Ein Schulbuch für den Geschichtsunterricht fast 20 Jahre später wieder unverändert aufzulegen ist ein mutiges Unterfangen. Der „C.C.Buchners Verlag“ publizierte im Jahre 2006 erneut das 1987 in der Reihe „Buchners Kolleg Geschichte“ von Heinrich Hirschfelder und Wilhelm Nutzinger verfasste Werk „Das Kaiserreich 1871-1918“. Das Schulbuch enthält neben darstellenden Texten, exzellenten Textquellen auch produktive Tabellen, Bilder, Fotos, Karten und Karikaturen.
Die Autoren des Lehrwerks für die Oberstufe sehen sich einem problemorientierten und wissenschaftspropädeutischen Ansatz in der Geschichtsdidaktik verpflichtet. Dieses belegen sowohl die wissenschaftlich fundierte Auswahl der Quellen und die Forschungsliteratur als auch die ausschließlich kognitiven, niveauvollen Arbeitsaufträge. Damit unterscheidet sich Oberstufenbuch von anderen Lehrwerken, die zunehmend mehr oder weniger unreflektiert handlungsorientierte Methoden enthalten. Dass die Arbeitsaufträge des Buches von 1987 viele W-Fragen enthalten und nicht primär mit Hilfe bestimmter Operatoren formuliert sind, die mittlerweile im Abitur verpflichtend vorgesehen ist, und dass das Buch keine Methodenkapitel enthält, kann den Autoren aufgrund der Veränderung der Lehrpläne und der Schulbücher in den letzten zwanzig Jahren nicht vorgeworfen werden.
Der Schwerpunkt des Lehrwerks liegt eindeutig auf der politischen Geschichte, auch wenn es ein Kapitel zum „gesellschaftlichen Wandel im Kaiserreich“ gibt. So werden Dokumente der Politik und Aspekte der Innen- und Außenpolitik Lehrern und Schülern zugänglich macht, die in neueren Schulbüchern marginalisiert werden oder überhaupt keine Berücksichtigung finden. Erwähnung verdient das Kapitel zur „Diskussion der Kriegsschuldfrage“, das für den Unterricht sehr gute lernerschließende Materialien zusammenstellt. Besonders fruchtbar ist m.E. die auch im Buch abgedruckte, im schulischen Unterricht vernachlässigte Differenzierung Winfried Baumgarts aus dem Jahre 1983 zwischen „langfristigen“, „mittelfristigen“ und „kurzfristigen“ Ursachen des ersten Weltkriegs (S. 199). Ideologiekritisches Arbeiten ermöglichen auch die Quellen zum Waffenstillstandverlangen der OHL, mit der sich die von Paul von Hindenburg verbreitete „Dolchstoßlegende“ widerlegen lässt (S. 221). In dem Kapitel zum Ersten Weltkrieg kommen m. E. aber mehrere für den schulischen Unterricht wichtige Aspekte zu kurz, was dem politikgeschichtlichen Ansatz des Buches geschuldet sind, nämlich der Charakters des Weltkriegs als „industrialisierter Krieg“, die Kriegsbegeisterung der Menschen im Juli 1914 sowie das Leiden der Bevölkerung an der „Heimatfront“.
Nichtsdestotrotz lässt sich festhalten, dass die zweite Auflage des Schulwerks „Das Kaiserreich 1871-1918“ aus dem „C.C.Buchners Verlag“ gerade zur Aneignung historischen Fachwissens für GeschichtslehrerInnen empfehlenswert ist und sich aufgrund ihrer guten Materialauswahl zur Durchführung eines problemorientierten, kognitiv aktivierenden Geschichtsunterricht eignet.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Informationen zum Titel
Politik, Gesellschaft und Wirtschaft im Deutschen Kaiserreich
Die deutsche Einigung
Machtverteilung und innere Gegensätze im Deutschen Kaiserreich
Die wirtschaftliche Entwicklung im Kaiserreich
Gesellschaftlicher Wandel im Kaiserreich
Europäische Großmachtpolitik bis zum Ende des 1. Weltkrieges
Deutsche Außenpolitik unter Bismarck und Wilhelm II.
Der Imperialismus
Europa im Vorkriegsjahrzehnt (1904-1914)
Der Erste Weltkrieg (1914-1918)

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