sich die Inspiration nicht einstellen wollte. Auf dem Flur vor Nisbetts Büro arbeitete eine Putzfrau schon eine ganze Weile mit dem Staubsauger und produzierte dabei einen Höllenlärm. So etwas lenkt natürlich ab, überlegten die Forscher.
Doch ausgerechnet dieser Staubsauger brachte sie auf die zündende Idee. Sie planten folgendes Experiment: Versuchspersonen sollten sich einen Film anschauen und anschließend einschätzen, wie gut ihnen der Film gefallen und wie viel Freude es ihnen gemacht habe, ihn anzuschauen. Die Hälfte der Versuchspersonen schaute sich den Film unter normalen Bedingungen an; bei der anderen Hälfte wurde die Filmvorführung nach einer Minute brutal gestört. Neben dem Raum, in dem der Film vorgeführt wurde, fing ein Mann an (Dick Nisbett selbst, mit einem Overall verkleidet), mit einer Kettensäge zu sägen. Der Lärm hielt eine Weile an, bis der Versuchsleiter (Tim Wilson) den Mann mit der Säge freundlich bat, das Sägen zu unterbrechen, bis der Film zu Ende war. Man könnte nun meinen, die Versuchspersonen, die durch die Kettensäge gestört worden waren, hätten es als weniger erfreulich empfunden, sich den Film anzuschauen. Sie waren ja empfindlich gestört worden. Die Frage, ob sie die Säge als Störung empfunden hätten und ob sie glaubten, dass der Lärm der Säge ihre Freude am Film verringert habe, bejahten sie. Klar, die Sägerei sei ihnen ziemlich auf die Nerven gegangen. Aber hatte ihnen der Film weniger gut gefallen als den Versuchspersonen, die ihn unter normalen Bedingungen gesehen hatten? Ganz und gar nicht; der Film hatte ihnen im Durchschnitt sogar etwas besser gefallen. Mit anderen Worten: Obwohl die Teilnehmer glaubten, ihre Meinung über den Film sei durch das nervtötende Sägen beeinflusst worden, war das gar nicht der Fall. Die Forscher resümierten, wenn überhaupt von einer Beeinflussung die Rede sein könne, handele es sich bestenfalls um eine positive Beeinflussung der Meinung – vermutlich weil der Vorfall die Anwesenden zum Lachen gebracht hatte!
Ein anderes Beispiel. Wie glücklich sind Sie? Und wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben? Dies sind sehr grundsätzliche Fragen, und wir wollen sicherlich, dass unsere Antworten darauf unsere wahren, tief empfundenen Gefühle (unsere unbewusste Meinung) spiegeln. Ganz sicher wollen wir nicht, dass unsere Antworten durch eher zufällige Lappalien beeinflusst werden. Forscher einer amerikanischen Universität unter der Leitung von Norbert Schwarz beschlossen, dies zu untersuchen. Sie riefen nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Menschen an und stellte ihnen die Fragen »Wie glücklich sind Sie?« und »Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben?«. Allerdings riefen sie unter verschiedenen Umständen an: einen Teil der Probanden an einem grauen, bewölkten Tag, andere an einem sonnigen Tag mit blauem Himmel. Wir alle wissen, dass das Wetter unsere Stimmung beeinflusst und dass Sonne alles schöner macht. Aber betrifft das auch so wichtige Dinge wie unsere Meinung über unser eigenes Lebensglück? Ja, auch auf sie hat das Wetter Einfluss. Die angerufenen Versuchsteilnehmer sollten die Fragen anhand einer von 1 bis 9 reichenden Skala beantworten, wobei 9 bedeutete, dass die Betreffenden extrem glücklich und zufrieden waren. An einem Sonnentag betrug der Durchschnittswert der Antworten 7, an bewölkten Tagen lag er nicht über 4,8. Wenn jemand Sie fragt, ob Sie glücklich sind, schauen Sie am besten zuerst einmal zum Himmel empor. Die Wetterlage kann Ihre Antwort entscheidend beeinflussen!
Zum Schluss noch ein besonders schönes Experiment, das ebenfalls zeigt, wie wenig wir über die Beweggründe wissen, die wir für unsere Meinungen und Handlungen haben. Die amerikanischen Forscher Donald Dutton und Art Aron dachten sich folgendes Experiment aus: Sie besuchten in Begleitung einer sehr attraktiven Mitarbeiterin einen Nationalpark. Die Mitarbeiterin sprach in dem Park männliche Besucher an und fragte sie, ob sie bereit seien, einen Fragebogen auszufüllen; dann gab sie den Betreffenden ihre Telefonnummer. Allerdings tat sie dies unter zwei unterschiedlichen Bedingungen. Sie stellte sich unmittelbar neben eine 150 Meter lange Hängebrücke, die über eine tiefe Schlucht führte. Die Brücke bestand aus Holz und Seilen und schwankte im Wind. Sie zu überqueren war ziemlich aufregend und unheimlich. Ein Teil der Männer, die von der Mitarbeiterin angesprochen wurden, hatte die Brücke gerade überquert. Sie waren noch sehr erregt. Ihr Herzschlag war beschleunigt, ihre Muskeln waren angespannt und ihre Hände waren schweißfeucht. Eine zweite Gruppe von Männern wurde von der Mitarbeiterin erst eine Weile nach der Brückenüberquerung angesprochen. In der Nähe der Brücke stand eine Bank, auf der sich die meisten, wenn sie von der Brücke kamen, niederließen, um sich zu beruhigen und die Aussicht zu genießen. Erst danach trat die attraktive Frau auf die Mitglieder dieser zweiten Gruppe zu und bat sie, die Fragen zu beantworten!
Die Forscher wollten herausfinden, wie stark sich die Männer von der gutaussehenden Frau angezogen fühlten. Zu diesem Zweck protokollierten sie, wie viele der Männer die Mitarbeiterin später anriefen, um sich mit ihr zu verabreden. Bei denjenigen, denen man Zeit ließ, sich zu beruhigen, bevor die Frau sie ansprach, lag der Prozentsatz bei 30 Prozent. Von den Männern, die gerade erst die Brücke überquert hatten und deshalb noch sehr erregt waren, riefen erstaunliche 65 Prozent die Frau an, um sich mit ihr zu verabreden! Was war mit diesen Männern geschehen? Warum wollten sich so viele von ihnen verabreden?!
Die Forscher entwickelten dafür folgende Erklärung: Die Männer, die gerade erst die Brücke überquert hatten, waren noch sehr angespannt und erregt, als die Frau sie ansprach. Ihr Herz schlug schneller und sie spürten ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch. Dieses war zwar durch das Überqueren der schwankenden Brücke verursacht worden, doch die Männer deuteten es als Erregung beim Anblick der attraktiven Frau. Sie fühlten sich ein bisschen verliebt! Auch dies ist ein Beispiel dafür, dass wir manchmal absolut nicht wissen, warum wir eine bestimmte Empfindung haben. Es kann sein, dass wir einen Menschen einzig und allein deshalb als sehr sympathisch oder attraktiv empfinden, weil wir gerade über eine Hängebrücke gegangen sind!
Aufgrund all dieser Experimente können wir feststellen: Wir glauben oft zu wissen, warum wir eine bestimmte Meinung haben, doch in vielen Fällen entspricht diese Erklärung nicht der Realität. Unsere bewussten Meinungen werden durch die unterschiedlichsten Faktoren sehr stark beeinflusst, ohne dass uns dies klar ist. Das Überqueren einer Hängebrücke kann zu einer entscheidenden Wende in Ihrem Leben führen!
Unbewusste Wahl!
Und nicht genug damit, dass wir uns des Einflusses unterschiedlichster äußerer Faktoren wie Wetterlage, Kettensägen oder Hängebrücken und des daraus resultierenden Verhaltens auf unsere Meinungen oft nicht bewusst sind, auch unsere bewussten Ansichten unterliegen allen möglichen Einflüssen, die uns, obwohl sie unmittelbar mit der betreffenden Ansicht zusammenhängen, nicht bewusst sind. Man könnte auch sagen, dass wir in solchen Fällen durch unsere unbewusste Meinung beeinflusst werden. Geben Wähler einer politischen Partei ihre Stimme, weil sie deren Programm befürworten? Es ist doch wirklich zu hoffen, dass gebildete Menschen aus diesem und keinem anderen Grund ihre Wahlentscheidung treffen. Oder lassen wir uns unbewusst von der Ausstrahlung des Spitzenkandidaten beeinflussen oder vielleicht auch von Nebensächlichkeiten wie dem Ort, aus dem der Kandidat stammt (»Ah, sie wohnt auch in Utrecht!«)? Viele psychologische Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen sich blitzschnell ein Bild von jemand anderem machen. Einige wenige Äußerlichkeiten wie der Gesichtsausdruck und der Klang der Stimme vermitteln uns unbewusst einen ersten Eindruck. Dieser ist ungeheuer wichtig und entscheidet oft, ohne dass uns dies klar ist, über unser Verhalten der betreffenden Person gegenüber. Deshalb treffen Volksweisheiten wie »Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance« durchaus zu. Der erste Eindruck ist tatsächlich sehr wichtig.
Eine Gruppe amerikanischer Forscher unter der Leitung von Alexander Todorov hat diese Erkenntnis auf Wahlen angewandt. Sie wollten herausfinden, wie Wahlentscheidungen zustande kommen. Die Forscher sammelten zunächst Fotos von Kandidaten zahlloser amerikanischer Senatswahlen. Das amerikanische Wahlsystem ist einfach, weil es fast immer um die Entscheidung zwischen zwei Kandidaten geht. Den Versuchsteilnehmern wurden jeweils Bilder von zwei Kandidaten gezeigt, die gegeneinander angetreten waren.
Vorher war sichergestellt worden, dass die Versuchsteilnehmer die Kandidaten nicht kannten. Dies ist in Amerika nicht schwer, weil die meisten Amerikaner nur den Senator ihres eigenen Bundesstaates kennen.
Welche Aufgabe wurde den Versuchsteilnehmern gestellt? Sie sahen jeweils nur sehr kurz zwei Kandidaten: Die beiden Porträts wurden ihnen nur eine Sekunde lang auf einem Computerbildschirm präsentiert. Unmittelbar nach dieser Präsentation sollten die Teilnehmer eine Reihe von Fragen über die beiden Politiker beantworten, beispielsweise wer der intelligentere, der kompetentere oder der sozialere von beiden sei. Die Getesteten konnten dies unmöglich wissen; sie sollten einfach nach ihrem Gefühl urteilen.
Aufgrund der Resultate stellten die Forscher für jeden Kandidaten fest, ob dieser als intelligenter oder kompetenter als sein Kontrahent angesehen wurde. Die Resultate waren erschütternd. Der entscheidende Faktor war die wahrgenommene Kompetenz, also die Kompetenz, die die Versuchsteilnehmer einem Kandidaten innerhalb einer einzigen Sekunde zugeschrieben hatten: Allein aufgrund dieses Faktors konnten die Forscher etwa 70 Prozent der Wahlergebnisse korrekt vorhersagen! Die simple Wahrheit lautet also: Wer am kompetentesten »dreinschaut«, gewinnt fast immer. Wenn Sie das Pech haben, ein Mensch zu sein, dessen Gesicht auf den ersten Blick wenig Kompetenz ausstrahlt, sollten Sie nie gegen einen Konkurrenten kandidieren, der diese Ausstrahlung hat. Ihre Chance wäre dann nämlich gleich null.
Todorovs Entdeckung wird durch eine Analyse des Wirtschaftswissenschaftlers Steven Levitt gestützt. In seinem großartigen Buch Freakonomics beschäftigt er sich unter anderem mit der Rolle des Geldes bei amerikanischen Wahlen. In den Vereinigten Staaten verfügen Kandidaten während der Wahlkampagnen (sowohl bei den Senats- als auch bei den Gouverneurs- und Präsidentschaftswahlen) über sehr unterschiedliche Budgets. Einigen steht wesentlich mehr Geld für ihre Kampagne zur Verfügung als anderen. Nun liegt die Vermutung nahe, dass dies bei Wahlen eine wichtige Rolle spielt. Hat ein Kandidat mit erheblich größerem Budget nicht eine wesentlich größere Chance zu gewinnen, weil er oder sie einen besseren Wahlkampf führen kann?
Keineswegs. Laut Levitt wirkt sich dies kaum auf das Wahlergebnis aus. Und wenn man weiß, wie Kandidaten an ihr Geld kommen, ist das auch nicht weiter verwunderlich. Der größte Teil des Geldes wird gespendet. Die Spender hoffen, die Gewinnchancen »ihres« Kandidaten zu vergrößern (denn auch sie glauben, dass Geld dabei eine Rolle spielt) – und manchmal hoffen sie natürlich auch, dass sie den Betreffenden, wenn er gewinnt, aufgrund ihrer Spende später einmal um einen Gefallen bitten können. Doch merkwürdigerweise geben die Spender »ihrem« Kandidaten wesentlich mehr Geld, wenn sie sich ziemlich sicher sind, dass er gewinnen wird. Verfügt ein Kandidat über ein großes Budget, steht er meist ohnehin hoch im Kurs und würde wahrscheinlich auch ohne die Geldzuwendungen gewinnen. Gibt der Kandidat, der die besten Aussichten hat, das gesamte gespendete Geld für seine Kampagne aus? Nein, es sei denn, dies ist wirklich notwendig. Ein Kandidat, der weiß, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen wird, bewahrt das gespendete Geld möglichst für später auf. Oder anders ausgedrückt: Weil Kandidaten, die für ihren Wahlkampf hohe Geldbeträge erhalten haben, oft Wahlen gewinnen, entsteht der Anschein, die Höhe des Wahlkampfbudgets sei der ausschlaggebende Faktor. Doch das ist eine Vertauschung von Ursache und Wirkung. Die Kandidaten erhalten deshalb soviel Geld, weil ziemlich klar ist, dass sie gewinnen werden. Und weshalb gewinnen sie dann tatsächlich? Levitt kommt zu einem ähnlichen Schluss wie Todorov. Es liegt vor allem an ihrer Ausstrahlung. Man gewinnt Wahlen, indem man Kompetenz ausstrahlt, nicht indem man säckeweise Geld ausgibt.
Der Einfluss der wahrgenommenen Kompetenz auf Wahlen lässt sich nicht mit dem Einfluss äußerer Faktoren wie einer Kettensäge, dem Wetter oder einer Hängebrücke vergleichen. Vielmehr geht es dabei um innere Faktoren, insbesondere um den starken Einfluss der unbewussten Meinung. Wir bilden uns innerhalb einer Sekunde unbewusst eine Meinung über die Kompetenz eines Menschen. Die unbewusste Meinung bestimmt bei einem Großteil der Menschen das spätere Verhalten, in diesem Fall das Wahlverhalten. Bewusste Meinungen sind gut und schön und ermöglichen uns interessante Diskussionen in Cafés, doch ihr Einfluss auf das tatsächliche Abstimmungsverhalten ist sehr begrenzt.
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